Eine Zahl aus aktuellem Anlass zu überprüfen, obwohl sie zuvor jahrelang nicht nur in der Fachpresse wiederholt publiziert und dabei nie angezweifelt wurde - kann man machen und sogar gewissenhaft finden. Dabei herauszufinden, dass die Zahl falsch ist - kann vorkommen und sollte dann natürlich korrigiert werden. Die Korrektur auf Grundlage eines Haufens Papier, nämlich Spielberichtsbögen aus 20 Jahren zu belegen, die angeblich gesichtet wurden - kann man glauben oder nicht. Förderlich für die Glaubwürdigkeit ist es jedenfalls nicht, wenn im Jubiläumsbuch "50 Jahre Handball-Bundesliga" noch eine weitere - ebenso falsche - Zahl publiziert wird. Das legt den Eindruck nahe, dass der Umgang mit Statistik zumindest bisher nicht sonderlich sorgfältig war. Die HBL muss sich zurecht fragen lassen, ob sie nicht richtig zählen kann.
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Aus erfassungsgeschichtlichen Gründen - bis 2005 gab es Spielberichtsbögen eben nur auf Papier - erscheint es höchst fragwürdig, dass Zahlen nachträglich vollständig und lückenlos überprüft werden können. Auch die verschiedenen Herkunftsquellen der historischen Daten lassen berechtigte Zweifel daran zu, dass Statistiken im Nachhinein so korrekt geändert werden können, dass sie wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werden.
Die HBL hat ohne Not ein Fass aufgemacht und für viel Verwirrung gesorgt, indem sie den bisherigen Bundesliga-Rekord von Jan Holpert nach oben korrigiert hat, bevor Carsten Lichtlein ihn knacken konnte. Wer hat davon etwas?
Holpert? Eher nicht. Ihm ist es vermutlich zwölf Jahre nach seinem Karriereende ziemlich schnurz, ob er mit 618 oder nun 625 Einsätzen in der Rekordspielerliste geführt wird. Lichtlein? Sicher nicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird er den früheren Kollegen in dieser Saison so oder so überholen. Mit wie vielen Einsätzen, ist auch ihm schnuppe. Bisher musste er nur viel Lärm um nichts ertragen. Die HBL? Am allerwenigsten. Sie ist der größte Verlierer in diesem Fall, in dem es keinen Gewinner gibt.
Schon klar: Nächstes Jahr spricht darüber kein Mensch mehr. In sämtlichen Statistiken und Chroniken wird künftig nur noch eine korrigierte Zahl auftauchen, deren Zustandekommen niemand mehr hinterfragen wird. Das ändert nichts daran, dass das momentane Durcheinander den untadeligen Sportsmännern Holpert und Lichtlein unwürdig ist.