Es ist gewiss nicht übertrieben zu behaupten, dass es ohne Michael Schlagbauer heute keinen Profifußball beim FC Würzburger Kickers geben würde. Der 50-jährige Zahnarzt mit eigener Praxis im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld führte die Geschicke beim heutigen Drittligisten insgesamt 16 Jahre lang. Als Präsident und Vorstandsvorsitzender leitete er zu Beginn der Profi-Ära am Dallenberg auch die AG, in die der Spielbetrieb der ersten Mannschaft ausgegliedert ist. Seit 2017 führt Daniel Sauer als Schlagbauers Nachfolger den Verein und bereits seit 2016 die AG. An Pflichtspiele gegen den 1. FC Kaiserslautern oder Eintracht Braunschweig war 2001, als Schlagbauer erstmals gewählt wurde, nicht zu denken. Damals ging es darum, den klammen Klub vorm endgültigen Aus zu retten. Ein Gespräch mit dem Ehrenpräsidenten der Rothosen über bewegte Jahre an der Klubspitze und die Zukunft der Kickers.
Frage: Als Sie im Juli 2001 bei den Kickers als Präsident anfingen, stand der Klub kurz vor der Pleite, galt als hoffnungsloser Fall. Was hat Sie damals geritten?
Michael Schlagbauer: Da hat sicher eine gewisse jugendliche Unbekümmertheit eine Rolle gespielt (lacht). Aber ich verbinde mit meiner Jugendzeit bei den Kickers einfach unheimlich viele tolle Erlebnisse. Ich wurde gefragt, ob ich Verantwortung übernehme, und habe nicht nein gesagt. Es wäre einfach nicht fair gewesen, den Verein in einer solchen Notlage hängen zu lassen. Das kam für mich gar nicht infrage. Und ich hatte das Glück, immer engagierte Mitstreiter zu finden.
Vermissen Sie nach Ihrem Ausscheiden aus Ihren Ämtern etwas?
Schlagbauer: Nein. Zudem bin ich ja nicht aus der Welt und noch häufig am Dallenberg – und wenn es nur zum Schafkopf spielen am Kickersstammtisch ist. Vor allem die Doppelbelastung als Vorstand der AG und Präsident des Hauptvereins war mit dem Aufstieg in die Dritte Liga nicht mehr auf Dauer darstellbar, da bin ich wirklich an meine Grenzen gestoßen. Der Einstieg von Daniel Sauer zunächst als hauptamtlicher Vorstand in der AG war ein ganz wichtiger Schritt. Ich habe großen Respekt vor Daniel Sauer. Auch als Präsident des Vereins kniet er sich riesig rein. Wie übrigens auch alle anderen Vorstände, Mitarbeiter und Ehrenamtliche.
Sie hatten sich vor vier Jahren das Ziel Dritte Liga gesetzt. Ist diese Spielklasse, speziell in der Zusammensetzung der kommenden Saison, für die Kickers nicht eigentlich ideal?
Schlagbauer: Gerade in der aktuell so attraktiven Dritten Liga ist Würzburg richtig gut aufgestellt. Aber man muss natürlich sagen: Diese Saison in der zweiten Liga war schon sensationell. Und deshalb wäre es schon schön, wenn es Möglichkeiten gäbe, dort mittelfristig mal wieder anzuklopfen.
Wie war es denn für Sie ganz persönlich, die Kickers in Nürnberg, Hannover oder Stuttgart spielen zu sehen. Mussten Sie sich selbst da nicht manchmal kneifen?
Schlagbauer: Das war natürlich ein Stück weit surreal. Ich kann mich ja noch gut daran erinnern, wie es in Waldbrunn oder Erlach auf dem Sportplatz war – und dann spielen wir vor bis zu 60 000 Zuschauern in WM-Stadien. Einfach unglaublich! Nach dem Zweitliga-Aufstieg wurde ich oft von alten Weggefährten gefragt: Wo soll das alles noch hinführen? Da habe ich immer geantwortet: Genießt einfach jedes Spiel, das ihr mitnehmen könnt. Persönlich war es für mich natürlich interessant, mich in dem Umfeld des Profifußballs zu bewegen. Am Ende aber freut es mich besonders, dass der Verein und die aktuelle Führung nach wie vor großen Wert auf die Jugendarbeit und den Breitensport legen. Wir fördern nachhaltig Talente, wie unter anderem die Verpflichtung von Rainer Zietsch für das Nachwuchsleistungszentrum deutlich macht. Gleichzeitig werden wir mit dem Ausbau des Breitensports unserer großen gesellschaftlichen Verantwortung gerecht. Während im allgemeinen die Zahlen von Spielern und Mannschaften eher rückläufig sind, wächst unser Klub deutlich.
