Wenn Bernd Hollerbach die Bilder sieht, leuchten seine Augen. „Das war eine geile Truppe damals“, sagt er über seine Zeit beim FC St. Pauli. 1990 war der in Rimpar aufgewachsene Hollerbach von den Würzburger Kickers aus der Fußball-Bayernliga zu den Hamburgern in die erste Bundesliga gewechselt. Bis 1995 absolvierte er 143 Partien für den Kiezklub. Am Montag (20.15, Flyeralarm Arena, live auf Sport 1) gibt es für den Trainer des FC Würzburger Kickers das Wiedersehen mit seinem ersten Profiverein. Die Partie gegen das Tabellenschlusslicht aus der Hansestadt wird für die Kickers „eine ganz heiße Kiste“, glaubt Hollerbach. Vor der Begegnung erinnert sich der 46-Jährige an alte Zeiten.
Bernd Hollerbach: Das kann man so sagen. Von solchen Spielen haben wir geträumt, als wir hier bei den Kickers vor nicht einmal drei Jahren mit unserem Projekt angefangen haben. Ich freue mich ganz besonders auf dieses Spiel, weil ich auf Pauli eine wunderbare Zeit hatte.
Als junger Spieler konnte ich mich dort entwickeln. Ich habe gleich den Sprung aus der dritten in die erste Liga geschafft. Ist doch klar, dass ich daran gerne zurückdenke.
Hollerbach: Das stimmt. Der Maisel Keller in Bamberg war damals eine Anlaufstelle. Die ganzen Amateurfußballer haben sich immer dort getroffen. Wirt Bubi Blum war ein Unikum und hat die ganze Szene zusammengehalten. Und er hatte einen guten Draht zum damaligen Pauli-Manager Herbert Lidtke. Er hat mich letztlich empfohlen. Und so bin ich im Dezember 1990 zum Probetraining nach Hamburg gefahren.
Hollerbach: Der damalige Trainer Helmut Schulte wollte mich gar nicht mehr weglassen. Ich habe drei Tage mittrainiert und gedacht, die werden sich irgendwann bei mir melden. Denkste! Als ich mich verabschieden wollte, hat Helmut Schulte gesagt: „Du bleibst hier!“ Ich sollte sofort mit auf die Geschäftsstelle und habe gleich einen Vertrag bekommen. Ich war zu der Zeit auch in Nürnberg beim Probetraining. Auch der Club wollte mich verpflichten. Aber Pauli war schneller.
Hollerbach: Sagen wir es so: Den Profifußball hatte ich mir anders vorgestellt (lacht). Aber die Umstellung war für mich dadurch nicht so groß. Da war vieles so wie bei den Kickers. Dort sind wir nach dem Training erst einmal zum Kartenspielen gegangen und dann um die Häuser gezogen. Auch beim FC St. Pauli war die Mannschaft eine verschworene Gemeinschaft, so etwas wie eine Familie, und Präsident Heinz Weiser war der Papa von allen. Das war noch nicht die Welt, wie ich sie später in Kaiserslautern oder beim HSV erlebt habe. Dort wurde viel mehr aufs Äußere wert gelegt. Dieses Schickimicki gab es bei St. Pauli nicht.
Hollerbach: Ja klar. Da war alles eins. Ob du nun Doktor warst oder ein Hausbesetzer aus der Hafenstraße, ob du grüne, rote oder normale Haare hattest. Da gab es keine Unterschiede. Sobald du da im Stadion warst, war Party angesagt. Dort war es urig. Da wurde das Bier durch die Reihen gelangt.
Hollerbach: Es ist immer noch besonders dort. Aber das alte Stadion war schon einmalig. Da waren die Kabinen offen – es gab keine Tür. Auch bei den Toiletten. Das war nicht so angenehm für alle. Das Erholungsbecken war so eine uralte Badewanne, da haben wir dann zu acht die Füße reingesteckt. Da wurde auch einmal ein Bier getrunken. Das wäre heute unvorstellbar. Gleich über der Kabine war die Stadionkneipe. Da ging es nach Siegen mit der Polonaise nach oben. In der Kneipe ist man dann nach den Spielen nicht durchgelaufen, sondern wurde auf Händen durchgereicht. So eng war es. Das war nicht wie heutzutage, wo du überall VIP-Räume in den Stadien hast. Das war einfach etwas ganz Besonderes. Trotzdem ist es toll zu sehen, welches Stadion jetzt am Millerntor steht.
