Er hat sie alle gepfiffen. Ob Lothar Matthäus, Sepp Maier oder Franz Beckenbauer, ob Sepp Herberger oder Jupp Derwall. Allesamt tanzten sie einmal nach der Pfeife von Jürgen Walther. Über 50 Jahre schon leitet der frühere Bundesliga-Schiedsrichter Spiele und steht in wenigen Wochen vor seinem nächsten Meilenstein – und das, obwohl er die Fußballschuhe schon lange an den Nagel hängen wollte.
Seit 1959 im Einsatz
Auch mit 75 Jahren hat Schiedsrichter-Urgestein Jürgen Walther nicht genug vom Fußball. Seit 1959 greift der Unterdürrbacher nun schon zur Pfeife. Im kommenden Jahr feiert er somit sein 60. Dienstjubiläum. Eine lange Zeit, auf die der Unparteiische, der früher im Außendienst eines Stahlunternehmens gearbeitet hat, zurückschauen kann. Dabei war es vor allem die Ungerechtigkeit, die Walther zur Schiedsrichterei brachte: „Damals war ich in Oberfranken. Die Linienrichter wurden vom Verband gestellt. Sie haben aber nicht gewunken, selbst wenn der Stürmer des Heimvereins deutlich im Abseits stand.“ Jahre später sei er dann wieder zurückgekehrt und habe die Situationen selbst geklärt.
22 Einsätze in der Bundesliga
Seine Reisen führten ihn nicht nur auf die Fußballplätze Unterfrankens, sondern in den 70er Jahren sogar in die größten Stadien Deutschlands. Denn Walther schaffte es mit seiner positiven und umgänglichen, aber stets korrekten Art, bis an die Spitze des nationalen Fußballs. Von 1975 bis 1980 leitete Walther 22 Spiele in der deutschen Bundesliga und 36 in der Zweiten Liga. Dabei traf er auf Weltstars wie Franz Beckenbauer und Sepp Maier. Nachdem er mit einer Entscheidung des Unparteiischen nicht einverstanden war, sagte Lothar Matthäus einmal zu Walther: „Wir spielen hier kein Jojo.“ Aus der Ruhe ließ sich der Schiri aus Leidenschaft damit aber nicht bringen.
Besonders gerne erinnert sich der 75-Jährige an das Duell der Gladbacher Borussia gegen Eintracht Braunschweig. „Mein Highlight war, als Jupp Heynckes noch spielte, zusammen mit Allan Simonsen. Da stand ich daneben, wie Simonsen abzog und das Tor des Monats erzielte“, gerät Walther ins Schwärmen. Auch den jungen Bernd Hollerbach habe er gepfiffen, ebenso wie die Bundestrainer Sepp Herberger, Jupp Derwall und Helmut Schön. „Diese Zeit möchte ich auf keinen Fall missen.“
Dennoch waren für Walther nie die großen Namen das Wichtige an der Schiedsrichterei. Andere Dinge bereiteten und bereiten ihm auch heute noch Freude. Vor allem der vorbildliche und respektvolle Umgang der Sportler untereinander bewege ihn noch heute dazu, bis zu viermal die Woche Spiele zu leiten. „Sich wie die Axt im Wald zu benehmen, ist der falsche Weg. Mit Menschlichkeit und Freundlichkeit kommt man an bei den Spielern“, weiß Walther, dem regelmäßig große Wertschätzung für seine Leistungen entgegengebracht wird. Oft unterhalte er sich nach dem Spiel noch länger mit Spielern und Zuschauern.
Fast 4000 Spiele
So freut sich Walther trotz des rauer werdenden Tons auf den Sportplätzen auf jeden seiner Einsätze – und das, obwohl er schon vor über zehn Jahren aufhören wollte zu pfeifen. Aber sein Arzt habe ihm geraten, so lange weiterzumachen, wie es nur geht. „Bewegung ist schließlich gesund und ich bin überrascht, wie gut es noch geht“, sagt der routinierte Referee und schmunzelt. Natürlich stoße er im Aktivenbereich mittlerweile an seine Grenzen, aber Jugendpartien könne und möchte er auf jeden Fall noch länger pfeifen.
Immerhin erreicht der 75-Jährige bald den nächsten Meilenstein in seiner Karriere. Nämlich die die Marke von 4000 Spielen. Um die zu knacken fehlen ihm noch rund 20 Einsätze, welche er, wie es seine Art ist, mit großen Enthusiasmus und möglicherweise noch in dieser Saison pfeifen wird.