Dabei hatten die Kickers doch lange Zeit nicht gerade ein volkstümliches Image. Die Rothosen galten – Verzeihung! – schlichtweg als arrogant.
Schlagbauer: Umso schöner, wenn dieses – wahrscheinlich nur – Kommunikationsproblem jetzt endlich behoben ist (lacht). Es ist überhaupt erstaunlich, wie viele Fanklubs es auch im Umfeld gibt und wie viele Menschen in der ganzen Region sich für die Kickers begeistern und interessieren. Es freut einen schon, dass wir uns im großen Potenzial des FWK nicht getäuscht haben.
Ich erinnere mich noch gut an ein Gespräch, das wir 2001 kurz nach Ihrer Wahl auf der Terrasse des Vereinsheims führten. Sie sagten dabei, Sie hätten die Hand am Lichtschalter. Wie ernst war die Lage damals wirklich?
Schlagbauer: Sehr. Es war tatsächlich so, dass wir damals schlichtweg kein Geld mehr für schon lange ausstehende Zahlungen und Vergleiche mit Gläubigern hatten. Wir hätten eigentlich am nächsten Tag zum Insolvenzverwalter gehen müssen. Es stand Spitz auf Knopf. Es gab damals noch ein anderes Verbandsstatut. Da wäre die Sache nicht mit neun Punkten Abzug erledigt gewesen. Aber einen Absturz aus der Landesliga in die damalige C-Klasse hätte der Verein nicht ausgehalten. Das wäre das Ende gewesen. Und dann war es das Engagement von einer Handvoll Leuten, die mit ihrem privatem Geld in Vorleistung gingen, was für alle nicht einfach war. Es ging zum Glück gut, und mit Zusammenhalt haben wir diese Phase überstanden.
Der Verein stürzte trotzdem anschließend bis in die Bezirksliga ab. Wäre es damals auch eine Alternative gewesen ganz auf Breitensport zu setzen und eben in unteren Spielklassen weiterzumachen?
Schlagbauer: Nein! Denn alleine das Stadion macht es für die Kickers unmöglich, zu einem Kreisligaverein zu werden. Die Kosten des Stadions waren schon immer ein großes Problem. Und ich sehe es auch so: Die Würzburger Kickers haben mit ihrer Geschichte und Tradition den Auftrag, die Nummer eins in Unterfranken zu sein. Das habe ich auch zu Bezirksliga-Zeiten so gesehen.
War das die schwierigste Phase in Ihrer Amtszeit?
Schlagbauer: Da gab es einige schwierige Situationen. Was zum Beispiel gar nicht so wahrgenommen wurde, war, dass der Beginn des Engagements von Thorsten Fischer in der damaligen Situation im Frühjahr 2009 ein Rettungsanker für uns war. Wir standen damals in der Bayernliga-Winterpause nur noch mit 13 Spielern da und hatten keine finanziellen Möglichkeiten. Alles, was wir in den Jahren zuvor mühevoll aufgebaut hatten, drohte einzustürzen. Damals hat ganz gewiss nicht alles geklappt. Wir sind ja am Ende trotz des Engagements wieder in die Landesliga abgestiegen. Aber wir haben viel gelernt. Und wussten, dass wir uns auf Thorsten Fischer verlassen konnten. Er ist trotz Abstiegs an Bord geblieben und hat die Würzburger Kickers zu seinem Herzblut-Projekt gemacht. Wir hatten schon zuvor, zum Beispiel als WM-Gastgeber für Ghana 2006 gezeigt, zu was die Kickers in der Lage sind. Aber entscheidend für die spätere Erfolgsgeschichte war natürlich das Engagement eines verlässlichen Partners.
War Ihnen sofort klar, dass mit dem Einstieg von Thorsten Fischer der Verein nicht mehr der gleiche sein wird?
Schlagbauer: Das erste Gespräch mit Thorsten Fischer ging bis nachts um halb drei. Es war – wie er immer gerne sagt – seine wohl teuerste Flasche Wein (lacht). Danach war mir gleich klar, was das bedeutet. Als die Entscheidung anstand, habe ich meine Vorstandskollegen beiseite genommen und ihnen gesagt: „Euch ist schon klar, dass ab heute nichts mehr so sein wird, wie es einmal war.“ Ich sah das schon damals und sehe es heute erst recht positiv. Wenn man vorankommen will, sind Veränderungen nötig. Wenn man Erfolg haben und im Profigeschäft unterwegs sein will, dann muss man auch einige Entscheidungen treffen, die am Anfang nicht von allen verstanden werden. Auch ich habe das zum Teil lernen müssen. Mit Basisdemokratie wären wir nicht soweit gekommen, wie wir jetzt sind. Denn dann hätten die Bedenkenträger immer die Oberhand behalten. Im Profibereich sind heutzutage eben Investoren nötig, um Erfolg zu haben, und dann muss man auch Verständnis haben, dass Investoren auch Einfluss haben wollen. Mir ist um die Zukunft der Kickers nicht bange.
