Eine Saison für die Geschichtsbücher haben die Korbjäger von ratiopharm Ulm bislang aufs Parkett gezaubert. 28 Siege am Stück – den Erfolg gegen das insolvente Phoenix Hagen mit eingerechnet – hatten die Spatzen bis vergangenes Wochenende hingelegt und damit einen neuen Liga-Rekord aufgestellt. Die stolze Serie riss am Sonntag mit der 68:83-Heimniederlage gegen den FC Bayern. Dennoch wird der aktuelle Vize-Meister aller Wahrscheinlichkeit nach als Hauptrunden-Erster in die Play-offs gehen – ein Novum in der Historie des Klubs, der 2001 in der Zweiten Liga einen Neustart wagte (lesen Sie dazu auch „Das Besondere“) und 2006 in die Basketball-Bundesliga (BBL) zurückkehrte, nachdem der Vorgänger-Verein SSV Ulm 1846 Insolvenz anmelden musste.
Der Trainer
Seit 2011 hält Thorsten Leibenath das Zepter bei den Ulmern in der Hand – und ist damit der dienstälteste Cheftrainer der Liga. Der 42-Jährige, bereits 2011 zum „BBL-Trainer des Jahres“ gewählt, ist maßgeblich für den Aufstieg des Klubs zu einer der Top-Adressen des deutschen Basketballs verantwortlich. Neben zwei Vize-Meisterschaften 2012 und 2016 führte der gebürtige Leverkusener die Ulmer zweimal ins Pokal-Finale (2013 und 2014).
Der ersehnte erste Titel fehlt Leibenath, der einen Vertrag bis 2019 an der Donau besitzt, und dem Verein allerdings noch.
Der Schlüsselspieler
Wenn die Frage nach dem „wertvollsten Spieler (MVP)“ gestellt wird, fällt sein Name fast zwangsläufig: US-Center Raymar Morgan ist mit durchschnittlich 18,9 Punkten nicht nur der Top-Scorer der Liga, auch sein Effektivitätswert von 20,9 ist unerreicht. Das 2,05 Meter große, 105 Kilogramm schwere Kraftpaket besticht mit enormer Athletik und Physis unter den Körben und strahlt darüber hinaus mittlerweile auch Gefahr als Distanzwerfer aus. Starke 42,9 Prozent seiner Drei-Punkte-Würfe finden ihr Ziel. Und was macht der 28-Jährige, wenn es wie gegen den FC Bayern (11 Punkte, 0/2 Freiwürfe) mal nicht rund läuft? Er geht kurz duschen und fährt schnurstracks ins Trainingszentrum, um dort eine Serie von Würfen zu nehmen – MVP-verdächtig!
Die Bilanz
Zwei Siege und zehn Niederlagen: Die Bilanz von s.Oliver Würzburg gegen ratiopharm Ulm könnte düsterer kaum sein. In der s.Oliver Arena gab es einzig im allerersten Aufeinandertreffen am 5. November 2011 einen Sieg (61:59), vergangene Saison siegten die Baskets am ersten Spieltag überraschend mit 86:78 in der ratiopharm arena. Ansonsten aber gab es für die Würzburger wenig zu holen, weder in der Play-off-Halbfinalserie 2012 noch in den letzten Aufeinandertreffen, die die Ulmer deutlich mit 100:82 in der Rückrunde der vergangenen Saison und 98:75 im Hinspiel am 21. Dezember für sich entscheiden konnten.
Das Besondere
Das Vertrauen ineinander muss groß gewesen sein, als der Arzt Dr. Thomas Stoll und der Unternehmer Andreas Oettel am 17. August 2001 mit zwei schnell wieder ausgeschiedenen Mitstreitern die „BBU ?01 GmbH“ gründeten, die dem am Boden liegenden Ulmer Basketball auf die Beine helfen sollte. Beide kannten sich zu diesem Zeitpunkt gerade einmal zwei Wochen – doch es war der Beginn einer atemberaubenden Erfolgsgeschichte. „Als wir anfingen, haben die Frauen im VIP-Raum Brötchen geschmiert“, erinnerte sich Stoll jüngst in einem „spoxx.
de“-Porträt, und Oettel ergänzte: „Als wir im Hotel Zimmer für die Schiedsrichter buchen wollten, wurden wir um Vorkasse gebeten.“ Der Rest der Geschichte ist bekannt, als Meilenstein für die Entwicklung des Klubs gilt der Umzug in die „ratiopharm arena“ im Dezember 2011. In allen 115 (!) BBL-Partien war die 6200 Zuschauer fassende Halle seitdem ausverkauft. TExt: Stefan Mantel
