Sommerzeit ist seit jeher auch Zeit für den Heimaturlaub für deutsche Basketballer, die in der nordamerikanischen Profiliga NBA ihr Geld verdienen. Das gilt natürlich auch für den gebürtigen Würzburger Maximilian Kleber, der seine erste Saison in der stärksten Liga der Welt bei den Dallas Mavericks hinter sich gebracht hat. Beim lockeren Plausch zieht der 26-Jährige Bilanz – und blickt voraus.
Frage: Ein Jahr NBA. War es so, wie Sie es sich erträumt haben, oder ist es auch in der stärksten Liga der Welt am Ende doch nur Basketball wie woanders auch?
Maximilian Kleber: Es ist schon so, wie ich es mir erträumt habe. Ich habe damals ja „Like Mike“ geguckt, kennt Ihr den Film? Da wird das Leben der NBA-Profis ja als purer Luxus dargestellt, wie du reist, wie du lebst, alles, was drum herum abgeht. Das Einzige, was nicht stimmt im Film: Der Roomservice ist nicht umsonst, den muss man selber zahlen (er grinst). Aber ansonsten: ein geiles Erlebnis. Es ist ein Jahr, das mir keiner mehr nehmen kann. Du kommst an in der Halle, kriegst Frühstück dort, dann trainierst du ein paar Stunden, dann kannst du das Mittagessen mit nach Hause nehmen. Den Rest des Tages hast du frei. Bist am Nachmittag daheim und kannst den Tag noch nutzen. Das gefällt mir ganz gut, dass wir vormittags trainieren . . .
Ihr trainiert nur einmal am Tag?
Kleber: Ja. Du kannst noch ein zweites Mal in die Halle gehen, vor allem die Jungen gehen dann oft noch werfen. Aber offizielles Training ist einmal am Tag. Da gibt's Vorschriften: Du darfst nur einmal am Tag mit Tape trainieren, fünf gegen fünf. Selbst in der Vorbereitung ist das zweite Training eigentlich individual oder fünf gegen null. Es ist eine Liga für die Spieler (er schmunzelt).
Haben sich auch Ihre sportlichen Ziele erfüllt?
Kleber: Ein paar Sachen sind schon anders als in Europa, auch wenn es im Endeffekt ja Basketball bleibt. Aber das Feld ist ein bisschen breiter, du hast andere Regeln, was die Verteidigung angeht, die Dreierlinie ist weiter vom Korb entfernt, und die Spieler sind im Schnitt natürlich ein bisschen besser. Am Anfang war es auch schwierig, überhaupt Spielzeit zu bekommen, weil du als Europäer erst mal nicht so viel Vertrauen bekommst. Das hat gedauert. Und es war zwar ein bisschen blöde für uns als Team, wir haben schlecht angefangen, aber für mich war das gut. Dadurch habe ich meine Chance bekommen, die ich nutzen konnte. Dann durfte ich immer mehr spielen. Also sportlich gesehen war es für mich ein erfolgreiches Jahr. Ich bin natürlich nicht mit allem zufrieden, da muss ich nun weiter daran arbeiten.
Sie hatten mit durchschnittlich knapp 17 Minuten auf dem Parkett eine für einen Rookie erstaunliche Einsatzzeit, und es stand doch auch nie wirklich zur Debatte, dass die Mavericks ihre Option verstreichen lassen, Sie zu halten, oder?
Kleber: Vor allem unter dem Trainer. Bei ihm müssen sich Rookies ihre Chancen hart erarbeiten. Er kann gut Wissen vermitteln, aber das heißt noch lange nicht, dass du gleich spielen darfst, nur, weil du verstanden hast, was er von dir verlangt. Ich glaube, ich habe 35 Spiele gestartet, das ist schon ein Riesenerfolg für mich. Stimmt schon, es stand nicht wirklich infrage, ob ich bleibe. Sie wollten mich unbedingt behalten. Haben sie jedenfalls gesagt. Aber man weiß ja nie, das ist ein knallhartes Geschäft, da kann es ganz schnell gehen. Die sagen dir: Hey, wir wollen dich unbedingt, und am nächsten Tag bist du in einem Trade-Paket mit einem anderen Spieler. Aber grundsätzlich macht es für den Verein schon Sinn, mich zu halten, das Preis-Leistungsverhältnis stimmt für sie sehr gut . . .
Für Sie stimmt es ja wohl auch . . .
Kleber: Für mich stimmt es auch (er lächelt).
