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Fußball
Klub-WM: Dettelbacher Christian Graber sammelt Fußballdaten in Abu Dhabi
Beim Vorspiel für die Fußball-WM in Katar erhebt der Franke derzeit Live-Daten wie Tore, Zweikämpfe, Fouls, auch vom FC Chelsea. Was er beim Turnier am Persischen Golf erlebt.
Christian Graber aus Dettelbach ist als Datenscout bei der Klub-WM in Abu Dhabi im Einsatz. Sein Arbeitsplatz ist auf der Pressetribüne des Mohammed-Bin-Zayed-Stadions von Al-Jazira.
Foto: Lennart Kranenberg | Christian Graber aus Dettelbach ist als Datenscout bei der Klub-WM in Abu Dhabi im Einsatz. Sein Arbeitsplatz ist auf der Pressetribüne des Mohammed-Bin-Zayed-Stadions von Al-Jazira.
Natalie Greß
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:00 Uhr

Es ist der Tag vor dem Beginn der Olympischen Winterspiele in Peking. Knapp 6000 Kilometer entfernt von der chinesischen Hauptstadt wird in Abu Dhabi die Klub-WM im Fußball angepfiffen. Sie gilt für den Weltverband Fifa als Generalprobe für die Weltmeisterschaft im Winter (21. November bis 18. Dezember) in Katar.

Bei der bislang letzten Austragung 2020 hatte der FC Bayern München das Turnier gewonnen, diesmal ist der FC Chelsea mit Trainer Thomas Tuchel als europäischer Klub vertreten. Hierzulande geht die Klub-WM, die wegen Corona von Dezember 2021 in Japan auf Februar 2022 und in das Emirat verlegt wurde, weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit über die Bühne.

Amateurklub aus Tahiti im Eröffnungsspiel

Schlagzeilen machte sie bisher allenfalls abseits des Sports. Wegen der strengen Corona-Regeln in Neuseeland musste der FC Auckland City seine Teilnahme zum zweiten Mal in Folge absagen. Die Fifa wählte den AS Pirae als Ersatzstarter für Ozeanien aus – ein Amateurklub aus Tahiti.

Die Mannschaft aus dem Inselstaat ist an jenem ersten Donnerstag im Februar im Eröffnungsspiel Gegner des Gastgeberklubs von Al-Jazira im Mohammed-Bin-Zayed-Stadion. Auf der Pressetribüne sitzt bei 25 Grad und Sonnenschein Christian Graber aus Dettelbach (Lkr. Kitzingen). "Perfektes Fußballwetter", sagt der 32-Jährige im Telefonat mit dieser Redaktion.

Graber trägt ein Headset und übermittelt über ein kleines Mikrofon nach fünf gespielten Minuten folgende Informationen an seinen Arbeitgeber nach München-Ismaning: "Einwurf vorne - Sieben mittel - Jamal kurz hoch - Almería kurz - Sa mittel - Jamal Boden - Boden links - Almería Torschuss - Tor Almería."

Was für Laien unverständlich klingt, nennt sich im Profisprech Stenosprache und beschreibt den ersten Treffer von Zayed Al Ameri beim 4:1-Sieg von Al-Jazira über den AS Pirae. Graber, hauptberuflich Geschäftsstellenleiter beim Handball-Zweitligisten DJK Rimpar Wölfe, ist im Nebenjob Scout für Live-Datenerhebung. "Ein gut bezahltes Hobby."

Normalerweise in der Fußball-Bundesliga im Einsatz

Normalerweise ist der studierte Sportökonom für das weltweit tätige Sportbusiness-Unternehmen Deltatre bei Bundesliga-Spielen im Einsatz. Diesmal hat die Fifa seine Firma beauftragt, Daten bei der Klub-WM zu erheben. Graber bot sich an, diese aus Abu Dhabi zu liefern, und wurde dafür ausgewählt.

Das Max-Morlock-Stadion in Nürnberg ist normalerweise das Revier von Christian Graber.
Foto: Christian Graber | Das Max-Morlock-Stadion in Nürnberg ist normalerweise das Revier von Christian Graber.

Alle acht Spiele, von denen die Hälfte im nahe gelegenen kleineren Al-Nahyan-Stadion ausgetragen werden, begleiten er und ein Kollege, jeder von beiden vier Spiele, als "Speaker". Der Job ähnelt ein bisschen dem eines TV- oder Radiokommentators – mit dem Unterschied, dass das Geschehen auf dem Platz nicht unterhaltsam oder emotional wiedergegeben, sondern sachlich auf die nackten Fakten reduziert wird. Also auf Torschüsse, Zweikämpfe, Luftduelle, Fouls und Freistöße, Ecken und Einwürfe, Latten- und Pfostentreffer, Torwartparaden und Pässe in ihrer Weite und Höhe.

Medien und Klubs nutzen Daten in Echtzeit

Die Informationen, die Graber durchgibt, trägt ein "Writer" in München per Touchpad in eine riesige Datenbank ein. "Medien, Klubs und vermutlich auch Wettanbieter weltweit nutzen diese Daten in Echtzeit", erklärt Graber. Keine Livekonferenz, kein Spielbericht kommt ohne diese Statistiken aus.

