Eines verbindet die Würzburger Kickers und das Bundesliga-Gründungsmitglied aus Westfalen: Das Preußen-Stadion an der Hammer Straße in Münster wirkt im heutigen Fußball ebenso aus der Zeit gefallen wie die Heimspielstätte der Rothosen am Würzburger Dallenberg. Auch in Münster ist die Debatte um einen möglichen Stadionbau und einen Standort für eine Arena ein steter Begleiter des Geschehens auf dem grünen Rasen. Als am Freitagabend in der traditionsreichen Münsteraner Spielstätte aber erst einmal das Flutlicht brannte für diese Fußball-Drittliga-Partie, lag dann doch eine prickelnde Atmosphäre über dem vom Regen der vergangenen Tage aufgeweichten Rasen. Eine "Wasserschlacht" wie sie in die Lokalausgabe der "Bild"-Zeitung angekündigt worden war, gab es nicht. Von oben kam kein Nass. Und auf dem Grün, da war dann bei beiden Teams irgendwie die Angst zu spüren, vom Gegner nass gemacht zu werden. Weshalb die über weite Strecken trostlose Partie auch torlos endete.
"Uns hat heute der letzte Punch nach vorne gefehlt", stellte Kickers-Trainer Michael Schiele fest, freute sich aber auch darüber, dass das Team in der Winterpause offenbar deutliche Fortschritte gemacht hat, wenn es darum geht, den eigenen Kasten zu verteidigen. Der Beweis: nur ein Gegentreffer in den letzten drei Partien. Vor der in Winterpause waren die Rothosen nur einmal ohne Gegentor geblieben. Und Schiele dachte auch an die letzten beiden Gastspiele in Münster: "Da haben wir hier zweimal 0:1 verloren. Von daher, war das heute schon in Fortschritt."
Bei den Gastgebern war das ja nach nur einem Sieg aus den letzten zehn Heimspielen verständlich. In Münster geht die nackte Angst um. Sieben Punkte trennten die Preußen vor dem Spieltag vom rettenden Ufer. Viele Pleiten darf sich das Team von Neu-Trainer Sascha Hildmann, der in der Vergangenheit weder mit Großaspach noch mit Kaiserslautern ein Spiel gegen die Kickers gewinnen konnte, nicht mehr erlauben, wenn das zarte Pflänzchen Hoffnung, das Frühjahr noch erleben soll.
Warum aber die zuletzt so erfolgreichen Kickers in der Startphase der Partie derart fahrig und uninspiriert auftraten, das war dann schon eigenartig. Schließlich gab's für die Schiele-Elf doch ganz viel zu gewinnen. Die Kickers hätten - im Falle eins Sieges - für eine Nacht sogar auf Platz fünf springen. Eine Tabellenregion, von der am Dallenberg noch vor wenigen Wochen niemand zu träumen wagte.
Alleine am unebenen Spielfeld kann es jedenfalls nicht gelegen haben, dass die erste Spielhälfte so dermaßen zäh verlief, für die Zuschauer quälend langweilig und unansehnlich war. Münster igelte sich im heimischen Stadion am eigenen Strafraum ein, und die Kickers wussten mit der erzwungenen Überlegenheit nichts anzufangen.
Bezeichnend für die ersten 45 Minuten war die beste Chance der Hausherren, als der aufgerückte Abwehr-Mann Alexander Rossipal bei einem Konter in guter Schussposition in Slapstick-Manier am Ball vorbei trat. Auf der anderen Seite scheiterte Simon Rhein nach einem der wenigen flüssigen Ballstaffagen mit einem 16-Meter-Schuss an Preußen-Keeper Maximilian Schulze Niehues. Mehr Aufregung war nicht in Halbzeit eins.
Bei den Rothosen feierte Winter-Neuzugang Jonas David sein Startelf-Debüt. Der U-20-Nationalspieler, bis Saisonende vom Hamburger SV ausgeliehen, ersetzte Daniel Hägele. Der Vize-Kapitän hatte die Reise nach Westfalen nicht mit angetreten. "Vorsichtsmaßnahme" lautete die offizielle Begründung für den Ausfall. Außerdem schickte Kickers-Coach Schiele Luca Pfeiffer anstelle von Youngster Maximilian Breunig an der Seite von Dominic Baumann in die Sturmspitze. Allzu auffällig agierte Pfeiffer, mit sieben Saisontreffern hinter Mittelfeldmann Fabio Kaufmann (acht) bester Kickers-Goalgetter, nicht. Als er nach 70 Minuten für Saliou Sané ausgewechselt wurde, hatte er kein einziges Mal aufs Tor geschossen.
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Es dauerte tatsächlich bis zur 60. Minute, ehe die müde Partie im gleißenden Flutlichtschein ein bisschen Fahrt aufnahm. Bei einem Kopfball von Münsters aus Kaiserslautern verpflichteten Winter-Neuzugang Jan Löhmannsröben kratzte der zurückgeeilte Kickers-Angreifer Luca Pfeiffer den Ball noch von der Linie. Kurz darauf zog Kickers-Flügelflitzer Kaufmann aus zentraler Position ab, Preußen-Keeper Schulze Niehues parierte mit den Fingerspitzen.
Und Ex-Kickers-Stürmer Marco Königs? Der führte sich nach seiner Einwechslung gleich mit einem resoluten Einsatz gegen Kickers-Debütant David ein, konnte das Spiel der völlig ideenlos auftretenden Gastgeber aber auch nicht mehr beflügeln. Die Kickers indes versuchten in der Schlussphase zwar, das Heft des Handelns an sich zu reißen. In den entscheidenden Momenten aber fehlte den Rothosen neben der rechten Präzision auch das Durchsetzungsvermögen, um die schwachen Gastgeber auszuspielen.
Und so spielte sich die bemerkenswerteste Szene des Abends in der 85. Minute abseits des Rasens ab. Leroy Kwadwo wurde von den Rängen der Haupttribüne aus rassistisch beleidigt. "Ich wollte gerade den Ball vor einem Einwurf holen, plötzlich habe ich Affenlaute gehört. Ich dachte erst: Das kann gar nicht sein. Dann habe ich die Person aber auch gesehen." Mannschaft, Offizielle und die meisten Fans der Gastgeber reagierten prompt. Die umstehenden Zuschauer identifizierten den Täter, der von der Polizei abgeführt wurde. Die unmissverständliche Durchsage des Stadionsprechers wurde von lautem Applaus auch von den Trainerbänken begleitet, von den Rängen schallte es "Nazis raus!" "Ich muss mich da bei den Münsteraner Fans bedanken. Sie haben absolut richtig reagiert. Das war schön. Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas einmal passiert. Das wird mich sicher noch ein paar Tage beschäftigen, weil so etwas einfach neu für mich ist," sagte Kwadwo