Bis sich der Erfolg einstellte, dauerte es aber noch eine ganze Weile.
Schlagbauer: Wir waren seinerzeit vom echten Profifußball noch meilenweit entfernt. Unser Ziel war es anfangs nur, die Nummer eins in Unterfranken zu werden. Da war die Konkurrenz ja auch nicht so weit weg. Als wir dann tatsächlich mit vergleichsweise minimalem Aufwand den Doppelaufstieg in die Regionalliga geschafft hatten, mussten wir uns plötzlich mit Gegnern messen, die professionell arbeiteten. Da wurde uns schnell klar, dass wir über kurz oder lang auch auf Profitum umstellen müssen, um den nächsten Schritt machen zu können. Und da ist Thorsten Fischer vorangegangen. Wir wollten beweisen, was in der Region steckt. Wir haben uns etwas zugetraut. Wenn wir gescheitert wären, hätten viele uns mit Häme überschüttet. Aber dieses Risiko wollten wir eingehen. Das 3x3-Projekt war schon eine super Sache, nicht zuletzt deswegen findet es aktuell auch Nachahmer. Und ich glaube, allzu viel haben wir dabei nicht falsch gemacht. Der Profifußball ist jedenfalls ein großer Gewinn für die ganze Region.
Haben Sie schon gewusst, welche Schwierigkeiten gerade die Stadionfrage dem Klub bereiten würde?
Schlagbauer: Zumindest nicht in diesem Umfang. Hätten wir uns gleich zu Beginn im letzten Detail damit auseinandergesetzt, wie schwierig es ist, unser Stadion fit zu bekommen, hätten wir es vielleicht tatsächlich gelassen. So gesehen war es gut, dass wir optimistisch in diese Sache reingegangen sind. Im sportlichen Bereich hatten wir mit Bernd Hollerbach ja einen Mann gefunden, der die entsprechenden Strukturen geschaffen hat. Auch organisatorisch waren wir gut aufgestellt. Aber in Sachen Stadion dachten wir schon, dass die Dinge etwas leichter zu regeln sind – ob es nun verwaltungstechnische Fragen, die bauliche Umsetzung und auch die Vorgaben des DFB sind. Dass eine Spielberechtigung an 20 Zentimetern Fluchtwegbreite scheitern kann und nicht alle Beteiligten mit dem gleichen Enthusiasmus an die Sache herangehen, wollte uns damals nicht in den Kopf. Wenn aber jetzt Leute kommen, die behaupten, wir hätten das unterschätzt, muss man die schon einmal fragen, was sie gesagt hätten, wenn wir 2012 als Landesligist an die Öffentlichkeit gegangen wären und gesagt hätten: Lasst uns einmal ein Grundstück für ein zweitligataugliches Stadion suchen. Man hätte uns doch in Therapie geschickt. Deswegen finde ich solche Vorwürfe einfach unfair.
Die Stadiondebatte wird den Verein ja noch länger beschäftigen?
Schlagbauer: Das stimmt. Mich würde erst einmal sehr freuen, wenn das Verwaltungsgericht demnächst ein positives Urteil im Sinne der Allgemeinheit und des Fußballs fällen würde. Ein Urteil, das dann vielleicht sogar den Erhalt des gegenwärtigen Standorts möglich machen könnte. Denn es kann doch einfach nicht sein, dass fünf Kläger einer Entwicklung im Wege stehen. Da geht es auch ganz grundsätzlich darum, ob Eigeninteressen höher bewertet werden als die Interessen der Allgemeinheit. Kindergärten dürfen keinen Lärm mehr machen, auf Fußballplätzen darf kein Fußball mehr gespielt werden, jahrhundertealte Festtraditionen sterben, weil Einzelne klagen. Da geht es auch um grundlegende Werte und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Ich glaube keiner der sich irgendwo ehrenamtlich oder anderweitig engagiert, hat dafür Verständnis. Wenn ich sehe, welche Einschränkungen andere Bürger der Stadt, zum Beispiel während Kiliani ohne zu Murren auf sich nehmen, ist da keinerlei Verhältnismäßigkeit mehr gewahrt.
nicht nur für den Sport!! Chapeu einem tollen Menschen!
Ohne den dr. Michael Schlagbauer, wäre heute keine dritte Liga "Kickers" entstanden! Das darf er sich auf die Fahne schreiben!