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Fußball
Fußball ohne Druck und Angst: Wie die FT Würzburg anders Fußball spielen will
Sind sie die Trendsetter im Würzburger Freizeitsport? Die Trainerin und das Team der FT Würzburg-Frauen passen sich an neue Anforderungen an. Wie das bisher klappt.
Glaubt an ein neues Modell des Freizeitsports: Susanne Mitlacher, Trainerin der Frauen-Hobbymannschaft der Freien Turner Würzburg.
Foto: Patty Varasano | Glaubt an ein neues Modell des Freizeitsports: Susanne Mitlacher, Trainerin der Frauen-Hobbymannschaft der Freien Turner Würzburg.
Kai Dunkel
Kai Dunkel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 15:18 Uhr

Einen neuen Trend aufspüren, sich wandelnden Anforderungen an die Freizeitgestaltung erfolgreich anpassen. Geht das heutzutage? Im Sport? Im Fußball? „Ja, klar!“, sagt Susanne Mitlacher. Die 35-Jährige ist Fußball-Trainerin bei der FT Würzburg. Aber sie trainiert keine gewöhnliche Frauenmannschaft. In ihrem Team kicken 18-Jährige und über 40-Jährige gemeinsam, spielen sich Ex-Leistungssportlerinnen und Anfängerinnen die Bälle zu, rennen um Slalomstangen, springen über Hütchen und spielen statt in einer Liga lieber ab und an gegen die „Alten Herren“ des Vereins. „Wir sind eben anders“, sagt Mitlacher.

"Hier kann man sich nicht blamieren"

Auch sie selbst entspricht nicht gängigen Klischees. Nicht im Privatleben, nicht als Trainerin. Und genau deshalb ist Susanne Mitlacher, die mit einer Frau verheiratet und Mutter einer zweijährigen Tochter ist, vielleicht die Richtige für diesen besonderen Trainerposten bei diesem außergewöhnlichen Team. Das wurde 2018 unter dem Dach der FT Würzburg gegründet. Gekickt wird nicht um Siege und Punkte, sondern vor allem wegen der Freude am Spiel und der Bewegung, also zum Spaß. „Aber ich halte schon richtiges Training ab“, stellt Mitlacher gleich klar. Alle Spielerinnen unter einen Hut zu bekommen, ist für die Führungskraft im Bereich Prozessmanagement bei der AOK kein Problem, im Gegenteil: „Wir bieten die Möglichkeit, reinzuschnuppern, selbst wenn du vorher nie gespielt hast. Es gibt keinen Druck, keine Angst. Hier kann man sich nicht blamieren. Und mit dem Fußballspielen kann man immer anfangen“, sagt Mitlacher. „Wir haben quasi eine Marktlücke entdeckt.“

Begonnen hat ihre Fußballleidenschaft in ihrer Geburtsstadt Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt). Zuerst kickte sie mit Kumpels auf der Straße, dann in der Jugend beim Chemnitzer FC, wo es ein Leistungszentrum des Deutschen Fußball Bundes (DFB) gab. Als sie 18 Jahre war, beendete allerdings eine Knieverletzung früh ihre Laufbahn. Doch auch wenn Mitlacher nicht mehr selbst spielen konnte, mit dem Fußball aufhören, wollte sie nicht. Sie fand eine neue Rolle durch die DFB-Ausbildung zur Trainerin, übernahm die Teamleitung der ersten Frauenmannschaft, in der sie Monate zuvor noch selbst gekickt hatte. Doch durch Weiterbildungen, Studium und Beruf hatte sie immer weniger Zeit, der Fußball rückte in den Hintergrund.

Per eBay-Kleinanzeige zum Trainerinnenposten

2015 zog sie nach Würzburg. Neuer Job, Heirat, Kind. Ihr Leben änderte sich wesentlich. „Ich habe mein Leben neu organisiert und gemerkt, dass ich plötzlich mehr Zeit habe.“ Sie besuchte alte Freunde, ging auf Reisen, holte vieles nach. Und merkte dann, „dass noch Kapazitäten für etwas anders da sind“. Und sich der Fußball im Kopf zurückmeldete. Irgendwann entdeckte sie eine eBay-Kleinanzeige, in der Spielerinnen für eine neue Hobbymannschaft gesucht wurden. „Ich habe hingeschrieben und gefragt: „Habt ihr eigentlich schon eine Trainerin?“ Hatten sie nicht. Und so wurde sie Trainerin dieses etwas anderen Teams.

Das Modell, nicht leitungsbezogen in einer Liga Fußball zu spielen, ganz ohne Verbindlichkeiten sportlich aktiv zu sein, war genau das richtige. „Das ist, glaube ich, das Zukunftsmodell. Ich merke sowohl auf der Arbeit als auch im Verein, dass gerade junge Menschen mehr Flexibilität beim Sport brauchen. Sie wollen nicht mehr diese Verbindlichkeit, dieses Sich-Rechtfertigen-Müssen, dieses Alles-Geben, wie es vielleicht früher mal war.“ Mitlacher findet, dass es dieses Format im Breitensport brauche: „Ich merke, wie es meine Mädels genießen, sich nicht rechtfertigen zu müssen, wenn sie nicht zum Training kommen.“ Donnerstags wird schnell per SMS gefragt, wer freitags kommen will. Sagt eine Mindestanzahl zu, wird trainiert.

Ob Professorin oder Hausfrau, schlank oder kräftig: Jede kann und soll mitmachen

Rund 25 Frauen sind aktuell im bunt gemischten Team: von 18 bis über 40 Jahren, von Professorin bis Hausfrau, von Ur-Fränkin bis Migrantin, von schlank bis kräftig. Jede kann und soll mitmachen. Mitlacher will ein Umfeld ohne Druck schaffen. „Was mich überrascht, ist, dass trotzdem jede ehrgeizig ist und ihr persönliches Ziel hat. Die wollen wirklich lernen, sich Dinge aneignen. Das finde ich cool. Wir haben schließlich keine Ziele wie etwa einen Aufstieg.“

Stattdessen zählt etwa Zwischenmenschliches: „Wir wollen auch Begegnungsort sein“, sagt Mitlacher. Einige gehen nach dem Training noch ins Vereinsheim. Andere treffen sich auf WG- oder Geburtstagsfeiern. Es sind sogar Freundschaften entstanden. Auch Spiele der Frauennationalmannschaft werden ab und an zusammen geguckt. Deren Abschneiden hat auch Auswirkungen auf den Hobbybereich. „Nach der EM letztes Jahr habe ich schon gemerkt, dass mehr Nachfragen kommen. Hoffentlich flacht das Interesse jetzt nach dem frühen WM-Ausscheiden nicht ab“, sagt Mittlacher. „Es geht bei unserem Team ja vor allem um Spaß und Bewegung.“ – eben um mehr, als „nur“ um Fußball.

Interessierte finden Informationen im Internet unter www.ft-wuerzburg.de. Das Training findet in der Regel freitags, 17.30 Uhr, auf dem FT-Sportplatz in der Mergentheimer Straße in Würzburg statt.

 
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