Inwieweit hat Ihnen Dirk Nowitzki bei der Eingewöhnung geholfen?
Kleber: Na ja, ich habe halt nicht den Vergleich, wie es ohne ihn gewesen wäre (er lacht). Ich sag' mal so: Es ist schon sehr cool, wenn du jemanden aus der gleichen Stadt hast, der deine Sprache spricht, wobei Englisch jetzt natürlich auch kein Problem ist. Aber wenn du jemanden hast, den du kennst und mit dem du was verbindest, dann ist das natürlich was ganz anderes. Mit Dirk hatte ich mich ja bereits vor dem Beginn der Vorbereitung im letzten Jahr getroffen. Da haben wir lose gequatscht, über die NBA im Allgemeinen, was mich als Rookie erwartet, wir haben uns übers Leben in den USA unterhalten. Auch darüber, dass es Ups and Downs gibt. Dass der Trainer dich mal spielen lässt, dann auf einmal gar nicht, dann startest du plötzlich. Damit musst du mental klarkommen. Wenn du ein sehr gutes Spiel hattest, darfst du nicht abheben, und bei einem schlechten dich nicht unterkriegen lassen.
Wie schwierig ist es, damit umzugehen?
Kleber: Am Anfang war es ein bisschen leichter, weil ich ohne große Erwartungen rüber bin. Als ich dann das erste Mal spielen durfte und dann plötzlich wieder gar nicht mehr, war es schon schwierig. Da fragst du dich natürlich: Was ist jetzt los? Was habe ich falsch gemacht? Da machst du dir Gedanken. Aber das musst du lernen auszublenden.
Wie anders ist das Spiel? Das Klischee lautet, in der NBA werde ohne Verteidigung gespielt, was ja eine Ihrer Stärken ist . . .
Kleber: Das kann man so nicht sagen. Man muss auch sehen, dass die Spieler einfach zu gut sind. Ich durfte mal Kevin Durant vom Meister Golden State Warriors verteidigen. Bei dem musst du einfach hoffen, dass er einen schlechten Tag hat (er lacht). Klar kannst du versuchen, ihm ein, zwei Bälle wegzunehmen. Aber der ist einfach so gut, da findest du normalerweise keine Antwort. Bei 82 Spielen in der Saison behaupte ich jetzt mal, dass die Konzentration bei dem einen oder anderen öfter mal nachlässt, dann passieren einfach mehr Fehler. Und dann sieht es wirklich so aus, als würde man gar nicht verteidigen. Es gibt auch Teams, die legen nicht so viel Wert auf die Defensive. Es ist drüben schon ein offensives Spiel. Es geht ein bisschen schneller hoch und runter. Der größte Unterschied ist aber einfach das enorme Talent der Spieler.
Es gab immer die Vergleiche mit Nowitzki. Zwei Würzburger in der NBA, noch dazu beim selben Verein, praktisch auch noch dieselbe Position . . . Täuscht der Eindruck, dass Sie drüben nicht als Dirk 2.0 gelten, sondern tatsächlich als Maximilian Kleber angekommen sind?
Kleber: Als Gag wird das natürlich immer wieder mal gesagt, der „zweite Dirk Nowitzki“, weil es ja auch wirklich eine witzige Story ist, dass zwei Würzburger im selben Verein in der NBA spielen. Wie hoch ist da die Wahrscheinlichkeit . . . Aber ich habe schon immer gesagt, dass ich das nicht so sehe mit dem „zweiten Dirk“. Mir gegenüber wäre es nicht fair und ihm gegenüber erst recht nicht. Was Dirk erreicht hat, ist einmalig! Jetzt die 21. Saison, Top 6 der Scoring-Liste. Schau'n wir mal, ob er die Top 5 noch schafft, oder ob LeBron James vorher vorbeigeht. Das alles ist unglaublich! Deswegen würde ich mich nie mit ihm vergleichen.
War er mal Ihr Vorbild?
Kleber: Ja, natürlich! Du schaust dir sein Spiel an, schaust dir vielleicht ein, zwei Sachen ab und willst das auch machen. Aber deswegen heißt das doch lange nicht, dass ich der nächste Dirk bin. Drüben wurde das auch gar nicht so häufig thematisiert, das ist eher hier in Deutschland der Fall.
Und Ihr Ziel ist nun: noch mehr Spielzeit?