Der Verein musste sich weiterentwickeln. Wir waren damals eigentlich kein richtiger Erstligist, genauso wie wir hier in Würzburg derzeit noch kein richtiger Zweitligist sind.
Hollerbach: Allerdings. Auch St. Pauli war damals eine gewachsene Mannschaft, die aus der Oberliga bis in die Bundesliga aufgestiegen ist. Auch dort hatten wir damals kein richtiges Trainingsgelände und haben irgendwo auswärtig trainiert. Da war eine Schulturnhalle dabei. Fußballerisch waren Einsatz und Mentalität wichtig. Da ist schon vieles ähnlich wie bei uns heute. Aber es ist auch wichtig, sich als Verein fortzuentwickeln. Ein paar Jahre kann man sich so auf diesem Niveau bewegen. Aber dann musst Du eben irgendwann die Infrastruktur und auch das Trainingsgelände schaffen, um mitzuhalten.
Hollerbach: Das hat mir weh getan. Denn ich habe mich stark mit dem Klub identifiziert Und dabei hatte es für mich ja so gut angefangen.
Hollerbach: Genau. Das war der Wahnsinn. Deutschland war damals gerade erst Weltmeister geworden. Bei den Bayern spielten damals, glaube ich, neun Weltmeister – und wir gewinnen 2:1. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich ausgewechselt wurde, ich glaube, es war in der 72. Minute. Ich hatte einen Krampf vom kleinen Zeh bis ins Ohrläppchen. Ich bin die ganze Zeit rauf und runter gerannt und der Trainer hat ständig gerufen: „Mach mal langsam.“ Aber ich war natürlich heiß ohne Ende. Halb Rimpar war damals im alten Olympiastadion, da sind einige Busse hingefahren. Ein Riesenerlebnis. Am Ende hat uns dieser Sieg aber nicht gutgetan. Wir waren sehr euphorisch danach. Da haben einige das Träumen begonnen und wir waren auch ein bisschen überheblich. Das ist mir bis heute eine Lehre. Man muss demütig bleiben. Ich habe, nachdem ich aus der Bayernliga gekommen war, in der Rückrunde gleich alle Spiele gemacht und war schnell einer der Führungsspieler. Ich hatte dann auch muskuläre Probleme, das war kaum verwunderlich. Aber wir haben damals versucht, den Schalter noch einmal umzulegen. Am Ende haben wir in der Relegation gegen die Stuttgarter Kickers verloren.
Hollerbach: Ja. Nach dem Abstieg war ich richtig down. Ich bin dann da geblieben, um wieder aufzusteigen. Ich war der Publikumsliebling. „Ho-Ho-Hollerbach“ hat damals das ganze Stadion gerufen. Das war Wahnsinn. Wenn man dort Einsatz bringt, wird man gefeiert. Die Leute sind sehr dankbar. Und dann sind wir aufgestiegen. Auf der Reeperbahn waren 70 000 Menschen. Wir haben dort drei Tage lang durchgefeiert. Das war für mich natürlich der perfekte Abschied.
Hollerbach: Ich hätte schon gleich zum HSV wechseln können, aber das habe ich erst einmal nicht getan – wegen der Rivalität zu St. Pauli. Dann bin ich in Lautern aber nicht zurechtgekommen, es hat einfach nicht gepasst. Das war schnell zu merken. Dann wurde Uwe Seeler HSV-Präsident und Felix Magath wurde Trainer – und ich war der erste Spieler, den die beiden verpflichtet haben.
Auch Pauli hätte mich zurückgeholt, aber für mich ging es eben auch darum, mich weiterzuentwickeln. Ich wollte schauen, ob ich auch bei einem größeren Klub spielen kann, ob ich es in die Champions League schaffe. Und so haben sie in St. Pauli dann nicht mehr „Ho-Ho-Hollerbach“ sondern „Ho-Ho-Hochverrat“ gerufen.
Hollerbach: Es war keine leichte Zeit. Denn auch für die HSV-Fans war ich zuerst einmal St. Paulianer. Nach dem Derby, als die Leute gesehen haben, dass ich auch gegen St. Pauli so richtig Gas gebe, hat sich das dann aber gegeben.
Hollerbach: Hamburg ist auch meine Heimat, genauso wie Würzburg. Da mache ich keinen Unterschied.