Stephan Schmidt (40) musste nach dem Abstieg der Würzburger Kickers fast bei Null anfangen. Der neue Trainer steht vor der Herausforderung, 16 Neuzugänge mit sechs gebliebenen Akteuren zu einer Einheit zu schweißen. Nach einer gelungenen Vorbereitung mit nur einem Remis und fünf Siegen – unter anderem ein 3:0 gegen Bundesligist Bayer Leverkusen – wird es nun ernst: An diesem Samstag starten die Kickers beim SV Meppen in ihre zweite Drittligasaison.
Stephan Schmidt: Ich habe sehr großen Respekt vor den Kollegen, die für sich entschieden haben, im Jugendbereich, in der Ausbildung tätig zu sein und dort zu bleiben. Für mich habe ich eine Herausforderung gesucht und diese in Würzburg gefunden. Da spielte das Alter der Spieler keine Rolle. Ich hatte hier einfach auf Anhieb ein sehr, sehr gutes Gefühl.
Ist es denn keine besondere Motivation für Sie, zu zeigen, dass Sie nicht nur mit Juniorenteams erfolgreich arbeiten können?
Schmidt: Ich glaube, dass es heute anders ist – als es früher war. Auch im Jugendbereich geht es inzwischen um Leistung, da geht es darum, Spieler für die Bundesliga zu formen. Und da geht es auch darum, erfolgreich zu sein. Der mediale Druck ist vielleicht etwas kleiner. Aber auf Schalke, wo ich zuletzt gearbeitet habe, ist niemand zufrieden, wenn man Siebter wird, egal, mit welcher Mannschaft (er lächelt).
Schmidt: Ich habe in der Vergangenheit in ganz unterschiedlichen Bereichen gearbeitet, mit Mannschaften mit ganz unterschiedlichen Altersstrukturen. Als ganz, ganz junger Trainer durfte ich in Berlin etwa bei Lucien Favre im Trainerstab einer Profimannschaft tagtäglich dabei sein. In Schalke hatte ich jetzt mit hochtalentierten Spielern zu tun, von denen wir sicher noch hören werden . . .
. . . und die man bald in Würzburg sehen wird?
Schmidt (er lacht laut): Mal schauen. Lassen wir denen doch erst einmal Zeit, sich in Ruhe zu entwickeln. Was ich sagen wollte: Von der Herangehensweise an die Arbeit gibt es zwischen einem hochklassigen Juniorenteam und einer Drittliga-Mannschaft keine eklatanten Unterschiede. Aber natürlich ist es etwas anderes, ob man mit einem Familienpapa zusammensitzt und Erfahrungen austauscht, oder mit einem 17-Jährigen.
Schmidt: Von Trittfassen will ich nicht reden. Man hatte mir zweimal die Möglichkeit gegeben, als Cheftrainer in der Zweiten Liga zu arbeiten. Rückblickend kann ich sagen, dass ich damals als junger Trainer, Erfahrungen machen musste, um heute der Trainer zu sein, der ich bin. Wir lernen ja schon als kleines Kind: Wenn du hinfällst, musst du wieder aufstehen. Wenn du eine neue Aufgabe siehst, schaue nach vorne. Ich glaube, dass ich als Trainer gereift bin.
Schmidt: Da gibt es so viel. Es gibt überall schöne und weniger schöne Erlebnisse. So ist das nun mal im Leben. Dass Wichtigste ist aber: Man erkennt in den unterschiedlichen Lebensphasen schnell, wer einem wichtig ist und wer nicht und auch, wem man wichtig ist und wem nicht.
Schmidt: Offen, direkt, ehrlich und immer darauf aus, eine Lösung zu finden und nicht das Problem zu sehen.
Schmidt: Die Kickers sind ein Trainerverein, der auf diesem Posten auf Kontinuität setzt und ein Projekt kontinuierlich weiterentwickeln will. Bernd Hollerbach hat dieses Projekt über Jahre in fantastischer Art und Weise geleitet. Wenn jetzt hier Schnee liegen würde, wären die Fußstapfen wirklich riesig groß. Aber in Würzburg scheint, das habe ich schon gemerkt, tatsächlich meistens die Sonne. Hier ist es wunderbar.
Wie wollen Sie das Würzburger Projekt denn weiterentwickeln. Was ist Ihr Ziel?
Schmidt: Ich habe gelernt: Das nächste Ziel ist immer das nächste Training. Wir wollen uns immer weiter verbessern. Ich sehe nur den Moment, und der Moment, der jetzt kommt, ist das Auswärtsspiel in Meppen.
Schmidt (grinst): Nein. Unser Ziel ist immer das nächste Training und dann das nächste Spiel zu gewinnen. Das ist immer unser Ziel. Das Wichtigste ist, alles gesund einzuordnen. Aber keine Bange: Ich werde niemanden bremsen. Wir wollen immer das Maximum. Das spürt man auch bei den Jungs. Wichtig ist, dass wir uns diesen Hunger erhalten. Die Dritte Liga bleibt die Dritte Liga. Daran werden wir nichts ändern. Die Dritte Liga wird, da wage ich eine Prognose, wie in den vergangenen Jahren auch, eine sehr enge Liga werden, in der jeder jeden schlagen kann. Es ist eine Mentalitätsliga, die geprägt ist von Kampf und Leidenschaft.
Schmidt: Was man will, ist das Eine. Ich habe vor ein paar Jahren einmal gesagt: Ich will fünf Kinder. Jetzt habe ich eins. Man muss seine Situation realistisch einschätzen. Deshalb ist es auch wichtig, in Etappen zu denken. Die Dritte Liga ist ein Marathon und kein Sprint. Wir wollen zwar gute Sprinter in unserer Mannschaft. Aber die brauchen Ausdauer.
