
Werner Lorant war schon zu seiner Glanzzeit aus der Zeit gefallen. Ein Paradoxon im Leben des nach Fußball Verrückten. Aber selbstverständlich nicht das Einzige. Ansonsten ist es kaum möglich, zu einem dieser wenigen Darsteller der Bundesliga zu werden, denen Fans und Journalisten das Prädikat „Original“ umhängen. Lorant war das wurst, und er kultivierte seinen Ruf so nur noch umso mehr. Den Ruf desjenigen, der vollkommen logisch Werner Beinhart gerufen wurde. Weil er als Spieler dorthin ging, wo es wehtat. Aber auch dorthin, wo er wehtat.
Lorant aber war kein humorloser Metzger, der auf dem Feld Trikot gegen Schürze tauschte. Der Mittelfeldspieler hatte durchaus ein Faible für das Schöne im Spiel. Er gewann mit der Frankfurter Eintracht den Uefa-Cup und den DFB-Pokal, schoss in 325 Bundesligaspielen immerhin 46 Tore. Einer, der um seine Qualitäten wusste und sie kompromisslos einbrachte. Ein Erfolgsrezept, das er als Trainer wiederholte.
Ins Leben-und-leben-lassen-Bayern passte Lorant so gar nicht. Trotzdem fühlte er sich nirgendwo wohler. Bei seinen Spielern vom TSV 1860 München gestatte er nur genialen Grenzgängern Freiheiten. Abedi Pele etwa oder Thomas Häßler. Der Rest hatte beinhart zu spielen. So formte Lorant Jahr für Jahr eine Mannschaft, die sich recht gut darauf verstand, als kickende Gesandte des Arbeiterviertels Giesing anerkannt zu werden. Widerrede unerwünscht. Lediglich Karl-Heinz Wildmoser wurde von Lorant dann und wann zugestanden, eine von seiner Meinung abweichende Ansicht zu haben. Das hinderte den Trainer freilich nicht daran, nach dem Training im Löwen-Stüberl vor Fans und Reportern knarzend zu erzählen, weshalb der Herr Präsident denn eigentlich überhaupt keine Ahnung habe. Im Hintergrund stets Wirtin Christl – es war die goldene Zeit der Löwen. Sie endete mit der Entlassung Lorants. Wildmoser waren Platzierungen im Mittelfeld der Bundesliga nicht mehr gut genug. Der Klub überhob sich an der Allianz-Arena und legte einen Sinkflug hin, wie es nur sich überschätzende Traditionsklubs schaffen.
Trainer in Heidingsfeld, Schweinfurt und Aschaffenburg
Lorant verfolgte das Geschehen von Waging aus. Dort hatte er seinen Altersruhesitz gefunden. Nach seiner Löwen-Zeit war er unter anderem durch Zypern, die Türkei, Südkorea und den Iran getingelt – doch so glücklich wie in der bayerischen Provinz wurde er nie wieder. Als Regent von Giesing lehrte er den großen FC Bayern das Fürchten. Zuvor hatte er schon in Heidingsfeld, Schweinfurt und Aschaffenburg gezeigt, dass er dann am besten war, wenn er wortgewaltig granteln konnte, seine Spieler wahlweise als Blinde, Idioten oder Amateure bezeichnete. Lorant war hart zu sich und hart zu anderen. Auch deswegen liebten ihn die Anhänger der Löwen. Auch das: paradox. Am Ostersonntag ist Lorant im Alter von 76 Jahren nach schwerer Krankheit gestorben.
R.I.P.
Alex Götz
Fanclub Veitshöchheimer Löwen 1977