Am Dienstagnachmittag richteten sich alle Blicke der neuen Fußballerinnen-Abteilung des FC Würzburger Kickers auf das Geschehen im Gradski Stadion in Podgorica. In Montenegros Hauptstadt forderte die Heimelf in der Qualifikation für die EM 2022 in England den zweimaligen Welt- und achtmaligen Europameister Deutschland heraus. Die große Hoffnungsträgerin des krassen Außenseiters aus dem 600 000-Einwohner-Staat auf dem Balkan war eine von den Kickers. Medina Desic erlebte das Spiel ihres Lebens. Und alle fieberten mit. "Wir sind sehr stolz auf Medina", sagte Vorstand Heinz Reinders kurz vor Anpfiff: "Wir hoffen, dass sie ein Tor schießt und Deutschland gewinnt."
Die Hoffnungen wurden nur teils erfüllt. Die deutsche Elf, die im Frauenfußball seit Jahrzehnten zur Weltklasse zählt, siegte zwar erwartungsgemäß. Jedoch beschwerlicher als angenommen - mit 3:0 vor leeren Rängen, nach einem 10:0-Erfolg im Hinspiel. Damit ging auch Desic leer aus. In Feierlaune waren nachher trotzdem alle. In den Sozialen Medien gab die Kickers-Stürmerin einen Einblick in die montenegrinische Mannschaftskabine, in der trotz der Niederlage der Gastgeberinnen eine rauschende Party angesagt war.
"Unbeschreibliches" Gefühl für Desic
Auch Stunden nach dem Spiel zeigte sich die 27-Jährige, die in Deutschland geboren wurde, aber neben der deutschen auch über die montenegrinische Staatsbürgerschaft verfügt, noch glückselig nach einem der Höhepunkte ihrer bisherigen Karriere. "Unbeschreiblich", sei das Gefühl für sie gewesen, gegen "mit die Besten der Welt zu spielen", berichtete Medina Desic. Am Mittwochvormittag saß sie nach ihrer zehntägigen Länderspielreise, während der sie auch ihr erstes Länderspieltor erzielt hatte - beim 1:3 Montenegros gegen die Ukraine -, wieder zurück im Flieger in die Heimat.
Dort warten schon die nächsten sportlichen Herausforderung auf sie. Bevor es ab dem 4. Oktober für die Kickers-Frauen als Aufsteiger in der Süd-Staffel der Zweiten Bundesliga losgeht, steht an diesem Samstag (26. September) der Auswärtstrip zum DFB-Pokal-Spiel gegen Ligakonkurrent FC Ingolstadt an. Freilich möchte die Vollblutfußballerin da schon wieder auf dem Platz stehen. Ihrem Einsatz dürfte auch eigentlich nichts im Wege stehen, trotz des Aufenthalts im Corona-Risikogebiet Montenegro. Desic wurde in den vergangenen zehn Tagen dreimal negativ auf Covid-19 getestet, zuletzt am Montag, und dürfte somit der häuslichen Quarantäne entkommen. "Ich bin bereit, mein Team zu unterstützen", kündigt sie an.
Zwei Aufstiege in Folge
Nach zwei Aufstiegen in Folge, an denen Desic mit insgesamt 35 Toren großen Anteil hatte, steht nun das Abenteuer zweite Liga für die Rothosen-Frauen an. Für Desic kein Neuland. Sie spielte bereits für den ETSV Würzburg im Unterhaus. Als eine der Führungsspielerinnen soll sie das Team von Trainer Gernot Haubenthal in der anstehenden Spielzeit zum Verbleib in der Liga helfen.
Die kurzfristigen Ziele wurden auch nach dem Wechsel der gesamten Abteilung des SC Würzburg-Heuchelhof unter das Dach der Würzburger Kickers nicht großspurig. Auch nicht nach zwei spektakulären Transfers, die der Verein gegen Ende der Vorbereitung tätigte. Mit Kaiya McCullough und Arianna Veland wurden zwei ambitionierte Talente aus den USA verpflichtet. "Erst mal wird es für uns wichtig, Fuß in der zweiten Liga zu fassen und auf jeden Fall die Klasse zu halten, bevor wir dann in den nächsten Jahren den Weg nach oben in Richtung Bundesliga suchen", gibt Desic einen Einblick in die Nah- und Fernziele des Klubs.
Hochkarätige Gegner
Aber eins nach dem anderen. "Trotz der Euphorie muss man Realist bleiben", warnt Trainer Haubenthal, der große Ruhepool der FWK-Frauen: "Bei den hochkarätigen Mannschaften in der Liga müssen wir froh sein, wenn wir die Klasse halten." Gegnerinnen sind unter anderem die Zweitvertretungen der Bundesligisten FC Bayern München, TSG Hoffenheim und Eintracht Frankfurt sowie Bundesligaabsteiger 1. FC Köln.
Haubenthal muss jetzt das Kunststück gelingen, möglichst schnell aus der Aufstiegself und einem Dutzend Neuzugängen eine neue Einheit zu formen. "Der Fußball regelt immer viel selbst", meint er. Der Mix aus jungen und erfahrenen Spielerinnen ist in der Kaderzusammenstellung gut geglückt, findet der Coach. "Es ist immer gut, wenn Konkurrenzkampf da ist."
Was sein Team am Wochenende in Ingolstadt erwartet, kann er selbst nicht genau einschätzen. Die verfügbaren Infos zum Gegner fielen spärlich aus. "Einfach wird es nicht werden", ist er sich zumindest sicher: "Am Samstag werden wir sehen, wo wir stehen."