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BOXEN
Jacqueline Hatcher will auf die große Bühne
Jacqueline Hatcher, aufstrebende Boxerin aus Würzburg, fiebert den kommenden Kämpfen entgegen.
Foto: Jörg Rieger | Jacqueline Hatcher, aufstrebende Boxerin aus Würzburg, fiebert den kommenden Kämpfen entgegen.
Jörg Rieger
 |  aktualisiert: 02.07.2019 02:10 Uhr

Jacqueline Hatcher wird ganz und gar nicht mit Samthandschuhen angefasst. Doch sie bewegt sich, als hätte sie welche an den Füßen. Auf leisen Tritten umgarnt sie ihren Gegner, der bei diesem Vormittagstraining in der Zellerauer Sedanstraße seine Gestalt wechselt. Wahlweise geht Hatcher mit ihren weißen Handschuhen ins Duell mit der Luft, einen der Sandsäcke oder ihrem Trainer Tommy Schult.

Hatcher ist Boxerin. Mit 25 Jahren könnte ihr in diesem Sommer der Durchbruch gelingen. „Ich bin erst spät zum Boxen gekommen. Jetzt ist dieser Sport ein großer Teil meines Lebens“, sagt sie. Am kommenden Wochenende startet die Grombühlerin bei den bayerischen Meisterschaften in Eichstätt. Dort ist sie im Leichtgewicht (bis 60 kg) eine der Favoritinnen. Setzt sie sich durch, fährt sie zu den deutschen Meisterschaften nach Berlin. „Das wäre ein Traum“, sagt Hatcher.

Olympisches Flair

Erstmals suchen in der Bundeshauptstadt heuer zehn Sportarten gleichzeitig ihre Meister – darunter die Leichtathleten, Schwimmer, Turner und eben die Boxer. „Mit den unterschiedlichen Sportarten und Wettkampfstätten soll dort olympisches Flair aufkommen“, weiß Trainer Schult. Die Meisterschaften finden Anfang August binnen 48 Stunden statt – und werden auch im öffentlichen Fernsehen zu sehen sein.

Auf dieser Bühne also könnte sich Hatcher ins Rampenlicht boxen. Doch davor steht noch viel schweißtreibende Arbeit, die nicht immer Spaß macht. Die operationstechnische Assistentin muss jetzt mit einem Tennisball auf den Holzbrettern dribbeln. „Das ist für die Beinarbeit“, sagt Schult und tauscht kurzerhand die gelb-rosa Filzkugel gegen einen Reaktionsball aus. „Der ist bei den Boxern gar nicht beliebt.“ Denn durch seine Ausbuchtungen fliegt der Gummiball beim Prellen in alle möglichen Richtungen – nur nicht dahin, wo er soll. Hatcher hechtet ihm hinterher wie eine Gazelle.

Noch am Abend werden ihr echte Gegner aus dem eigenen Klub gegenüberstehen – und an diesem Samstag kommen Boxer aus halb Süddeutschland zum Training nach Würzburg – darunter allen voran Sparringspartner für die 25-Jährige. 32 Kämpfe hat die schlagfertige Boxerin bislang auf ihren Schultern; mehr als die Hälfte hat sie gewonnen. Sogar die Nationaltrainer haben bereits bei ihr angeklopft. „Da laufen zur Zeit Gespräche mit Ausbildungsberatern. Denn es ist wichtig, Job und Boxen unter einen Hut zu bekommen“, betont Schult.

Hund als artiger Beobachter

Schon bald könnten ihre ersten, landesweiten Lehrgänge anstehen; ihr Basislager will Hatcher aber in jedem Fall hier belassen. Sie, die mittlerweile in einer kleinen Wohnung in der Zellerau wohnt, betont: „Ich kann nicht einfach in eine andere Stadt umziehen. Da wäre ich zu weit weg von der Familie. Und was würde aus meinem Chihuahua werden?“ Der kleine Hund beobachtet sein Frauchen oft artig während des Trainings am Boxring.

Nur wenige hundert Meter von ihrer Trainingsstätte im Box-Team-Tommy entfernt, wartet am 14. Juli ein Highlight auf Hatcher. Beim traditionellen Kilianiboxen soll sie gegen Zeina Nassar antreten. Die 21-jährige Berlinerin ist amtierende deutsche Meisterin im Federgewicht (bis 57 kg). Einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden ist die gläubige Muslima, weil sie neben des obligatorischen Kopfschutzes mit einem Kopftuch in den Ring steigt – und dafür mit ihrem Sponsor Nike ein vielbeachtetes Werbevideo gedreht hat.

„Auf dieses Duell vor heimischem Publikum freue ich mich ganz besonders“, sagt Hatcher, die durch das Boxen viel Selbstbewusstsein aufgebaut hat: „Ich kann Mädchen nur raten, mal eine Kampfsportart auszuprobieren.“ Sie selbst hatte sechs Jahre lang eine schwere, prägende Zeit in den USA. Nach ihrer Rückkehr in die Heimat fing die Tochter einer Deutschen und eines Amerikaners 2013 mit dem Boxen an – und fand so ihre innere Ruhe.

Fast wie Schweben

Mit schnellen Links-Rechts-Oben-Unten-Haken versucht sie sich gegen Ende der Trainingseinheit an den schwarzen Handpratzen ihres Trainers. „Jacqueline kommt sehr über ihre starke Technik. Bei den letzten bayerischen Meisterschaften holte sie sich den Pokal für den schönsten Boxstil“, berichtet Schult. Zum Abschluss heißt es für Hatcher noch zwei Minuten lang Seilspringen vor dem Spiegel. Dabei springt sie kaum vom Boden hoch – fast so als würde sie mit Samthandschuhen an den Füßen über die Bretter schweben.

 
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