Schmidt: Nein. Meine Motivation ist es, jeden einzelnen Spieler zu verbessern. Wenn dies gelingt, . . .
Schmidt: Nein, nicht automatisch. Dann werden wir einfach den nächsten Schritt machen. Wir müssen uns realistisch einschätzen. Und realistisch ist, dass wir mit unserer Qualität eine gute Rolle in der Dritten Liga spielen können. Dieser Realismus bremst aber natürlich nicht unseren Ehrgeiz.
Wie gehen Sie mit dem Favoritenschild um, das Ihnen die Konkurrenten angeheftet haben?
Schmidt: Vor mehr als fünf Wochen sollen wir noch im tiefsten Keller gesessen haben, ohne Licht und ohne Spieler. Vier Wochen später werden wir auf einmal ganz oben auf einem Wolkenkratzer gesehen und küssen die Wolken. Ich lasse mich von so etwas nicht blenden. Ich glaube, beide Sichtweisen beziehungsweise Zustände sind nicht richtig. Es geht um einen gesunden Mittelweg. Wir werden, um an die Frage nach unserem Ziel anzuschließen, versuchen, in jedem Spiel unser Bestes zu geben. Trotzdem werden wir in jeder Partie auf sehr, sehr viel Widerstand treffen. Eine Mannschaft findet sich, aber zur Einheit wächst man erst dann zusammen, wenn man auch Rückschläge verkraftet. Wenn man mal in Rückstand gerät oder auch ein Akteur, der sich eigentlich als Stammspieler sieht, draußen sitzt. Dann wird man sehen, ob wir eine Einheit sind.
Wie viel Spaß hat es Ihnen gemacht, so ein Puzzele zusammenzusetzen, also ein völlig neues Team aufzubauen? Sie haben beim Neuaufbau quasi bei Null beginnen müssen?
Schmidt: Es war eine sehr intensive Zeit. Mit den Menschen, die hier für den Verein Verantwortung tragen, war ich teilweise Tag und Nacht zusammen. Dadurch sind wir schnell zusammengewachsen. An viel Schlaf war da nicht zu denken. Ich hatte die Schalker U 17 auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Kaderplanung in Würzburg. Wir sind manchmal auseinandergegangen, als bereits die Sonne aufgegangen ist.
Schmidt: Wir hatten ein Flipchart aufgestellt. Darauf standen die Namen der Spieler. Ich habe noch ein Foto davon.
Schmidt: Elia Soriano ist nicht da. Ich bin für die Spieler zuständig, die da sind, denen widme ich meine volle Kraft.
Nun, nach der Vorbereitung: Sind Sie mit Ihren Griffen denn zufrieden?
Schmidt: Absolut. Die Mischung stimmt. Man spürt zum einen eine gewisse Harmonie im Team, andererseits geht es im Training richtig zur Sache. Das fühlt sich für mich als Trainer gut an. Aber die Vorbereitung ist das Warm-up. Wenn wir im Bild bleiben wollen: Jetzt geht es in die erste Runde.
Schmidt: Wir werden uns sicher nicht auf eine Taktik festlegen. Wichtig ist es, variabel zu sein. Darauf haben wir auch den Kader ausgerichtet.
Schmidt (er lächelt): Wir werden uns dem Markt nicht verschließen. Wenn sich für uns noch etwas Interessantes ergeben sollte, werden wir das auch prüfen.
Schmidt: Bei der Saisoneröffnung am vergangenen Wochenende kam ein Fan auf mich zu und sagte: „Ich stelle es mir unglaublich schwierig vor, mit einer ganz neuen Mannschaft zu arbeiten. Ich kenne die Namen ja überhaupt nicht.“ Tatsächlich müssen wir uns als Gruppe erst einmal finden. Das wird eine Weile dauern. Ich habe dem Fan übrigens gesagt, dass er sehr viel Ahnung vom Fußball hat (er grinst).
Wie wächst man als Team zusammen?
Schmidt: Das ist wie in einer Familie. Mir ist es wichtig, dass wir offen, direkt und ehrlich miteinander umgehen. Lob und Kritik zählen auch dazu. Das Wichtigste ist am Ende aber der Zusammenhalt. Ich sehe viele Parallelen zwischen einer Familie und auch speziell meiner Familie und meiner Wunschvorstellung vom Fußball.
Schmidt: Wir sind gerade auf der Suche. Aber ich lasse mir Zeit.
Schmidt: Nein. Ich habe von unterschiedlichen Trainern viel gelernt. Ich habe Lucien Favre bereits genannt. Aber da gibt es auch Huub Stevens, mit dem ich noch immer verbunden bin, oder Felix Magath, der mich damals nach Wolfsburg geholt hat. Das sind Menschen, die im Fußball schon sehr viel erreicht haben, an denen ich mich orientieren kann. Da konnte ich einiges mitnehmen. Aber Entscheidungen treffe ich mit meinem Trainerteam.
Schmidt: Puh. Bei diesem Spiel würde es schwierig für mich werden.
SV Meppen – FC Würzburger Kickers (Samstag, 14 Uhr, live im NDR)
Für ihn und sein Team dürfte es bei der Partie im nach einem Sponsor benannten Häscher-Stadion auch darauf ankommen, trotz der hitzigen Atmosphäre ruhig zu bleiben. „Wir haben uns auf verschiedene Situationen und den Gegner intensiv vorbereitet“, sagt Schmidt. Personell hat der Trainer eine große Auswahl. Der Kampf um die Stammplätze ist eng, wie Schmidt betont. Bis auf Hendrik Hansen, der nach einer Fußverletzung bald ins Training wieder einsteigen soll, und Florian Kohls (Kreuzbandriss) stehen alle Akteure zur Verfügung.