An seinem 18. Geburtstag holte ihn die Vergangenheit ein. Eine Freundin schenkte ihm eine Seite aus ihrem Freundebuch, das er in der Grundschule ausgefüllt hatte. „Als Berufswunsch hatte ich damals schon Sportler geschrieben“, sagt Michael Schulz und lächelt. Vier Jahre später sitzt der 22-Jährige in einem Café in Würzburg, hat seine zwei Meter auf einem Hocker zusammengefaltet und erzählt, wie er wurde, was er heute tatsächlich ist: Sportler. Genauer gesagt: Handballer. Noch genauer: Kreisläufer beim Zweitligisten DJK Rimpar Wölfe. Im Sommer kam Schulz vom Absteiger Saarlouis. In beiden Klubs nennen ihn alle nur „Schulle“.
Fünf Jahre Abstiegskampf
Als Schüler hatte er einige Sportarten ausprobiert. Tennis. Fußball. Speerwurf. Darin wähnte eine Lehrerin sein Potenzial. „Aber ich war nicht mit Leidenschaft dabei.“ Sein Herz gehörte dem Handball. Dem Sport, in dem schon seine Eltern erfolgreich gewesen waren: Beide standen früher beim elffachen DDR-Meister und dreimaligen Europapokalsieger SC Magdeburg unter Vertrag, bevor der Handball den Vater nach Luxemburg – wo der Junior in Niederkorn geboren wurde – und dann ins Saarland verschlug. Dort im Dreiländereck begann Michael bei den Minis.
Als B-Jugendlicher wechselte er zur HG Saarlouis, später auch auf die Sportschule Saarbrücken, wo er Abitur machte. In der A-Jugend-Bundesliga spielte Schulz noch im linken Rückraum. Sein damaliger Trainer Goran Suton, 2016 verstorben, zog ihn in die erste Mannschaft hoch und machte einen Kreisläufer aus ihm. „Offiziell wegen meiner Größe und meines Körperbaus – inoffiziell, weil ich zu langsam für den Rückraum war“, sagt Schulz und grinst.
Fünf Jahre Zweite Liga in Saarlouis hieß fünf Jahre „brutaler Abstiegskampf“. „Für einen jungen Spieler ist es nicht so einfach, ständig zu verlieren. Aber man lernt damit umzugehen und was wichtig ist: auf die Kleinigkeiten zu achten und an ihnen zu arbeiten. Das hat Goran Suton schon immer gesagt.“ Auch Matthias Obinger sei sehr akribisch in Details.
Der Trainer der Wölfe, der seinen neuen Schützling ab 1. Oktober auch in seiner Funktion als Studiengangleiter an der Deutschen Berufakademie Sport und Gesundheit in Baunatal als Sportwissenschaftsstudent unter seine Fittiche nimmt, sagt über die Nummer 33: „Schulle ist ein sehr introvertierter, angenehmer und fleißiger Typ. Er ist im Training der Erste und Letzte in der Halle und will sich stetig weiterentwickeln. Ein Spieler mit Riesenpotenzial für die Zukunft.“
Durch den vorübergehenden verletzungsbedingten Ausfall von Abwehrmann Philipp Meyer kommt Schulz nun mehr Verantwortung zu. Zusammen mit seinem gleichaltrigen Positionskollegen Patrick Gempp ist er eine Option für den Innenblock.
Zwei Rote Karten in drei Spielen
Allerdings wurde Schulz in zwei seiner bisher drei Spiele für Rimpar vorzeitig des Feldes verwiesen, zuletzt in Hagen wegen seiner dritten Zeitstrafe. „Die Rote Karte davor gegen Lübeck war aber eine Fehlentscheidung“, stellt er klar. „In einer Zeitung stand, das Foul sei ein Beispiel für meine Unerfahrenheit im Mittelblock gewesen. Das hat sich natürlich als Interpretation angeboten“, scherzt er – „aber ich war's nicht.“
Zeitungsartikel über die Wölfe bekommt Schulz regelmäßig von seiner Vermieterin ausgeschnitten und in den Briefkasten seiner Wohnung in Rimpar geworfen („Ich bin kein Stadtmensch“). Vermutlich würde er gerne mal in einem über sich lesen, dass er Würzburgs bekanntesten Sportler persönlich kennengelernt hat. „Ich bin riesiger Dirk-Nowitzki-Fan“, verrät er. „Wie er als Einzelner einer ganzen Sportart den Stempel aufgedrückt hat, das beeindruckt mich sehr.“ Als Nowitzki noch Handball spielte, bevor er Deutschlands bester Basketballer wurde, ging Michael Schulz noch nicht mal zur Grundschule und hatte keine Ahnung davon, dass auch er mal Sportler werden würde. Heute weiß er: Er will auch in Zukunft erst mal nichts anderes sein.