Eigentlich wollte sich Ali Koller im amerikanischen Young Harris, wo er seit 2018 studiert, auf die anstehenden College-Prüfungen vorbereiten. Dazu mit seinen Kommilitonen den Frühling genießen und sich danach im Mai bei den jährlichen Tryouts möglicherweise seinen ersten Profivertrag schnappen. Doch diese Pläne platzten vor wenigen Wochen jäh, nachdem sich die Corona-Pandemie immer weiter ausbreitete.
Statt nun im Norden Georgias an der Grenze zu North Carolina, wo Young Harris liegt, Vorlesungen zu besuchen, sitzt Koller nun im heimischen Wohnzimmer im Würzburger Stadtteil Rottenbauer und versucht sich den Stoff für sein Management and Finance-Studium per Online-Learning beizubringen. "Nach dem Ausbruch des Virus haben uns die College-Verantwortlichen angeboten, die Kurse online zu beenden. Deshalb habe ich umgehend einen Flug nach Hause gebucht", so der 22-Jährige, der nun wahrscheinlich bis August in Unterfranken bleibt und auch seine Fußballkarriere erst einmal auf Eis legen muss.
Dabei war es gerade sehr gut gelaufen für Koller. In der abgelaufenen College-Saison, die stets von August bis Dezember stattfindet, war er Stammspieler seines Teams und erzielte mehrere Tore. Sogar in das Allstar-Team der Peach Belt Conference, der das Young Harris College zugeordnet ist, wurde der Abwehrspieler gewählt. Auch im gesamten Südosten zählte der Würzburger zu den besten Kickern. In den Freundschaftsspielen gegen Profi-Mannschaften, die stets im Frühjahr in der spielfreien Zeit stattfinden, hinterließ Koller ebenfalls seinen sehr guten Eindruck. Lohn wäre die Teilnahme an der Summer League im Mai gewesen, in der talentierte College-Fußballer für Amateurvereine kicken. Zudem hätte er sich über die sogenannten Try-Outs für Profiklubs empfehlen können. "Mein Trainer hatte mich unterstützt und vorgeschlagen. Doch daraus wird nun leider nichts", sagt der Abwehrspieler, der froh ist, dass es momentan so gut läuft.
Denn sein Start verlief in den Vereinigten Staaten alles andere als reibungslos. Für das erste Semester fehlte dem 22-Jährigen die Spielberechtigung. Spät hatte sich Koller, der sich im Winter 2017 im Training einen Knöchelbruch und einen Syndesmosebandriss zuzogen hatte, entschieden, ans College zu wechseln. "Ich hätte mich weiter über die U23 der Kickers für den Profi-Kader empfehlen können oder zu einem Regionalligisten wechseln können. Doch das wollte ich nicht", erinnert sich Koller, der über Jahre zum festen Stamm bei den jungen Rothosen gehörte und wohl nach dem Jahreswechsel seinen ersten Profivertrag unterschrieben hätte.
Stattdessen stellte Christian Demirtas, Kollers damaliger Trainer, den Kontakt zu einer Agentur, die Sportstipendien vermittelt, her. Diese machte ihm dann einige Angebote. Am besten taugte dem Würzburger letztlich das des Young Harris College. Dort trainiert ein Schotte das Fußballteam, der vornehmlich auf Europäer mit guter fußballerischer Ausbildung setzt. "Es macht mir Spaß, dort Fußball zu spielen. Während andere sehr athletisch und körperbetont spielen, setzt unser Trainer auf technische Fähigkeiten", beschreibt Koller, der sich mittlerweile sehr gut eingelebt hat. Anfangs hatte er nämlich mit dem schottischen Akzent seines Trainers und großem Heimweh zu kämpfen. "Ich bin ein absoluter Familienmensch. Ich habe einen engen Kontakt zu meinen Geschwistern und ich telefoniere nahezu täglich mit meiner Familie", erklärt Koller.
Sie gibt ihm auch die nötige Kraft für die anstehenden Aufgaben, wann immer Corona es zulässt. Denn der 22-Jährige, der in der Jugend auch in den Leistungszentren in Fürth und Ingolstadt kickte, ehe er in der U19 zu den Würzburger Kickers zurückkehrte, möchte zunächst seinen Bachelor machen und seinen Marktwert weiter verbessern. Danach seien ein Master, verbunden mit College-Fußball, ein Profivertrag oder die Rückkehr nach Deutschland, um zu arbeiten, möglich. "Was danach kommt, ist Zukunftsmusik. Aber das Studium steht an erster Stelle", so Koller, der aber weiter vom Profifußball träumt.