Als Fanol Perdedaj sich selbst beschreiben soll, überlegt er nicht lange. "Ich bin ein Krieger", sagt er. Mit ihm ist nicht zu spaßen - zumindest nicht auf dem Fußballplatz. "Privat bin ich sehr nett", beschreibt er sich selbst. Aber da gäbe es bei ihm so einen unsichtbaren Schalter. Und wenn der 29-Jährige auf dem Fußballfeld seinem Beruf nachgeht, dann fließt reichlich Adrenalin durch den Körper: "Wenn es kracht, wenn es zur Rudelbildung kommt, dann renne ich auch mal da rein" sagt der Neuzugang der Würzburger Kickers. Einen wie ihn, das steht mal fest, hat man lieber in der eigenen Mannschaft. Deshalb haben die Rothosen ihn ja auch verpflichtet, nachdem der Vertrag des Deutsch-Kosovaren beim Drittliga-Kontrahenten 1. FC Saarbrücken nicht mehr verlängert worden war.
Perdedaj spricht bedächtig und wirkt reflektiert. Nicht wie ein Draufgänger. Auch wenn er hinter dem schwarzen Vollbart seinem Ruf entsprechend ganz schön grimmig hervorgucken kann. Es komme schon einmal vor, dass er nach einem Spiel, bei dem es so richtig rund ging, daheim einen Rüffel kassiert: "Ich bekomme dann etwas von meiner Frau zu hören. Die sagt schon einmal: 'Mensch, das geht so nicht!' Sie hat da ein gutes Gefühl, wann es zu weit geht und ist ehrlich zu mir. Das tut mir gut. Denn ich muss mich dann manchmal schon zügeln. Ich will ja keine Rote Karte kassieren und der Mannschaft schaden." Seit fünf Jahren ist er liiert, seit einem halben Jahr verheiratet. "Zemra", was auf Albanisch so viel heißt wie Herz, nennt seine Frau ihn zu Hause.
Auf dem Spielfeld heißt der Krieger bei den Kickers nun "Perde". "Fanol kann ich mir nicht merken. Das klingt wie ein Medikament", hatte Trainer Torsten Ziegner bei einer der ersten Einheiten im Trainingslager der Rothosen in Oberösterreich bemerkt. "Perde" spielt in den Planungen des Trainers eine wichtige Rolle. Mit 1,73 Metern Körpergröße hat er zwar keine furchteinflößende Körpergröße, aber er soll für die richtige Kampfeslust im Team sorgen. Das sein, was man auf dem Fußballfeld im Englischen einen "Aggressive Leader" nennt. Und Perdedaj soll dem Spiel der Kickers auch aus dem defensiven Mittelfeld heraus Struktur geben, es lenken, der Anführer des Teams sein. "Wir haben viele junge Spieler, die man steuern und denen man helfen muss. Ich versuche ein Vorbild zu sein", beschreibt er selbst seine Aufgabe.
Dass Perdedaj das Zeug dazu hat, steht außer Frage. In Saarbrücken bedauerten viele Fans seinen Abschied sehr. Mit Transparenten am Trainingsgelände hatten sie eine Vertragsverlängerung gefordert. Vergeblich. Für Perdedaj ist die Sache damit abgehakt: "Die Zeit in Saarbrücken ist Vergangenheit." Auch wenn er noch heute den Halbfinaleinzug im DFB-Pokal-Wettbewerb mit den Saarländern in der Saison 2019/20 als ganz besonderen Moment seiner Karriere bezeichnet. Schließlich war Saarbrücken damals Viertligist. Auf seinen Stationen in erster und zweiter Liga habe er das nicht geschafft.
Sein früher Förderer Lucien Favre, der Perdedaj einst bei Hertha BSC aus dem Nachwuchs zu den Profis holte, hat ihn beeindruckt, auch damit, was er mit dem Ball konnte: "Er hat fußballerisch richtig etwas drauf. Er hat uns Dinge gezeigt, die er mit 50 besser gemacht hat als wir mit 17 oder 18." Markus Babbel und Otto Rehhagel hießen andere Trainer, die er bei der Hertha erlebte. Da nehme man schon einiges mit.
Als er ein Jahr alt war, kam er mit seinen Eltern aus dem Kosovo nach Berlin, mit fast 22 zog er weiter. Energie Cottbus, FSV Frankfurt, 1860 München und schließlich 1. FC Saarbrücken, das waren seine Stationen. Doch auch wenn er seine ganze Kindheit in der Hauptstadt verbrachte, dorthin zieht es ihn nicht zurück: "Berlin ist nicht meine Heimat. Die Stadt ist sehr groß. Ich habe in dieser Zeit viel erlebt. Wenn ich einmal Kinder habe, will ich, dass sie in einer schönen Umgebung aufwachsen und nicht von Gefahren umgeben sind. Dass sie nicht so leicht auf einen falschen Weg kommen können."
Man bekommt ein Bild davon, warum Perdedaj so ist, wie er ist. Er hat sich vieles erkämpfen müssen: "Ich war nie ein Übertalent. Ich kam immer über die Leidenschaft und das Herz. Wenn du nur ein paar Tricks kannst, kommst du nicht weiter." Einen wie ihn, den mögen die Fans und die Mitspieler, wenn er in ihren Reihen spielt. Das soll in Würzburg nicht anders sein, hofft Perdedaj. Die Kickers haben jetzt einen Krieger.
Ansonsten wünsche ich diesem Verein, dass er mit gezielter Führungsarbeit wieder in ruhigere Fahrwasser kommt.