
Marco Wildersinn entschuldigte sich. Nach der Pressekonferenz musste der Cheftrainer der Würzburger Kickers rasch wieder zurück in die Kabine und hatte keine Zeit mehr für einen kleinen Plausch über den 7:1 (2:0)-Kantersieg gegen den TSV Buchbach und die gerade errungene Tabellenführung. Das Team wolle ein Foto aufnehmen, auf dem er nicht fehlen könne, verriet er. Das Bild sollte Linus Eiselein aufmuntern. Der 17-Jährige Torhüter, gerade erst von einer langfristigen Handverletzung genesen, hatte sich in der vergangenen Woche einen Finger gebrochen. Ihm Mut zuzusprechen, das war Wildersinn wichtig.
Die Randgeschichte vom Samstag-Nachmittag sagt durchaus etwas aus, über den Geist der derzeit am Dallenberg herrscht und der den Rothosen geholfen hat, erstmals in dieser Saison an die Tabellenspitze der Regionalliga Bayern zu klettern. Die Worte, dass jeder und wirklich jeder einzelne Akteur wichtig für das Gesamtgefüge ist, sind nicht nur hohle Phrasen. Welch ein Kontrast zu den vergangenen beiden Abstiegs-Spielzeiten in der 2. Bundesliga und der 3. Liga, in denen die Egos einzelner Akteure immer viel größer zu sein schienen als der Mannschaftsgeist.

Fast scheint es dieser Tage als würden bei den Kickers alle selbst darüber staunen, was da passiert ist: Erst der 5:2-Derbysieg in Schweinfurt, dann Drittligist SpVgg Bayreuth aus dem Pokal gekegelt und zum Abschluss dieser perfekten Englischen Woche auch noch an die Tabellenspitze gestürmt. Es ist übrigens das erste Mal seit der Regionalliga-Meisterschaft 2015, dass die Rothosen in der Tabelle auf Platz eins stehen. In der 3. Liga gab es dieses Gefühl nie.
Von Genugtuung ist Wildersinn aber weit entfernt. Dabei hat er nach dem schwierigen Saisonstart mit nur einem Zähler aus den ersten zwei Spielen, doch jetzt bewiesen, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Der Kickers-Trainer vermeidet es, in der Öffentlichkeit hohe Ziele zu definieren. Objektiv gesehen haben die Kickers freilich inzwischen unter Beweis gestellt, dass sie am Ende wohl der härteste und womöglich einzige Kontrahent von Top-Favorit SpVgg Unterhaching im Titelrennen sein dürften.

Und das obwohl der Kader weiterhin recht dünn besetzt ist. In Sachen Neuzugänge, vertragslose Spieler könnte der Klub ja auch nach Ende der Transferperiode noch immer verpflichten, bleibt der Klub zurückhaltend - aus finanziellen Gründen und auch, weil das Mannschaftsgefüge zurzeit so gut passt. Warum auch nicht, schließlich scheint sich die Arbeit von Athletiktrainer Dominic Palmer dadurch auszuzahlen, dass die Zahl der Verletzten bislang überschaubar blieb. Und selbst so schlummert weiterhin noch Potenzial im Kader. Dass am Samstag die Einwechselspieler Franz Helmer, Dardan Karimani und Taha Aksu mit ihren Treffern gegen einen durch ständiges Attackieren müde gespielten Gegner das Resultat in der Schlussphase in die Höhe schraubten, dient da als ein Beweis. Es sei wichtig gewesen, früh zu wechseln, sagte Wildersinn, auch um die Belastung im Team gleichmäßig zu verteilen.
So stand am Ende ein Resultat, das die Konkurrenz aufhorchen lassen wird. Die Deutlichkeit mit der die Kickers ihre Pflichtaufgabe erledigten, ist bemerkenswert. Auch wenn die Buchbacher den Rothosen mit Fehlern das Toreschießen erleichterten. Die Kickers erarbeiteten sich die Führung und zeigten danach jene Spielfreude, die am Dallenberg inzwischen die Fantasie befeuert, was in in dieser Saison noch möglich ist. "Es hat Spaß gemacht", sagte Benyas Junge-Abiol, am Samstag Schütze des vierten Kickers-Treffers. Diesen Satz hat man in den vergangenen beiden Spielzeiten am Dallenberg nie gehört.