zurück
Würzburg
Reitstetter: Fußball-Verband hat richtig gehandelt
Wenn der Ball am Wochenende wieder rollt, wird vieles anders sein als gewohnt. Bezirksspielleiter Bernd Reitstetter spricht über Einschränkungen, Auflagen und Szenarien.
Auf den Schulterschluss mit den Zuschauern brauchen die Amateurfußballer in Bayern vom kommenden Wochenende an nicht mehr zu verzichten. So ausgelassen wie hier bei einem Entscheidungsspiel in Burglauer wird es vorerst aber kaum zugehen.
Foto: Anand Anders | Auf den Schulterschluss mit den Zuschauern brauchen die Amateurfußballer in Bayern vom kommenden Wochenende an nicht mehr zu verzichten.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:26 Uhr

Bernd Reitstetter wird vermutlich nicht am Fußballplatz sein, wenn der Spielbetrieb an diesem Wochenende nach sechs Monaten Stillstand wieder Fahrt aufnimmt. Der unterfränkische Bezirksspielleiter (53) genießt derzeit seinen Urlaub, nahm sich aber dennoch Zeit für ein Gespräch, in dem sich vieles um Einschränkungen, Auflagen und Szenarien dreht. Am Ende ging es auch um den Ärger, den der Bayerische Fußballverband (BFV) mit vielen Vereinen bekam, weil er sich als einziger Landesverband entschieden hat, die Saison fortzuführen und nicht abzubrechen. Nachdem beim ersten Anruf auf dem Handy die Mailbox angesprungen ist, meldet sich Reitstetter wenige Minuten später selbst.

Bernd  Reitstetter: Hallo, hier ist Reitstetter (im Hintergrund läuft das Online-Seminar des BFV). Wer stört mich im Urlaub?

Oh, das tut mir leid. Aber Ihr Urlaub ist denkbar schlecht gewählt. Denn am Wochenende soll es in Unterfranken mit der ausgesetzten Fußballrunde weitergehen. Und da gäbe es schon noch ein paar Fragen an Sie als Bezirksspielleiter.

Reitstetter: Ja, das passt schon. Legen Sie los! 

Die Corona-Fallzahlen steigen gerade wieder, vor allem in Würzburg. In dieser Situation startet in Bayern der Fußball-Spielbetrieb. Keine glückliche Konstellation, oder?

Reitstetter: Ich gebe Ihnen Recht. Aber wir sind in dieser Sache auf die bayerische Staatsregierung angewiesen, die den Spielbetrieb ab 19. September freigegeben hat. Dazu liefen in dieser Woche Online-Seminar für die Vereine. Es kann uns natürlich passieren, dass in Würzburg das Gesundheitsamt hergeht und für Stadt und Landkreis ein Spielverbot ausspricht.

Wenn die letzte Entscheidung bei den örtlichen Behörden liegt, besteht da nicht die Gefahr, dass die Sache zum Flickenteppich ausfranst.

Reitstetter: Ja, aber die Alternative wäre, dass der Spielbetrieb komplett ausfällt. Kein Verein im Bayerwald würde verstehen, dass ein Spieltag abgesetzt wird, wenn die Fallzahlen in Würzburg hoch, in seinem Bereich aber niedrig sind. Sollten in einzelnen Landkreisen keine Spiele erlaubt sein, hat der Spielleiter die Möglichkeit, ganze Spieltage einer Liga abzusetzen.

Wann wäre es denn so weit, dass Spieltage komplett abgesetzt werden?

Reitstetter: Das hängt von der Zahl der betroffenen Spiele ab. Als Spielleiter bin ich froh über jedes Spiel, das ich durchbekomme.

Wie ist die aktuelle Corona-Lage bei den unterfränkischen Vereinen?

Reitstetter: Ich kenne den Fall von Leinach, der ja schon öffentlich ist. Und ich weiß – Stand Mittwoch – von zwei, drei Verdachtsfällen in zwei weiteren Vereinen aus Würzburg und Main-Spessart. Mir wird aber nicht jeder einzelne Fall gemeldet.