Kleber: Ich glaube, dieses Jahr wird es ein bisschen schwieriger. Wir haben neue Spieler verpflichtet, haben ein anderes Team. Da ist auch viel Politik dabei. Wenn du einen Topspieler geholt hast, muss der seine Minuten bekommen. Auch ein young guy, der gedraftet wurde, den willst du entwickeln, egal, wie er spielt, der muss seine Minuten kriegen. Und dann musst du halt schauen, wie viele Minuten für dich übrig bleiben. Ich kann nur so rangehen wie vergangene Saison: Weiter arbeiten, trainieren und jede Chance, die ich bekomme, nutzen.
In den USA ist der Nationalhymnenstreit schwelendes Dauerthema, und mit LeBron James kritisiert auch ein Basketball-Superstar US-Präsident Trump heftig. Wie gehen die Spieler in Dallas mit dem Thema um?
Kleber: Das Thema kommt schon ab und zu mal hoch. Die Politik ist bei uns aber jetzt nicht das Thema Nummer eins. In den USA sind die Meinungen zu Trump ja auch sehr, sehr unterschiedlich. Du hast Menschen, die komplett gegen ihn sind und komplett für ihn. Ich habe auch viele kennengelernt, die ihn gewählt und im Nachhinein gesagt haben: Hätte ich mal lieber nicht gemacht.
Twittern Sie eigentlich?
Kleber: Ich bin angemeldet, aber ich nutze es nicht. Ich bin bei Social Media sehr schlecht. Da muss ich besser werden (lacht). Aber ich fühle mich einfach nicht wohl dabei, der Welt mitzuteilen, was ich so mache.
Mit Isaiah Hartenstein, Isaac Bonga und Moritz Wagner kommen drei weitere Deutsche in der nächsten Saison in die NBA. Mit Ihnen, Nowitzki, Dennis Schröder, Daniel Theis und womöglich auch noch Paul Zipser sind es vielleicht acht Deutsche – was sagt das über die Entwicklung des Basketballs hierzulande aus?
Kleber: Ich glaube, eine Menge. Es geht sehr stark voran, auch die Jugend-Nationalmannschaften spielen immer besser und erfolgreicher. Es kommen immer mehr Talente nach oben, und dadurch nimmt natürlich auch die Bundesliga einen größeren Stellenwert ein. Es kommen auch immer mehr US-Scouts nach Deutschland. Ich glaube, dass sich der deutsche Basketball gut entwickelt.
Nach einigem Hin und Her steht fest, dass Sie bei den beiden WM-Qualifikationsspielen der Nationalmannschaft Mitte September dabei sein werden . . .
Kleber: Wir haben eine Lösung gefunden, ja. Ich habe viel mit Henrik (Anmerk. d. Red: Bundestrainer Rödl) telefoniert und mit dem Klub gesprochen, damit wir eine gute Lösung für beide Seiten finden konnten. Es ist natürlich ein bisschen blöde, weil es so knapp vor dem Beginn der Saisonvorbereitung ist. Die Spiele sind am 13. und 16. September, kurz bevor wir in unser Vorbereitungscamp gehen. Ich freue mich sehr auf die Nationalmannschaft. Das letzte Länderspielfenster hat super viel Spaß gemacht. Es ist immer geil, wenn du mit den Jungs, die du kennst, seit du 15 oder 16 warst, zusammenspielen kannst. Ich glaube auch, dass wir nächstes Jahr, wenn alle dabei sind, eine wirklich gute Mannschaft für die WM haben, und dann geht's ja auch um die Qualifikation für Olympia. Und dann können wir hoffentlich wieder mal was reißen und den Basketball etwas pushen.
Ist es für Sie tatsächlich etwas Besonderes, vor dem Spiel die deutsche Nationalhymne zu hören?
Kleber: Klar, auf jeden Fall. Du weißt, du vertrittst dein Land und du spielst mit den Jungs zusammen, die du schon ewig kennst. Das ist etwas anderes als im Verein, da kommen ja jedes Jahr neue Spieler dazu.
Verfolgen Sie denn noch das Geschehen bei Ihrem Heimatverein s.Oliver Würzburg?
Kleber: Natürlich, und ich bin auch gespannt, wie sich das weiter entwickelt. Der Denis (Anmerk. d. Red: Wucherer, der neue Baskets-Coach) ist ein sehr guter Trainer und hat überall gezeigt, was er alles reißen kann. Deswegen bin ich auch gespannt, wie er es hier macht. Natürlich ist es schwierig mit einem komplett neuen Team. Ich bin auf alle Fälle up to date, was die Bundesliga angeht (er lächelt).