„Ich habe so viel gelernt“, blickt Thea Finke auf die letzten Wochen zurück. Die braunen Augen strahlen, während sie das sagt, denn hinter der 14-Jährigen liegt eine ungewöhnliche Reise. Vier Monate lang war die Deutsch-Taiwanesin mit Vater Jens und Muter Yvonne Chen im Wohnmobil auf Turnierreise in Europa unterwegs. Der Weg führte die Familie, die in Taipeh lebt, von Dänemark über Belgien, Holland, Deutschland und die Schweiz zum krönenden Abschluss zur 34. Auflage des Tennisjugend- und Nachwuchsturniers um den „s. Oliver-Cup“ auf die Anlage von Weiß-Blau Würzburg. Dort gewann der Teenager jüngst die U-21-Konkurrenz ohne große Mühe.
Aber nicht nur der Sieg zählt, sondern auch die Tatsache, das erste Preisgeld von 250 Euro der angestrebten Profikarriere gewonnen zu haben. „90 Prozent bekommen meine Eltern, zehn Prozent sind für mich“, teilt Thea den Betrag auf. Ihren Anteil hat sie dabei gedanklich schon für ihre liebste Leckerei Bubble-Tea, ein asiatisches Trendgetränk, ausgegeben.
Wenn es nach der Deutsch-Taiwanesin geht, sollen dieser Siegprämie noch viele in ganz anderer Höhe folgen. Sie träumt davon, mal zu den Besten der Welt zu gehören. Aber um es tatsächlich bis dorthin zu schaffen, reicht Talent allein nicht aus. Deshalb ist die Herangehensweise der Familie an dieses Projekt so weit wie möglich professionalisiert.
Der Wettbewerb in der Domstadt war einer von insgesamt 25 pro Jahr, bei denen Thea Finke auf Jagd nach Lorbeeren geht. Jedes Mal ein hartes Stück Arbeit. Besonders die ITF-Turniere, bei denen sie sich in internationalen Feldern in der U 18 immer durch die Qualifikation gegen wesentlich ältere Spielerinnen kämpfen musste. Zwei Mal schaffte sie es bis ins Hauptfeld. In Köln gewann sie dann ein U 18 Turnier. „Am Anfang zahlt man viel Lehrgeld“, weiß der Fan von Serena Williams und verdrückt dennoch bei Niederlagen hin und wieder ein Tränchen. Aber im nächsten Augenblick lacht sie schon wieder und zeigt ihre unverschämt weißen Zähne.
Planung ist alles, weiß die Familie. Und auch hier legt sie Professionalität an den Tag. Nicht nur, dass die Finkes nie auf den letzten Drücker zu einem Turnier anreisen, sondern sich mindestens einen Tag vorher auf die Anlage und Umgebung einstellen, sondern auch während des Wettbewerbs sind die Eltern immer an der Seite ihrer Tochter. Sie verfolgen jedes Match, die Mutter dokumentiert die Ballwechsel schriftlich, um im Nachhinein gemeinsam die Fehler zu analysieren. Manchmal erstellt der studierte Außenhandelskaufmann sogar eine Kurve über gewonnene und verlorene Punkte, um den Spielverlauf auf einen Blick vor Augen zu haben.
Auf die Frage nach der Finanzierung gibt Vater Jens eine schnelle Antwort: „Wir sind selbstständig und können uns zu Hause ausklinken.“ Mit der Herstellung von italienischem Speiseeis hat er sich selbstständig gemacht und betreibt eine Eisdiele in Taipeh, die den Unterhalt sichert. Entgegenkommt der Familie, dass in Taiwan seit 1999 Heimunterricht erlaubt ist. Für Thea Finke die ideale Art der Schulbildung. Denn das komplette Leben der groß gewachsenen jungen Frau ist auf Tennis fixiert.
„Das Abitur kann sie auch mit 25 noch machen. Im Tennis sind jetzt die goldenen Jahre“, lautet die Meinung des Familienoberhauptes, das sportlich für die Fitness und schulisch für die Fächer Deutsch, Geschichte und Geografie zuständig ist. Ergänzend kommt der Englischunterricht und das Training mit dem Ball von Mutter Yvonne Chen hinzu.
Demnächst wieder zurück in der Heimat absolviert Thea an der Sportuniversität ihre regelmäßigen Trainingseinheiten. Da kommen drei Stunden pro Tag auf dem Platz und eine Stunde Fitness zusammen. Dafür, dass sie eigentlich erst mit zehn Jahren das Tennisspielen intensivierte, hat sie schnell große Fortschritte gemacht. Der Aufschlag ist hart, die Volleys sind sicher und sie geht gerne ans Netz. Dadurch ist die Spielweise jetzt schon kompletter als die anderer Spielerinnen ihres Alters. Nur die Beinarbeit lässt manchmal noch zu wünschen übrig. Da kann sie fehlende Schnelligkeit allerdings durch Reichweite wettmachen, wobei das Gardemaß von 1,77 Metern hilft.
Auf jeden Fall hat die Premiere der Turnierreise durch Europa allen so gut gefallen, dass diese auch wieder für das kommende Jahr angedacht ist. Ob da allerdings der krönende Abschluss wieder auf Würzburg fällt, hängt ganz von der sportlichen Entwicklung von Thea Finke ab. Ihr wäre es nämlich am liebsten, wenn dann schon Turniere ganz anderer Kategorien auf dem Programm stünden.