Uerdingen - das war mal ein echt große Nummer im deutschen Fußball. Damals, als der Klub noch den Namen Bayer trug und das Kreuz des Chemie-Riesen auf dem Trikot hatte. Da wurde Uerdingen im Jahr 1985 sogar DFB-Pokal-Sieger, lieferte sich im Jahr darauf mit Dynamo Dresden ein längst legendäres Europapokal-Duell, 7:3 gewann der Verein aus dem Krefelder Stadtteil im Rückspiel. Alles Fußballgeschichte.
Und heute? Da heißt der Alltag Dritte Liga. Auf Platz 15, zwei Ränge und einen Punkt hinter den Würzburger Kickers steht der KFC Uerdingen vor dem direkten Aufeinandertreffen auf dem Dallenberg (Samstag, 14 Uhr). Das Krefelder Grotenburg-Stadion ist zum Teil baufällig, die Heimspiele trägt der Klub dieses Jahr in Düsseldorf aus. Derzeit können die Drittliga-Kicker nicht mal auf dem gewohnten Gelände trainieren. Die Plätze sind in der kalten Jahreszeit regelmäßig unbespielbar. Ein festes Trainingsdomizil hatte der Verein in dieser Woche nicht. Die Vorbereitung auf die Partie in Würzburg fand in den Orten Vorst und Hüls statt.
Das klingt alles nach Drittliga-Tristesse. Aber weit gefehlt. Der Klub vom Niederrhein ist ein sehr schillernder Vertreter dieser Spielklasse, womöglich sogar der Schlagzeilen-trächtigste. Da sitzt auch mal mit Kevin Großkreutz ein Mitglied des deutschen Weltmeister-Kaders von 2014 auf der Bank. Am Samstag dürfte er wohl aufgrund der Personalsituation - die Ex-Erstliga-Spieler Jan Kirchhoff (Mainz, FC Bayern, Schalke) und Adam Matuschyk (Köln) sind gesperrt - wieder in die Startelf rücken. Der prominenteste Mann sitzt aber auf der Tribüne. Stefan Effenberg, im Oktober als Manager installiert, wird den KFC selbstverständlich nach Würzburg begleiten. "Ich kann mir schon vorstellen, dass der ein oder andere sich mit ihm mal austauschen und ihm die Hand schütteln will", glaubt Kickers-Trainer Michael Schiele.
"Stefan Effenberg gibt derzeit keine Interviews", antwortete die Uerdinger Pressestelle auf eine entsprechende Anfrage kurz und knapp. Auch der einstige Anführer des FC Bayern, 2001 Champions-League-Sieger mit den Münchnern, hat am Niederrhein noch nicht für eine nachhaltige Erfolgsserie gesorgt. Das 0:3 vor der Länderspielpause gegen den 1. FC Kaiserslautern hatte für einen nachhaltigen Stimmungsdämpfer gesorgt. Die Krefelder kommen einfach nicht in die Tabellenregion, in der sie sich selbst sehen und in denen vor allem Präsident und Geldgeber Mikhail Ponomarev den Klub sieht. "Das Kuriositätenkabinett der Dritten Liga" nannte die Zeitschrift "11Freunde" den Verein in ihrer jüngsten Ausgabe und widmete dem KFC fünf Seiten. Der Klub polarisiert und unterhält wie kaum ein anderer in der Liga. Acht Trainer in 19 Monaten sind ein untrügliches Bild dafür, wie chaotisch es bisweilen zugeht. Ein Höhepunkt all der Skurrilitäten war, als in dieser Saison eine Sprachnachricht von KFC-Akteur Manuel Konrad plötzlich im Internet auftauchte. Der Spieler ahmte darin mit gespieltem russischem Akzent Geldgeber Ponomarew nach, wie er nach dem 0:3 gegen Waldhof Mannheim, dem letzten Spiel von Ex-Coach Heiko Vogel, lautstark in der Kabine gegen Mannschaft und Trainer gewettert hatte.
Das öffentliche Erscheinungsbild ist nicht gut. Nun soll Effenberg mit seiner Ausstrahlung also für andere Schlagzeilen und mehr Ruhe sorgen. Für das Team auf dem Platz ist mit Stefan Reisinger indes ein Teamchef mitverantwortlich. Der einstige Fürther Zweitliga-Kicker kam bereits 2017 nach Uerdingen, als Co-Trainer von Michael Wiesinger. Der wurde zwar noch vor dem Aufstieg entlassen, doch Reisinger blieb. Eine erforderliche Fußballlehrerlizenz hat er allerdings nicht. So teilt er sich die Verantwortung derzeit mit Trainer Daniel Steuernagel.
"Auswärts", warnt Kickers-Mittelfeldmann Patrick Sontheimer mit Blick auf die Statistik, "ist Uerdingen stärker als zu Hause." Letztlich aber sind auch all die großen Namen im Kader des Gegners für Kickers-Coach Schiele kein Grund, allzu viel Respekt zu zeigen: "Was Abgebrühtheit, Erfahrung, Coolness angeht, sind die Uerdinger in manchen Situationen vielleicht im Vorteil. Aber Biss und Feuer haben wir sicher nicht weniger." Und überhaupt, was nutzt all der verblichene Ruhm der Vergangenheit: "Für uns ist das ein ganz normaler Gegner in der Dritten Liga", sagt Sontheimer. Daran ändert auch Stefan Effenberg auf der Tribüne nichts.