
Beim FC Bayern München (darf man mit diesem Verein die Besprechung eines Buchs über den 1. FC Nürnberg überhaupt anfangen?) sagen sie "Mia san mia" um das Selbstverständnis eines Seriensiegers in Worte zu fassen. Beim 1. FC Nürnberg sind die Fans aus gutem Grund ein wenig bescheidener: "Der Glubb is a Depp" - granteln sie, wenn die Schwarz-Roten mal wieder irgendein Ereignis verdummt haben. Ein Sportjournalist der Nürnberger Abendzeitung soll den Satz erfunden haben. Harald Kaiser, selbigem Beruf 36 Jahre lang beim Fachblatt Kicker nachgegangen, hat ihn aufgegriffen, ins Hochdeutsche übersetzt und als Titel über diese 160 Seiten geschrieben, gefüllt mit 80 Momenten zwischen Bewunderung und Mitleid für einen Fußball-Verein, der zu leiden weiß.
Da steht, wie der Club im März 1992 das erste Mal nach seiner Meistersaison 1967/68 beim FC Bayern gewonnen hat - und danach bis heute nie mehr. Da steht auch, dass FCN-Präsident Michael A. Roth 2005 den Geistesblitz hatte, Lothar Matthäus als Nachfolger des gerade entlassenen Wolfgang Wolf beim abgeschlagenen Schlusslicht zu installieren, wie er damit ziemlich allein da stand und sich dem Zorn der Ultras ("wollt ihr uns verarschen?") beugen musste. Da steht aber auch Antikes von 1906: Als der Club, ermutigt durch ein strammes 7:0 gegen Britannia Berlin, es wagte nach Prag zu fahren, um die allmächtige Slavia herauszufordern - und mit 2:12 die schepperndste Pleite der gesamten Vereinsgeschichte kassierte.
Der 15-Minuten-Brasilianer Marcos Antonio Elias Santos
Es konnte auch nur dem Club passieren, 1922 nach unglaublichen 104 ungeschlagenen Spielen als amtierender Meister 2:3 ausgerechnet gegen die SpVgg Fürthzu verlieren. Oder mit allerlei Brimborium 2012 in Marcos Antonio Elias Santos einen Brasilianer von internationalem Format zu verpflichten, der bei seinem Debüt nach 24 Sekunden ein halbes Eigentor fabriziert, nach 15 Minuten runter muss und kein zweites Mal mehr eingesetzt wird.
Und selbstverständlich muss der Club dabei gewesen sein bei der wohl knappsten aller Titelentscheidungen - zu seinen Ungunsten natürlich: Am letzten Endrunden-Spieltag 1951 wähnte sich der FCN dank eines 4:1-Sieges über den HSV als Meister - doch dann gewann Preußen Münster bei Tennis Borussia Berlin durch sechs Tore in den letzten 18 Minuten noch 8:2 und hatte bei Punktgleichheit den um sieben Hundertstel (!) besseren Torquotienten. Was war er wieder mal, der Club? Richtig: ein Depp.
Harald Kaiser: Der Club ist ein Depp. 160 Seiten, Paperback. Verlag Die Werkstatt. ISBN 978-3-7307-0592-6. 18 Euro.