Es ist kein schöner Ort für Abstürze. Es ist ein schöner Ort für Höhenflüge: das altehrwürdige Fuchs-Park-Stadion von Bamberg, das durch seine neue Haupttribüne inklusive Innenräume richtig schmuck geworden ist. Doch der heimische FC Eintracht 2010 ist dort nach der 1:5-Niederlage im Saisonfinale nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sportlich in die Sechstklassigkeit abgestürzt. Die Gäste aus Würzburg bleiben dagegen nach einer starken Aufholjagd mit sieben Siegen aus den letzten zehn Spielen ein Bayernligist.
In der Stunde des Erfolges wollte Marc Reitmaier keinen einzelnen Spieler hervorheben. Der gefeierte WFV-Coach, der erst im September vergangenen Jahres gekommen war und den Zellerauern neues Leben eingeimpft hat, stellte stattdessen das Kollektiv heraus. Ein – nennen wir es besonderes – Puzzleteil dieses Gesamtkonstrukts ist Ricardo Borba. Wenn man sich mit ihm unterhält, denkt man irgendwie noch immer an einen brasilianischen Lebemann. Womöglich ist er dies auch.
Borbas Freundschaftsdienst
Vor allem hat sich Borba aber trotz seines fortgeschrittenen Fußballeralters von 33 Jahren für 14 Spiele im WFV-Trikot ordentlich aufgerieben – wohlgemerkt jedes Mal über die komplette Spielzeit. Erst im letzten Einsatz holte ihn Reitmaier in der 87. Minute zwecks Huldigung vom Feld. Auch wenn der in dieser Zeit sechsmal erfolgreiche Stürmer in den letzten vier Partien nicht mehr getroffen hat, war er zu jeder Zeit enorm wichtig – so auch in Bamberg. „Rico bindet locker zwei Spieler. Dadurch haben die anderen Offensivkräfte viel mehr Räume“, sagte Andreas Ganzinger. Genau wie der Rest des Teams zwischen dem zahlreich mitgereisten Anhang auf der Haupttribüne war der zweite WFV-Kapitän und rechte Verteidiger hernach überglücklich. „Ich bin am Ende meiner Kräfte. Eine solche Saison möchte ich kein zweites Mal erleben.“
Borba blinzelte dagegen entspannt in die Sonne, als könnte er gleich noch mal so ein Abstiegsfinale bestreiten. Es war eine Art Freundschaftsdienst von und für Reitmaier gewesen, der den langjährigen Spieler der Würzburger Kickers nach einer längeren Abstinenz für ein paar Monate an die Mainaustraße gelotst hatte. „Das Erste, was ich im Januar gesagt habe, war, dass wir die Klasse halten werden“, erklärte Borba. „Doch es war bis zum Schluss sehr schwer.“ Künftig müssen die Blauen wieder ohne Borba auskommen. Den Brasilianer zieht es zurück in sein Heimatland, wo er eine Fußballschule betreibt. In drei Wochen geht sein Flug. In der Relegation hätte Borba also noch mal die Fußballschuhe geschnürt, jetzt darf er die Beine hochlegen und das Leben in Unterfranken noch etwas in genießen.
Dieser letzte Saisonauftritt in Bamberg – weit weg von der pulsierenden Innenstadt – war ein Spiegelbild der vergangenen Wochen gewesen. Die Blauen gingen ihn hoch konzentriert und schwungvoll an, aber man merkte ihnen die Schwere der Situation an. „Es hat niemand behauptet, dass Abstiegskampf einfach ist.“ So hatte es WFV-Coach Reitmaier vor einiger Zeit ausgedrückt. „Wir wollten das Ganze viel zu lange spielerisch lösen“, befand Ganzinger. „Doch der neue Trainer hat an den entscheidenden Stellschrauben gedreht und den Schalter umgelegt.“ Gerade noch rechtzeitig hatten die Mainauer dann auch die knappen Partien gewonnen.
Doch wer kann bei heißen Temperaturen schon kühlen Kopf bewahren, wenn er gegen einen engagierten Gegner mit einem Notaufgebot tatsächlich in Rückstand gerät? „Dieses Gegentor war natürlich nicht optimal“, sagte auch Reitmaier. Marcel Rauscher hatte die Bamberger nach zehn Minuten in Führung gebracht. Der WFV vergab davor und danach teils hochkarätige Torchancen. Auch wenn Adrian Istrefi mit einem technisch feinen Seitfallzieher zum 1:1 ausglich (27.), waren die Würzburger zur Pause auf einen Relegationsrang zurückgefallen – ohne es zu wissen. „Wir waren in der Kabine nicht über die Zwischenstände auf den anderen Plätzen informiert“, so Reitmaier.
Röckert-Hattrick in Schlussphase
Sie wollten es selber regeln – und sie regelten es selber. Es dauerte allerdings bis zur 69. Minute, ehe Wojtek Droszcz nach einer Ecke am langen Pfosten lauerte und den Ball über die Linie drückte. Sämtliche Ecken zuvor hatte Droszcz noch selbst getreten. In der Schlussphase schlug dann der Moment von Kevin Röckert, der genau wie Borba in der Winterpause gekommen war. Dem zur Pause eingewechselten Stürmer gelang ein lupenreiner Hattrick binnen zehn Minuten. Erst beim 4:1 sei er sich hundertprozentig sicher gewesen, gestand Reitmaier später, dass nichts mehr anbrenne. Letztlich wäre sein Team aufgrund der Ergebnisse der Abstiegskonkurrenz auch bei einer Niederlage drinnen geblieben.
Der WFV-Coach bemühte sich bis zum Schluss um Contenance, auch wenn ihn die mitgereisten Fans im Fuchs-Park-Stadion auf Händen trugen. Eine Trainingseinheit werde es unter der Woche noch geben, erklärte Reitmaier: „Wir haben in den letzten Wochen und Monaten seriös gearbeitet. Wir werden nun auch seriös auseinandergehen.“ Mit welchem WFV kann man in der neuen Saison rechnen? „Heute ist nur wichtig, dass wir Bayernligist bleiben. Alles andere ist gedanklich noch so weit weg.“
Die Statistik des Spiels
FC Eintracht Bamberg – Würzburger FV 1:5 (1:1)
Bamberg: Nawrat – Linz, Schauer, Auer, Friedlander – Moissonnier-Benert (86. Hummel), Kopka, Trautmann, Rauscher (46. Mohr) – Sengül, Görtler (70. Habersetzer).
Würzburg: Koob – Schömig, Hänschke, Drösler, Ganzinger – Steinmetz, Droszcz – Hofmann, Istrefi (58. Schmidt), Heim (46. Röckert) – Borba (87. Holzmann).
Tore: 1:0 Rauscher (10.), 1:1 Istrefi (27.), 1:2 Droszcz (69.), 1:3, 1:4, 1:5 Röckert (80., 82., 90.).
Schiedsrichter: Heidt (TSV Stein).
Zuschauer: 347.