Es war eine Seltenheit. Womöglich sogar ein Novum. Völlig entspannt nahm Douglas Spradley Platz im Presseraum und scherzte ein wenig. Üblicherweise dauert es einige Zeit nach einer Partie, bis der Cheftrainer des Basketball-Bundesligisten s.Oliver Würzburg sich zum offiziellen Stelldichein mit der Journaille gesellt.
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Meist wartet der Trainer des Gegners da schon ein Weilchen. Am Freitagabend in Vechta aber war es umgekehrt. Spradley und die Journalisten warteten auf Andreas Wagner, den Coach von Rasta Vechta. Auch dies kann einiges aussagen über den Stellenwert des 88:76 (37:39)-Erfolgs der Würzburger in Niedersachsen. Wie wichtig dieser Erfolg war, konnte man auch daran ablesen, wie entspannt Douglas Spradley, der zuletzt seine Mannschaft auch öffentlich heftigst kritisiert hatte, sich gab: „Kompliment an die Mannschaft. Es war eine erhebliche Steigerung zum Spiel gegen Gießen“, sagte Spradley, der von einem „sehr wichtigen Spiel für beide Mannschaften“ sprach.
Auch für Wagner war es ein "verdienter Sieg“ der Gäste, wobei er vor allem mit der Vorstellung der Seinen in der zweiten Halbzeit haderte und deren Verteidigung: „Eine absolute Katastrophe“, nannte er die Leistung nach der Pause.
Was unterm Strich bleibt vom Ausflug der Unterfranken ins Oldenburger Münsterland: der vierte Sieg in den jüngsten fünf Spielen, und die vier Niederlagen zum Saisonauftakt setzte es gegen Mannschaften, die inzwischen unter den Top Fünf logieren.
Stuckey für verletzten Mihailovic
Die Vechtaer, die ihren Verein als „geilsten Club der Welt“ bezeichnen, sollen sich bei der Vereinsgründung 1979 ihren ungewöhnlichen Vornamen Rasta gegeben haben, weil bei der Sitzung zur Namensfindung im Radio gerade ein Lied von Bob Marleys Album „Rastaman Vibration“ gelaufen sein soll. Das Album, das 1976 erschien, gilt als jenes, das den Erfinder des Reggae endgültig in den Status eines Weltstars erhob. Der Jamaikaner war ein großer Anhänger der Glaubensrichtung der Rastafari, die dem Christentum entsprungen ist und die Göttlichkeit des äthiopischen Kaisers Haile Selassies lehrt.
Der Rastafarianismus ist eine Heilserwartungsbewegung – und bei Heilserwartungen spielen, per Definition, sehr oft auch spannungsgeladene Beziehungen zu einer anderen Gruppe und der Wunsch nach Veränderung eine Rolle. Insofern kamen die niedersächsischen Rastafari am Freitagabend sehr schnell auf ihre Kosten: Die Beziehung zu der Gruppe aus Würzburg war von Anfang an spannungsgeladen, und bald schon wünschte sich die überwiegende Mehrheit der Menschen im Rasta Dome eine Veränderung, weil vom Sprungball weg, den Brendan Lane gegen seinen letztjährigen Mannschaftskollegen Devin Searcy gewann, die Gäste das Heft des Handelns in die Hand nahmen.
Spradley hatte seine Starting Five verändert: Anstelle des verletzten Vladimir Mihailovic durfte mal wieder Maurice Stuckey von Anfang an aufs Parkett. Der montenegrinische Nationalspieler laboriert an einer starken Wadenprellung. Seinen Einsatz hätte Spradley nur im äußersten Notfall gewagt, weil die Gefahr groß gewesen wäre, dass die Verletzung sich verschlimmert. Dieser Notfall trat am Freitagabend nicht ein. Denn die Würzburger schickten sich im ersten Viertel an, vieles besser zu machen als bei der schmerzlichen 81:86-Heimniederlage gegen Gießen.
