Ein einziger Atemzug muss genügen, um in die Tiefe des Meeres zu tauchen: Was die Sportler dabei leisten, lässt sich nur erahnen: Hält ein Mensch die Luft an, holen die meisten nach spätestens nach 60 Sekunden nach Luft. Es ist ein Reflex. Der ansteigende Kohlendioxidgehalt im Blut löst ihn zwangsläufig aus.
Das zu kontrollieren und so die scheinbar vom Körper gesetzten Grenzen zu überwinden, gelinge ihr immer besser. Kathleen Greubel aus Rimpar hat sich dem Apnoe- oder Freitauchen verschrieben. Das ist alles andere als ungefährlich: Denn unterdrückt der oder die Tauchende den Atemreflex zu lange, droht unter Wasser die Bewusstlosigkeit, der "Blackout".
Seit Januar trainiert die 30-Jährige auf der Insel Utila, einem Taucherparadies vor der karibischen Küste von Honduras in Zentralamerika. In diesen Tagen findet auf der honduranischen Nachbarinsel Roatán auch ein internationaler Wettbewerb statt. Greubel nimmt daran teil.
Für die Wasserwacht Aufsicht am Erlabrunner Badesee
Ihr Interesse für das nasse Element begann zu Hause im unterfränkischen Rimpar. Für die Wasserwacht war sie als Aufsicht am Erlabrunner Badesee oder gab Schwimmkurse im Hallenbad des Blindeninstituts in Veitshöchheim.
Später, während sie in Freiburg im Breisgau studierte, war sie oft auf Reisen. Ihre Leidenschaft für das Freitauchen entdeckte sie schließlich in der Karibik auf Utila. Anfangs war sie dort noch mit der Sauerstoffflasche im Meer unterwegs, um an den nahen Korallenriffen die bunte Unterwasserwelt zu erkunden. Doch das schwere Gerät legte sie bald ab.
Vor zwei Jahren war sie zum ersten Mal beim "Caribbean Cup" auf Roatán als Rettungsschwimmerin dabei. Über 8000 Kilometer weit weg von ihrer Heimat treffen sich bei dem für Freitaucher bedeutendsten Wettbewerb, den der Verband "Association Internationale pour le Développement de l'Apnée" (AIDA) ausrichtet, die Besten ihres Sports. Der Verband hat verbindliche Regeln für die verschiedenen Disziplinen gesetzt, stellt die Kampfrichter, führt eine Rangliste, sorgt vor allem für Sicherheitsstandards und kontrolliert auf mögliches Doping.
Als Rettungsschwimmerin begleitete sie die Taucher und brachte sie, sollten sie unter Wasser bewusstlos werden, sicher zurück nach oben. "Damals habe ich tolle Einblicke in diese Szene bekommen und viele Kontakte geschlossen", sagt sie.
Ruhe als Schlüssel, um scheinbar Unmögliches zu erreichen
Bei Wettbewerben sei es vorgeschrieben, dass sich mehrere Rettungstaucher mit im Wasser befänden und ein Arzt anwesend sei. Sie begleiten den Taucher auf den letzten Metern nach oben und können so rasch feststellen, wenn die Tauchtechnik nachlässt, dass sie eingreifen müssen. Meist genüge es, kalte Luft an die Nase zu pusten und der Atemreflex setzt wieder ein.
Seit diesem Erlebnis taucht auch sie fast nur noch ohne technische Hilfsmittel, deren Gewicht und Geräusche sie inzwischen als störend empfindet: Sie erlebe dabei "die Freiheit unter Wasser, die Stille und die spielerisch unbeschwerte Bewegung im Wasser".
Während das Gerätetauchen "den Blick nach außen" richte, lenke das Freitauchen ihn ganz "nach innen“. Es sei schließlich eine der wenigen Sportarten, findet Greubel, in denen es darum gehe, "möglichst wenig zu tun und entspannt zu sein". Die innere Ruhe sei der Schlüssel dafür, um eine "mentale Schranke" zu durchbrechen und das scheinbar Unmögliche zu erreichen.