In der Bundesliga, wo der passionierte Dettelbacher Kreisliga-Kicker oft Spiele der fränkischen Vereine SpVgg Greuther Fürth und 1. FC Nürnberg besucht, kennt er in der Regel die Profis – und wenn nicht, lernt er vorher ihre Namen.

Zwischen Vorbereitung und Improvisation

Bei den Amateuren aus Tahiti und Spielern arabischer Klubs mit für Europäer teils nur zungenbrechend auszusprechenden Namen wird es schon schwieriger. "Um ehrlich zu sein: Bis auf die Spieler von Chelsea kannte ich hier keinen einzigen", gesteht der 32-Jährige. "Wir haben zur Vorbereitung Zugang zu einer Scouting-Software bekommen, mit der wir uns Spiele aller Mannschaften anschauen konnten. Von der aus Tahiti gab's allerdings keinerlei Informationen."

Sonnenschein und 25 Grad: Christian Grabers Arbeitsplatz mit Urlaubsflair.
Foto: Lennart Kranenberg | Sonnenschein und 25 Grad: Christian Grabers Arbeitsplatz mit Urlaubsflair.

Und so sitzt Graber nun im Stadion und muss improvisieren. Wie schon am Testtag davor, als es Probleme mit den Hightech-Telefonen der Fifa gab, die nicht kompatibel mit den Anschlüssen an den Pressetischen waren. "Also mussten uns die Techniker vor Ort ältere Telefone von hier organisieren, bis es geklappt hat."

Im Halbfinale mit Chelsea als Speaker im Einsatz

Im Eröffnungsspiel funktioniert technisch alles. Bleibt die Herausforderung mit den Namen. "Bei arabischen Klubs heißen oft mehrere Spieler Mohammed. Da muss ich vorher mit dem 'Writer' absprechen, wie wir wen nennen, damit es keine Verwechslungen gibt. Meist sage ich in so Fällen nur die Vornamen, Abkürzungen oder die Trikotnummern." Oder er erfindet Spitznamen – absichtlich und unabsichtlich.

So löste der Name eines Spielers von Al-Jazira, der in Wirklichkeit Al Ameri heißt, in Graber ständig andere Assoziationen aus. "Ich musste immer an Calamari oder den spanischen Zweitligisten Almería denken und bin durcheinandergekommen", erzählt er und lacht. "Also haben wir uns darauf geeinigt, den Spieler einfach Almería zu nennen."

Neben Abramowitsch, Infantino und Scheichs

An diesem Dienstag und Mittwoch steigen die brasilianischen und englischen Topklubs Palmeiras São Paulo und FC Chelsea in den Halbfinals ins Turnier ein. Dann erwartet Graber, der bei Chelsea und dann im Spiel um Platz drei am Samstag "Speaker ist", bekannte Gäste auf der VIP-Tribüne neben den Presseplätzen – Scheichs und Machthaber aus den Emiraten, Roman Abramowitsch, Besitzer des aktuellen Premier-League-Dritten, und Fifa-Präsident Gianni Infantino etwa.

Zuschauer besuchten anfangs nicht allzu viele die Stadien. Obwohl die Corona-Impfquote in Abu Dhabi laut Graber bei 99 Prozent liegt, die Inzidenz unter 200, und überall, selbst auf den Straßen, Maskenpflicht herrscht. Und obwohl der Zugang zu den Stadien mithilfe einer App einfach geregelt sei.

Viele einheimische Fans sind in den traditionellen weißen Gewändern gekleidet. Manche von ihnen machen mit Kuhglocken Musik, um ihre Mannschaften anzufeuern.
Foto: Graber | Viele einheimische Fans sind in den traditionellen weißen Gewändern gekleidet. Manche von ihnen machen mit Kuhglocken Musik, um ihre Mannschaften anzufeuern.

Die Stimmung sei trotzdem gut gewesen bisher – vor allem dank der in den traditionellen weißen Gewändern gekleideten Männer, die mit Kuhglocken Musik machen, um ihre Mannschaften anzufeuern. "Frauen sind verhältnismäßig weniger als bei uns da gewesen, aber erlaubt", sagt Graber. Von möglichen Menschenrechtsverletzungen bekomme er freilich nichts mit.

Grabers Ziel ist die Fußball-WM in Katar

In seinem Hotel, wo er in seinem Zimmer auch im mobilen Büro für die Rimparer Wölfe arbeitet, tummeln sich viele Fifa-Funktionäre. Für sie ist das Turnier der Vorlauf auf die WM. "Alle nehmen es sehr ernst", spürt Graber.

Mit Rimpars Handballern fieberte Graber am Freitagabend per Livestream beim Jahresauftaktsieg im Derby über den TV Großwallstadt mit. "Es war mein erstes Heimspiel, das ich in fast fünf Jahren bei den Wölfen verpasst habe." Ende des Jahres könnten ein paar mehr dazukommen. Dann möchte der Dettelbacher wieder als Datensammler an den Persischen Golf: "Ich müsste dann mit meinem Chef Roland Sauer klären, ob er mir für diese Zeit frei gibt."

 
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Kommentare
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  • burott
    Und wen interssiert der Mist??
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    gelesen haben sie den Artikel offensichtlich? Ich fand den Artikel interessant, mal was anderes!
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