Bezirksspielleiter Bernd Reitstetter im Frühjahr 2019 beim Besuch eines Fußballspiels in Marktbreit. 'Sobald der Ball  rollt, ist für mich der Job erst einmal getan.' 
Foto: Hans Will | Bezirksspielleiter Bernd Reitstetter im Frühjahr 2019 beim Besuch eines Fußballspiels in Marktbreit. "Sobald der Ball  rollt, ist für mich der Job erst einmal getan." 
Lassen Sie uns das Szenario mal durchspielen: Was passiert konkret, wenn es in einer Mannschaft einen positiven Corona-Befund gibt?

Reitstetter: Das hängt davon ab, was die lokalen Gesundheitsbehörden entscheiden. Muss die ganze Mannschaft in Quarantäne, bleibt uns nichts anderes übrig, als die Spiele dieser Mannschaft abzusetzen. Wenn nur ein einzelner Spieler betroffen ist, wird das wie ein normaler Verletzter gewertet und das Spiel nicht abgesetzt. Bei mehreren Spielern sieht es schon wieder anders aus. Wichtig ist: Der Verein muss das nachweisen können. Es reicht nicht, wenn jemand vom Verein bei mir anruft und sagt: Wir haben einen Verdachtsfall. Um ein Spiel abzusetzen, brauche ich die behördliche Anordnung.

Sonst?

Reitstetter: Sonst ist der Manipulation Tür und Tor geöffnet. In Leinach zum Beispiel hat das Gesundheitsamt die ganze Mannschaft in Quarantäne geschickt. Da setze ich am Wochenende natürlich kein Spiel an. Wir wollen aber vermeiden, dass die Lage ausgenutzt wird. Im Bezirk haben wir erfahrene Spielleiter, die das Ganze mit Augenmaß und Weitblick beurteilen werden.

Die Richtlinien sehen vor, dass bei Amateurspielen maximal 200 Zuschauer zugelassen werden, bei Sportanlagen mit Sitzplätzen dürfen es bis zu 400 Besucher sein. Müssen die – wie in der Gastronomie – alle namentlich erfasst werden?

Reitstetter: So haben wir es Anfang der Woche dem Ministerium vorgeschlagen. Für die Vereine gibt es auch die Möglichkeit, Besucher digital mit Registrier-Tools zu erfassen. Wenn das Kontingent von 200 erreicht ist, darf keiner mehr rein.

Die Vereine könnten den Zugang über Voranmeldung steuern.

Reitstetter: Wenn sie das so regeln wollen, können sie es gerne tun. Wir vom Verband dürfen und wollen das nicht beeinflussen.

In der Haftung sind in jedem Fall die Vereine?

Reitstetter: Ja, aber das war schon immer so. Der Verband setzt den Rahmen, organisiert den Spielbetrieb, aber er trifft keine Regelungen etwa zu Zugangskontrollen. Manche Fragen sind auch noch nicht abschließend beantwortet. Was mache ich zum Beispiel bei einem Spitzenspiel – nehmen wir Haibach gegen Vatan Spor Aschaffenburg in der Landesliga? Erster gegen Zweiter, noch dazu ein Lokalderby. Beide Klubs haben keine Sitzplatz-Tribüne . . .

Das heißt, maximal 200 Zuschauer.

Reitstetter: Richtig. Muss ich jetzt das halbe Kontingent an Zuschauern dem Gegner zur Verfügung stellen? Oder kann ich alle 200 Karten an meine Mitglieder geben? Ich muss mich selbst erst in die ganzen Richtlinien einlesen.

Wie haben Sie die vergangenen sechs Monate verbracht?

