Manche Menschen können nicht lange gut ohne Sport leben. Heiko Karrer scheint so ein Mensch zu sein. Der Mann liebt und lebt Handball. „Ja, so ist es halt“, sagt er an diesem Mittwoch bei einem spontanen Besuch in der Redaktion und lacht. Der 46-Jährige hat Neuigkeiten mitgebracht: Wie erwartet wird er neuer Trainer des Handball-Landesligisten TG Heidingsfeld. Nur etwas früher als erwartet vielleicht. Bereits an diesem Freitag (20 Uhr) wird er die Hätzfelder Bullen im Auswärtsspiel beim SV Auerbach zum Abschluss des Jahres coachen. „Die Spatzen haben es ja schon länger von den Dächern gepfiffen. Jetzt haben der Verein und ich uns geeinigt. Ich habe in dieser Woche auch schon das Training geleitet“, berichtet er. Sein Vertrag läuft erst mal bis Ende der Saison, doch für beide Seiten ist klar: Es soll eine langfristige Zusammenarbeit werden.
Neues Amt für Manfred Wirth
„Heiko ist unser Mann für die Zukunft“, sagt TGH-Abteilungsleiter und Bullen-Manager Alexander Seelig. „Er ist nicht nur handballerisch eine Hausnummer, sondern auch menschlich ein Bombentyp. Wir wollten ihn schon vor eineinhalb Jahren verpflichten. Ich freue mich riesig, dass es jetzt geklappt hat.“
Karrer löst Artur Lichtlein als Interimscoach ab, der die Verantwortung nach dem Rückzug von Manfred Wirth Anfang Oktober übernommen hatte. Wirth indes bekleidet auch wieder ein Amt im Verein, wie Seelig bekannt gibt: „Er wird unser neuer Leiter Organisation und erstellt unter anderem ein Jugendkonzept für uns.“
Lichtlein war mit der Mannschaft in seinen sieben Spielen ungeschlagen. Daran will Karrer anknüpfen, denn das Saisonziel des Tabellendritten ist und bleibt der Aufstieg in die Bayernliga. „Auch wenn ich als Nachfolger von Artur erst mal nur verlieren kann“, scherzt Karrer. Er wirkt wie befreit. „Das bin ich auch“, sagt er.
Die vergangenen drei Monate waren keine einfachen für den verheirateten Vater einer 14- und einer elfjährigen Tochter, daraus macht er kein Geheimnis. Die fristlose Entlassung bei seinem Heimatverein TV Großwallstadt im September, gegen die er geklagt hatte, endete mit einem gerichtlichen Vergleich. „Eigentlich dachte ich: Diese große emotionale Enttäuschung muss ich erst mal sacken lassen. Ich hatte so viel Herz in die Arbeit dort investiert.“ Er sollte und wollte die Mannschaft zurück in die Zweite Bundesliga führen. Doch dann kam es nach Differenzen mit der Vereinsführung zum Bruch.
Der frühere Handballprofi, der in den 1990er Jahren nicht nur acht Jahre lang beim TVG, sondern auch bei den Traditionsvereinen SG Wallau-Massenheim und zur Jahrtausendwende beim TuSEM Essen unter Vertrag stand und 53 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft bestritt, bekam Angebote. Nicht nur von der TG Heidingsfeld, „auch höherklassige“, wie er verrät.
Ambitionierte Ziele
Doch zunächst brauchte er Abstand. Wollte sich auf seinen neuen Job beim Logistikunternehmen Top- Express in Aschaffenburg konzentrieren. Sich Zeit für seine Familie nehmen. Und bei Handballspielen nur noch zuschauen. Bis der B-Jugendtrainer seiner älteren Tochter bei der JSG Wallstadt aus gesundheitlichen Gründen aufhörte und Not am Mann war. Also half er für ein paar Wochen aus, „den Mädchen zuliebe“. Und merkte: „Es macht einfach Spaß. Jungen Menschen etwas beizubringen, die danach lechzen, besser zu werden, das hat mir schon immer gefallen.“ Dazu kam, „dass ich ständig angesprochen wurde auf den TVG. Dadurch konnte ich die Sache nicht wirklich abhaken. Also dachte ich mir: Ich schließe das alte Projekt ab, indem ich ein neues beginne.“
Und nun also die Hätzfelder Bullen. Ein ambitioniertes Projekt, das wie gemacht scheint für Heiko Karrer, der erfahren darin ist, Mannschaften kontinuierlich aufzubauen, nicht zuletzt dank seiner Arbeit als Jugendnationalcoach beim Deutschen Handballbund (2009-2013).
Davor hatte er die Rimparer Wölfe von der Landes- bis in die Dritte Liga geführt, die meiste Zeit als Spielertrainer (2006-2009), danach und zeitweise zeitgleich zur DHB-Jugend den Zweitligisten TV Hüttenberg betreut (2012-2014). „Die Vision, auch in Heidingsfeld etwas zu etablieren und mit dem Verein irgendwann höherklassig zu spielen, reizt mich. Das war letztlich ausschlaggebend, dass ich zugesagt habe.“
Karrer setzt bei der TGH auf „langfristige Kontinuität, solides Wachstum und den nachhaltigen Aufbau einer Mannschaft aus Talenten und Routiniers“. Den „Leitwolf“ in seinem neuem Team kennt er bereits bestens: Abwehrchef Julian Bötsch, der vor der Saison von den Wölfen zu den Bullen wechselte, coachte er schon damals in Rimpar. Vielleicht gelingt es den beiden ja, noch mal gemeinsam einen Erfolgsweg einzuschlagen.