Tiefes Ein- und allmähliches Ausatmen, doppelt so lange wie das Einatmen, aktivierten den Parasympathikus, den sogenannte Ruhenerv: "Der ist an der unwillkürlichen Steuerung der meisten Organe beteiligt und hilft uns dabei zu entspannen", weiß Greubel. Ein weiterer Kniff, den die Freitaucherin nutzt, sei ein Schutzmechanismus: Der Tauchreflex bei Saugetieren sorgt dafür, dass sich der Herzschlag unter Wasser verlangsamt und der Sauerstoffverbrauch sinkt.
Gefahr für den Taucher besteht kurz vorm Auftauchen
Kathleen Greubel würde das Freitauchen gerne als Leistungssportlerin betreiben. In den Wettkämpfen kann sie Punkte für nationale und internationale Ranglisten sammeln. Um eines Tages vorne dabei sein zu können, trainiert beinahe täglich: Vormittags tauche sie, nachmittags liege ihr Fokus auf Yoga und Stretching. Ihre Stärke sieht sie dabei in der Disziplin "Free Immersion", wobei sie sich nur mit Hilfe eines Seils in die Tiefe zieht und aus eigener Kraft, aber ohne Flossen zurück an die Oberfläche schwimmt.
Das sei nicht nur mental, sondern auch körperlich besonders anspruchsvoll. Noch größere Tiefen erreichen die Sportler beim "No limit"-Tauchen. Dabei zieht ein Gewicht in Schlittenform den Taucher zunächst nach unten, beim Aufstieg hilft ihnen ein Hebeballon. Wegen einiger Unfälle sei diese Disziplin aber in die Kritik geraten, sagt Greubel. Der Verband AIDA Deutschland aus Neustadt an der Weinstraße, in dem sich deutsche Apnoetaucher organisieren, erkennt Rekorde dieser Disziplin nicht mehr an.
Bei zu langen und zu tiefen Tauchgängen bestehe die Gefahr eines "Blackouts", erklärt Greubel. "Am gefährlichsten ist der Moment kurz vor dem Auftauchen." Wichtig sei daher, die Sicherheitsregeln zu beachten. "In erster Linie darf man nie allein tauchen", rät sie. Noch sicherer sei jedoch es, wenn der Tauchpartner auch eine Rettungsausbildung habe.
Das Bewusstsein habe sie beim Tauchen noch nicht verloren. Nur einmal habe sie sich überschätzt und dadurch die Kontrolle über ihren Körper verloren. Wenn die Sauerstoffwerte zu niedrig seien und nicht mehr ausreichten, um die Muskeln zu versorgen, könne es zu unwillkürlichen Bewegungen kommen. Der Körper tanze dann "Samba", sagen die Taucher.
Die meisten Sportler arbeiten nebenbei in Tauchschulen
Weltweit gebe es nur wenige Freitaucher, denen Sponsoren es ermöglichen, davon auch zu leben. Die meisten würden wie sie in einer Tauchschule arbeiten, um den Sport zu finanzieren. Die Rimparerin gibt seit Juli vergangenen Jahres als Tauchlehrerin in Mallorca ihr Wissen weiter. Die Nachfrage nach Kursen sei gestiegen: "Freitauchen stillt das Bedürfnis nach Entspannung und Ruhe, Naturerlebnis und Selbsterfahrung", sagt sie.
Auch für Anfänger sei es, professionell angeleitet und mit etwas Übung, möglich, gut 20 Meter in die Tiefe zu tauchen und für zwei bis drei Minuten den Atem anzuhalten. Beim Wettbewerb auf Utila gelang Greubel in ihrer Lieblingsdisziplin "Free Immersion" eine Tiefe von 68 Metern. Ihr Tauchgang dauerte fast drei Minuten. Ihr eigener Rekord liegt bei fünf Minuten und 18 Sekunden.
Eigentlich wäre sie schon längst wieder zurück in Mallorca. Aber auch in diesem Jahr verschiebt sich die Saison, denn viele Tauchschulen waren als Folge der Corona-Pandemie geschlossen. Anfang Juni, so ihr Plan, geht's wieder zurück: Geld verdienen für weitere Wettbewerbe. Solange werde sie das Tauchen mit ihren Schülern genießen.