Reitstetter: Ich arbeite im Außendienst, und für einen Außendienstler gibt es nichts Schlimmeres, als nur zu Hause zu sitzen, wie es bei mir von Mitte März bis Anfang Juni der Fall war. Das ist beruflich gerade auch nicht einfach. Und was meine Arbeit für den BFV angeht: Ich will mich nicht beklagen, ich mache das ja gerne. Aber was ich seit März für den Verband an Stunden abgerissen habe, war schon enorm, allein für das Modell Ligapokal. Ich musste meine Auf- und Abstiegsregelung ändern. Das macht man nicht so zwischen Tür und Angel, das muss ja rechtlich abgesichert sein.

Sicherlich haben Sie auch die Aufregung in den Vereinen über den bayerischen Sonderweg miterlebt. Der BFV hat sich als einziger deutscher Landesverband entschieden, die Saison fortzusetzen. Können Sie die Kritik vieler Klubs nachvollziehen?

Reitstetter: Ich kann das nachvollziehen. Aber die Frage muss ich mit einer Gegenfrage kontern: Was wäre, wenn wir die Runde abgebrochen hätten? Schauen Sie sich andere Landesverbände an. In Berlin laufen Klagen gegen den Fußballverband, weil er die Saison abgebrochen hat und die ersten Zwei in jeder Klasse hat aufsteigen lassen. Jetzt muss die Runde dort verkürzt werden, um zeitlich durchzukommen. Hätten wir abgebrochen, könnten wir bis heute noch nicht wieder spielen. Wir fangen am 19. September an, am 16. Mai 2021 muss die Runde wegen weitergehender DFB-Termine zu Ende sein. Jetzt stellen Sie sich die Bezirksligen mit jeweils 18 Teams vor, das wären 34 Spieltage. Wie soll das gehen?

Diese Frage müsste man den anderen Verbänden stellen, die alle einen anderen Weg als Bayern gewählt haben.

Reitstetter: Ja, die spielen dann wie in Berlin eine einfache Runde. Ich finde, Bayern geht einen praktikablen Weg. Sie haben die Lage in Würzburg angesprochen: Steigen die Fallzahlen weiter, kann es durchaus passieren, dass das Gesundheitsamt den Spielbetrieb verbietet. Und dann? Mit dem jetzigen Modell haben wir die größtmögliche Flexibilität. Bis Mai nächsten Jahres muss ich noch elf Spieltage durchbringen, und den Ligapokal im Frühjahr kann ich – so ist es festgelegt – jederzeit kürzen. Hätte ich allerdings eine komplette Runde mit 34 Spieltagen unterzubringen, müsste ich fast jeden Mittwochabend spielen lassen. Das geht schon deshalb nicht, weil nicht jeder Platz über Flutlicht verfügt. Und erzählen Sie mal der Mannschaft des TV Wasserlos, dass sie unter der Woche abends in Kitzingen antreten muss.

Auf den bayerischen Verbandspräsidenten Rainer Koch waren zu Beginn der Corona-Pandemie die  Blicke der Fußballer und Klubfunktionäre gerichtet. Hat er in der Krise alles richtig gemacht?
Foto: ThomasBoecker | Auf den bayerischen Verbandspräsidenten Rainer Koch waren zu Beginn der Corona-Pandemie die  Blicke der Fußballer und Klubfunktionäre gerichtet. Hat er in der Krise alles richtig gemacht?
Also haben der Verband und sein viel gescholtener Präsident Rainer Koch alles richtig gemacht.

Reitstetter: Nach jetziger Lage, ja. Es kann doch keiner sagen, wie man das anders durchziehen soll. Selbst hier in Unterfranken wird es so sein, dass Kommunen den Spielbetrieb zeitweise untersagen. Ich will nicht behaupten, dass das, was wir beim BFV uns ausgedacht haben, das Patentrezept ist. Aber unter den gegebenen Umständen können wir jetzt einfach am besten reagieren. Was passiert, wenn in ganz Bayern die Fallzahlen wieder drastisch steigen? Da kommen wir irgendwann wieder zu dem Punkt, dass wir abbrechen müssen. Bloß hätten wir dann zwei Runden zerschossen.