Hinten aggressiv, vorne auch mit Ideen sowie bei den Rebounds zupackend. Vor allem auch, weil die Hälfte ihrer zehn Dreier-Versuche den Weg durch den Ring fanden, gingen die Würzburger mit einem 22:16-Vorsprung in die erste kleine Verschnaufpause. Die für ihre Verhältnisse außergewöhnlich gute Quote blieb ihnen erhalten: Letztlich waren 15 ihrer 30 Dreier-Versuche erfolgreich. "Vielleicht ist da ja endlich ein Knoten geplatzt", meinte Spradley hoffnungsfroh.
Was freilich dann im zweiten Viertel geschah, musste die Handvoll mitgereisten Baskets-Anhänger an die ersten Hälften gegen Frankfurt und in Hagen erinnern, als ihren Lieblingen gar nichts gelang. Vor allem, weil Devin Searcy gegen seinen letztjährigen Arbeitgeber seine offensichtlich besonders große Motivation auf dem Parkett auch in – aus Würzburger Zeiten kaum für möglich gehaltene – Leistung und Treffsicherheit umsetzen konnte, übernahmen die Hausherren das Kommando. Mit sechs Punkten in Serie, darunter zwei krachende Dunks, sorgte Searcy für so richtig Stimmung in der auch im 77. Spiel in Folge ausverkauften Hütte des Aufsteigers. Alleine in der ersten Hälfte gelangen Searcy 14 Zähler, erst in Abschnitt zwei bekamen die Baskets ihren ehemaligen Arbeitskollegen etwas besser in den Griff. Insgesamt kam Searcy als treffsicherster Vechtaer auf 21 Punkte.
Überragender Lamonte Ulmer
Erst ein Dreier vom über die gesamte Distanz betrachtet überragenden Würzburger Lamonte Ulmer (der insgesamt 22 Zähler erzielte, davon 14 in den ersten 20 Minuten) nach fast fünf Minuten des zweiten Viertels gebot einem Lauf der Gastgeber nach 14:0 Einhalt. Und weil die Würzburger anschließend ihre eigenständig verlängerte Viertelpause beendeten und wieder ihre Arbeit aufnahmen, vor allem auch in der bis dahin im zweiten Abschnitt gänzlich nicht vorhandenen Abwehr, verloren die Unterfranken ihn nur mit 15:23 und gingen mit lediglich zwei Punkten Rückstand in die Halbzeit (37:39).
Nach dieser geizten beide Mannschaften erst einmal kräftig mit Körben und rieben sich in uneffektiven Zweikämpfen ziemlich auf. Es waren dann knapp 25 Minuten gespielt, als Baskets-Kapitän Kresimir Loncar sein Team mit einem Freiwurf wieder in Führung warf, und weil er dann gleich noch einen Dreier nachlegte und James Southerland es ihm nachmachte, lagen die Würzburger plötzlich mit sieben Punkten vorne. Nach einem Dreier von dem zwar eifrigen, aber in manchen Szenen auch überfordert wirkenden Charles Barton wuchs die Führung sogar auf zehn Zähler an, und mit demselben Vorsprung durften die Gäste dann auch in den Schlussabschnitt gehen (52:62).
In diesem konnten die Hausherren den Rückstand zwar zwischenzeitlich ein wenig einschmelzen, aber vor allem weil Loncar, Ulmer, Southerland und Stuckey die Nerven behielten und auch immer wieder einmal aus der Distanz trafen, konnten die Rastafari im Rasta Dome zwar ordentlich lärmen, aber die Kugel in den Korb schreien konnten sie auch nicht, weshalb die Hausherren auch nicht mehr näher als auf vier Zähler herankamen. Brendan Lane, der das Duell gegen Searcy zwar klar verlor und insgesamt auch nur auf für ihn unterdurchschnittliche neun Punkte kam, machte dann knapp zwei Minuten vor Ultimo mit dem 81:71 den Deckel drauf auf diese zwar erneut nicht hochklassige, aber über weite Strecken doch aufgrund der Spannungsgeladenheit abwechslungsreiche und kurzweilige Begegnung, die zwischendurch auch von einigen Nickligkeiten geprägt war und unter manch exklusiver Entscheidung des Schiedsrichtertrios gelitten hatte.