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Handball: Bayernliga Männer
Von Feuerland nach Waldbüttelbrunn
Uli Sommerkorn
 |  aktualisiert: 11.12.2019 10:20 Uhr

Als der in Mannheim geborene Auswanderer Friedrich Feuchtmann zu Beginn der 1930-Jahre ein Schiff bestieg, ließ er ein Europa hinter sich, das von der Weltwirtschaftskrise gebeutelt war und in dem Diktaturen wie Pilze aus dem Boden schossen. In der chilenischen Hafenstadt Valparaíso am Pazifik ließ sich der Badener nieder, heiratete, gründete eine Familie. Gut 80 Jahre später sind vier seiner Enkel zurück in Europa – die Geschwister Emil (32 Jahre), Inga (30), Harald (27) und Erwin (25) spielen dort allesamt Handball. Harald Feuchtmann Perez tut dies ab dieser Saison für den Bayernligisten DJK Waldbüttelbrunn, mit dem er an diesem Samstag gegen den TSV Friedberg Heimpremiere feiert (Anwurf 19.30 Uhr, Ballsporthalle).

„Natürlich hört sich unser Name sehr deutsch an. Aber ich habe meinen Großvater gar nicht mehr gekannt, er ist früh gestorben. Wir sind eine ganz normale chilenische Familie“, erklärt Harald Feuchtmann, der seit sechs Jahren in Deutschland lebt und die Sprache nach seiner Übersiedlung erst einmal erlernen musste.

In der Familie in Südamerika war Handball ein ganz großes Thema: Die Eltern waren Sportlehrer an der Universität Valparaíso, die ihre Kinder für die in Chile nicht so weit verbreitete Sportart Handball begeisterten. Auch nachdem sie später in den kühlen Süden des Landes nach Punta Arenas, in die Nähe von Feuerland und der Magellanstraße, gezogen waren.

Später zog es die Kinder dann nach und nach nach Europa, wo ihr Sport einen ganz anderen Stellenwert genießt als in der Heimat. Emil Feuchtmann Perez, der vergangene Saison noch gemeinsam mit Bruder Harald für den Drittligisten HSC Bad Neustadt spielte, trägt nun das Trikot des Schweizer Spitzenklubs Wacker Thun, Erwin, der jüngste Bruder, steht im Kader des Bundesligisten TBV Lemgo, Schwester Inga läuft seit dieser Saison für den Zweitligisten FSV Mainz 05 auf. „Dass wir uns alle einmal sehen, das kommt selten vor, zum Beispiel an Weihachten. Schließlich hat jeder seine Termine“, berichtet der Neu-Waldbüttelbrunner, der im nahen Hettstadt lebt.

Harald Feuchtmann Perez ist in den Würzburger Raum gekommen, weil er in der Domstadt in einem Fitnessstudio eine Teilzeit-Anstellung gefunden hat. Daneben arbeitet der gelernte Fitnesstrainer auch noch bei einem Waldbüttelbrunner Ausstatter von Diskotheken. „Für uns war das ein Glücksfall, es hat alles optimal gepasst“, bekennt DJK-Sportvorstand Winfried Körner. Und auch Trainer Karoly Kovacs verspricht sich einiges von 1,78 Meter großen Linsaußen, der durch seine Schnelligkeit bei Gegenstößen und als konsequenter Abwehrspieler auf der vorgezogenen Deckungsposition besticht.

Auf dem Spielfeld ist der Chilene einer, der in der Lage scheint, Mitspieler mit seiner temperamentvollen Art mitzureißen. „Es gefällt mir hier. Und die Mannschaft kann noch besser werden, wenn sich die Neuzugänge eingewähnt haben“, sagt der Rechtshänder, der neben dem HSC Bad Neustadt auch schon in der Dritten Liga für den HC Köthen und den samstagtäglichen DJK-Gegner TSV Friedberg spielte.

Den Friedbergern war er in der Saison 2012/13 einmal vorübergehend abhanden gekommen. Da wurde Harald Feuchtmann gemeinsam mit seinen Brüdern Erwin und Emil in den WM-Kader seines Landes für die Titelkämpfe in Spanien berufen und bestritt dabei ein Spiel. Beim letzten großen Turnier, bei der WM in Katar im Januar 2015, war der 27-Jährige dann aber nicht dabei. Dass er zuletzt in der Nationalmannschaft keine Berücksichtigung mehr fand, dürfte die Waldbüttelbrunner nicht unbedingt traurig machen. Schließlich drohen der DJK so keine Länderspiel-Abstellungen während der Saison. Denn anders als in der Ersten und Zweiten Bundesliga ist der Spielplan in den unteren Klassen nicht auf die wichtigen internationalen Turniere abgestimmt.

DJK Waldbüttelbrunn – TSV Friedberg (Samstag, 19.30 Uhr, Ballsporthalle)

„Es wird ein schweres Spiel“, betont Karoly Kovacs, Trainer der DJK Waldbüttelbrunn (1./2:0), vor dem Gastspiel von Drittliga-Absteiger TSV Friedberg (2./2:0). Und das nicht nur, weil die sich am Samstag gegenüberstehenden Kontrahenten als Topfavoriten auf die Meisterschaft gehandelt werden. Auch die personelle Situation bei der DJK bewirkt, dass bei den Gastgebern trotz eines gelungenen Saisonstarts am Sonntag beim 29:15 in Allach Skepsis herrscht.

Neben den langzeitverletzten Manuel Feitz und Max Drude fehlt auch Gergely Kotrics (Fingeroperation). Zudem konnte Lukas Lutz während der Woche wegen eines Infekts nicht trainieren, Lukas Tendera fehlte bei den Einheiten aus beruflichen Gründen. Deshalb könnten am Samstag die eigentlich aus der ersten Mannschaft zurückgetretenen Jozsef Szentgyörgyi und Daniel Boldt auflaufen.

Respekt vor dem Gegner hat Karoly Kovacs allemal, vor allem vor dem starken Lukas Abstreiter im linken Rückraum, der bei der Friedberger Saisonpremiere beim 33:23-Erfolg über Aufsteiger TV Erlangen-Bruck neunmal getroffen hat. Text: urs

 
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