Vielleicht hätte der BFV sein Vorgehen einfach besser erklären müssen und behutsamer handeln sollen. Die Vereine fühlten sich vielfach überfahren.

Reitstetter: Diesem Eindruck will ich gar nicht widersprechen. Aber Intention unseres Präsidenten war, den Vereinen schnellstmöglich maximale Planungssicherheit zu geben. Deshalb auch die klare Ansage, die Runde nicht vor dem 1. September fortzusetzen. Die Gegner einer Fortsetzung hätten dann Recht behalten, wenn wir im Juli wieder normal hätten spielen können. Nach heutigem Anschein haben wir alles richtig gemacht, was jetzt nicht besserwisserisch klingen soll. Keiner hat gewusst, wie die Dinge sich entwickeln: Sie nicht, ich nicht und auch nicht ein Rainer Koch.

Wie sieht es in Ihrer Gefühlswelt vor dem Neustart aus? Ist da Freude, oder überwiegt die Skepsis?

Reitstetter: Da fragen Sie den Falschen. Ich freue mich, dass die Vereine wieder Fußball spielen können. Aber sobald der Ball rollt, ist der Job für mich erst einmal getan. Ich kann mich dann zurücklehnen und warten, was passiert.

Werden Sie selbst am Wochenende auf den Fußballplatz gehen?

Reitstetter: Ich bin erstens im Urlaub und möchte zweitens keinem Zuschauer einen Platz wegnehmen. Der BFV-Vorstand hat Anfang der Woche beschlossen, dass jeder Verein maximal zehn Offizielle des Verbands rein lassen muss. Denn gerade am Anfang ist die Lust auf Fußball vielleicht groß, und es kann nicht sein, dass bei einem Spiel mit maximal 200 Zuschauern plötzlich 70, 80 Funktionäre des BFV stehen. Deshalb werde ich mich mit Besuchen zurückhalten.

Die  wesentlichen Punkte zum Neustart

Worauf gilt es zu achten, wenn die Fußballsaison am Wochenende fortgesetzt wird.  Wir haben einige wesentliche Punkte zusammengefasst: 
Personen mit verdächtigen Symptomen müssen die Sportstätte umgehend verlassen.
Zugelassen sind maximal 200 Zuschauer, die den Mindestabstand von 1,5 Metern zueinander einhalten müssen.  In diesem Fall gilt keine Maskenpflicht. Es können bis zu 400 Zuschauer zugelassen werden, sofern diese alle auf gekennzeichneten Sitzplätzen untergebracht werden.
Der Verband empfiehlt Vereinen, Eintrittskarten im Vorverkauf anzubieten, um die Situation am Spieltag zu entzerren und Planungssicherheit zu gewinnen.
Von jeder am Training und Spielbetrieb teilnehmenden Person (Spieler, Funktionäre, Zuschauer) müssen die Kontaktdaten erfasst werden: der Name und die sichere Erreichbarkeit per Telefon, E-Mail oder Adresse.
Die Sportstätte wird in drei Zonen eingeteilt, die voneinander zu trennen sind: Zone 1 Innenraum/Spielfeld, Zone 2 Umkleidebereiche, Zone 3 Zuschauerbereich. Das Vereinsheim fällt unter keine der drei Zonen und ist separat zu sehen. In Umkleiden ist jederzeit Maske zu tragen.
Kein gemeinsames Einlaufen, kein Abklatschen und kein gemeinsames Jubeln auf dem Spielfeld.
Quelle: BFV
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Eike Lenz
Bayerischer Fußball-Verband
Bundesamt für Verfassungsschutz
Fußball
Fußball-Verbände
Fußballfelder
Gesundheitsbehörden
Landesverbände
Ligapokal
Mailboxen
Quarantäne
Rainer Koch
Spielfelder
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top