
Die Fahrt in die alte Heimat macht Alf Mintzel nicht mit. Wenn sein Verein, der SV Wehen Wiesbaden, an diesem Samstag (14 Uhr) bei den Kickers am Dallenberg zum Drittliga-Spiel antritt, hat der gebürtige Würzburger andere Aufgaben. Mintzel muss organisieren und repräsentieren. Am Abend findet eine große Veranstaltung im Wiesbadener Stadion statt: die gemeinsame Freistellungsfeier aller örtlichen Handwerks-Betriebe. Da darf der einstige Drittliga-Kicker - sozusagen als Hausherr, nicht fehlen. Mintzel ist, so könnte man seinen neuen Job nach dem Karriereende beschreiben, das Gesicht des SV Wehen Wiesbaden, neben seinem Job in der Marketing-Abteilung. Der einstige Linksverteidiger, der in Rimpar groß wurde, ist bei dem Klub, eine Institution - das Wort Legende fände er wohl selbst etwas überrissen.
Als Mintzel 2019 seine Profikarriere beendete, hatte er 325 Drittliga-Partien absolviert. Nur Robert Müller (348 Spiele) und Tim Danneberg (332) sind in dieser Spielklasse häufiger aufgelaufen. Nun heißt es A-Liga statt 3. Liga. Seit dieser Saison kickt er für den TG/SV Holzhausen. "Dafür reicht es auch mit 40 noch", sagt er. In der vergangenen Saison hatte er mit der SG Walluf noch den Aufstieg in die sechstklassige Verbandsliga geschafft. Doch den Stress wollte sich der Ex-Profi nicht mehr antun. Eine Karriere im sportlichen Bereich als Trainer oder Manager, das sei auch nichts für ihn: "Die neue Rolle passt besser zu mir. Ich bin ja schon lange hier und kenne viele Leute auch aus der Politik oder der Wirtschaft. Mir macht das viel Spaß. Der Vorteil ist, dass man bei einem kleinen, relativ jungen Verein wie unserem viel ausprobieren kann. Neue Wege gehen kann. Da gibt es nicht so viele Bedenkenträger wie bei manchem großen Traditionsklub."
Dass der Unterfranke Mintzel der bekannteste aller Kicker aus der hessischen Landeshauptstadt wurde, lag auch an dem legendären Ruf, der ihm vorauseilte. "Der raucht wie ein Schlot, trinkt Weizen en Masse, aber was der abspult, ist Wahnsinn", hatte sein Ex-Kollege Markus Kolke, heute Torhüter bei Hansa Rostock einmal über Mintzel gesagt. Und der, selten um einen kessen Spruch verlegen, hatte geantwortet: "Ein guter Diesel braucht Benzin und stinkt ein bisschen, ich bin einer von der alten Schule." Noch heute muss Mintzel darüber schmunzeln. "Ich habe halt nie gelogen und gesagt: 'Ich trinke nicht und esse nur Körner.' Ich glaube, ich habe mich immer recht vernünftig ernährt. Sonst hätte ich nicht mit 37 noch auf Profiniveau spielen können. Aber ich habe auch nie verstanden, warum man nach einem Spiel am Sonntag nicht einen Schweinebraten mit Klößen essen soll", sagt er am Telefon.
Nach dem Zweitliga-Aufstieg hatte er in Wiesbaden aufgehört. Der Klub stieg 2020 wieder in die 3. Liga ab, wählte aber einen anderen Weg als die Kickers ein Jahr später. Denn wie bereits vor dem Aufstieg und während der gesamten Zweitliga-Saison, sitzt mit Rüdiger Rehm noch immer der gleiche Trainer bei den Hessen auf der Trainerbank. Dass der Trainerstuhl in Würzburg zwischenzeitlich ein Schleudersitz war beobachtete Mintzel, der selbst nie das Kickers-Trikot trug, sondern einst beim Würzburger FV kickte, aus der Ferne. "Von außen betrachtet wirkte das nicht sehr passend", sagt er über die Episode mit Felix Magath als großem Kickers-Berater. Insgesamt findet er es aber erstaunlich, was sich in den letzten Jahren am Dallenberg getan hat: "Man muss anerkennen, wie schnell die Kickers es geschafft haben, den Profifußball in Würzburg fest zu etablieren."
In Liga drei ist das schließlich kein leichtes Geschäft, und da kennt Mintzel, der mit Ex-Kickers-Trainer und Rothosen-Aufsichtsrat Dieter Wirsching öfter telefoniert, sich bestens aus. Elf Jahre spielte er in dieser Spielklassse. "Sportlich wird die 3. Liga immer attraktiver, mit Klubs wie 1860 oder Kaiserslautern. Aber aus finanziellen Gründen muss man sagen: Die Kluft zur 2. Bundesliga ist so groß, dass immer noch jeder möglichst schnell raus aus dieser Klasse will." Das gilt also auch für den SV Wehen Wiesbaden. Aber der Weg ist steinig. "Die 3. Liga zeichnet aus, dass alle Spiele offen sind. Das wird auch am Samstag so sein. Es wird eine enge Angelegenheit", sagt Mintzel mit Blick auf die Partie am Dallenberg.