30 Jahre alt wird die Frauen-Bundesliga im Fußball in diesem Jahr. Ein Jubiläum, bei dem Petra Landers einmal mehr das erlebt, was sie schon oft erlebt hat: Sie und ihre Kameradinnen werden einfach vergessen. "Ich habe gehört, irgendwo wird 30 Jahre Frauenfußball-Bundesliga gefeiert. Nicht einmal ein Brief an uns. Schade, dass wir ignoriert werden; wir, die es geschafft haben, dass es eine Frauen-Nationalmannschaft gibt; wir, die es geschafft haben, dass eine Bundesliga eingeführt wurde", schreibt sie auf ihrem Instagram-Account.
Inoffizielle Weltmeisterschaft 1981
Ja, Petra Landers war von Anfang an dabei. Und sie ist es gewohnt, nicht gesehen zu werden. 1981 etwa, als sie mit der SSG 09 Bergisch-Gladbach nach Taiwan flog, um an der inoffiziellen Weltmeisterschaft teilzunehmen, da interessierte das beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) niemanden. Zumindest so lange nicht, bis das Team des deutschen Meisters den Titel holte und sich die Offiziellen daraufhin entschlossen, dann eben doch eine Frauen-Nationalmannschaft zu gründen. 1982 war das, zwölf Jahre, nachdem das Verbot für Frauenfußball wieder aufgehoben worden war, mit dem der DFB seit 1954 seinen Vereinen untersagt hatte, "Damenfußball-Abteilungen" zu gründen. "Wir waren so stolz damals, stolzer ging es gar nicht mehr. Plötzlich durften wir offiziell für Deutschland spielen", erinnert sich Petra Landers heute.
Sieben Jahre später gewannen sie und ihre Kameradinnen die Europameisterschaft im eigenen Land – und am liebsten hätte der Verband auch dieses Ereignis wohl übersehen: Als Dankeschön bekamen die "Damen" ein Tafelservice, das heute Kult-Charakter hat. "Ich packe das gar nicht mehr aus. Das steht in Kisten auf dem Dachboden, damit ich es verschicken kann, wenn es mal wieder irgendwo ausgestellt werden soll", sagt die 57-Jährige und lacht. Inzwischen ist sie stolz auf das Präsent: "Hätte ich Geld bekommen, hätte ich das heute nicht mehr. Das Service ist immer noch da."
Es ist eine von vielen Anekdoten, Abenteuergeschichten und Erfahrungsberichten, die sie mit einer kleinen Gruppe Fußballerinnen vom SC Würzburg teilt. Sie sind zusammengekommen zu einem Projekt, bei dem sie Wikipedia-Einträge über deutsche Fußball-Nationalspielerinnen erstellen wollen, für die es bisher keine gibt. Petra Landers ist als Zeitzeugin geladen. Dabei ist die sportliche Frau weit mehr als das. Wie sie spricht, was sie erzählt, das soll den jungen Mädchen Mut machen, sie auf ihrem Weg bestärken.
"Setze dir ein Ziel und du erreichst so viel für dich", sagt sie etwa und erzählt von einem ihrer aufregendsten Erlebnisse: einem Fußballspiel im Krater des Kilimandscharo. Der höchste Berg Afrikas ist 5885 Meter hoch und der Kick auf 5715 Metern ein Weltrekord. Aufgestellt hat ihn Petra Landers im Jahr 2017 gemeinsam mit 30 Fußballerinnen aus 20 Ländern. Dazu aufgerufen hatte die Initiative "Equal Playing Field", die sich für die Gleichstellung von Mädchen und Frauen im Sport engagiert. "Ich war lang nicht mehr so fit und glücklich wie damals", sagt die ehemalige Nationalspielerin, die sich mit täglichen Läufen und einer speziellen Atemmaske auf das Abenteuer vorbereitete. Ein Höhentrainingslager konnte sie sich nicht leisten und die Reise kostetet sie sowieso schon an die 5000 Euro. Wert war sie aber jeden Cent, weil es ein Projekt für Mädchen und Frauen auf der ganzen Welt war. Mit dem Ziel, zu zeigen: Wir können alles erreichen. Die Eindrücke, Ausblicke, Erfahrungen – sie waren sowieso unbezahlbar.
Sieben Tage lang ging es bei eisiger Kälte den Berg hoch. Zwei Spielerinnen mussten im Camp auf 4800 Metern Höhe zurückbleiben, weil sie unter der Höhenkrankheit litten. Petra Landers gehörte nicht dazu. In der letzten Nacht vor dem Spiel liefen sie und die anderen um 2.30 Uhr los Richtung Krater, bei minus 20 Grad, von 4800 Metern auf 5715 Meter. Sherpas bauten im Krater die Tore zusammen und streuten die Linien mit Mehl, dann begann die Partie unter der Aufsicht von Fifa-Schiedsrichterinnen. Petra Landers stand 35 Minuten auf dem Feld, im Anschluss ging es für sie und das Team in einem zweistündigen Marsch zum Gipfel und wieder hinab zum Lager: "Das war die extremste körperliche Aktivität, an der ich je teilgenommen habe. Und ich bin so stolz darauf."
Nicht weniger stolz als auf ihre Karriere, die ihr den Sieg bei der Europameisterschaft, vier deutsche Meistertitel und den Vereinspokal mit Bergisch-Gladbach eingebracht hat. Außerdem jede Menge Spaß. Ein wertvolleres Gut als all das Geld, das Profispieler heute bekommen. Dennoch: "Ein bisschen Anerkennung für das, was ich mache und gemacht habe, hätte ich mir schon gewünscht. Wünsche ich mir noch immer", sagt Petra Landers. Verbittert ist sie deshalb nicht. Im Gegenteil. Heute versucht sie anderen zu geben, was ihr verwehrt wurde. Sie will jungen Mädchen Mut zu machen und ihnen Perspektiven eröffnen – nicht nur in Würzburg, sondern besonders gerne in Afrika.
Bei einem Turnier für Frauen-Fußballteams aus benachteiligten Ländern, bei dem die Bochumerin in der "Discover Football"-Jury saß, lernte sie 2010 ein Team aus Sambia kennen. Singend und mit leuchtenden Augen kamen die Frauen auf den Platz. Das begeisterte Petra Landers. 2014 flog sie erstmals nach Afrika und trainierte dort eine Woche lang mit acht Mannschaften aus sozialen Randgruppen. Es war nicht das letzte Mal. Jahrelang finanzierte sie die Arbeit aus eigener Tasche, heute ist sie für die Organisation "Street Football World" unterwegs und leitet Workshops, die Mädchen stark machen sollen – auch abseits des Fußballplatzes: "In Sambia sind die Menschen so herzlich und ich fühle mich einfach glücklich, wenn ich da bin."Schon an diesem Freitag geht es für sie wieder dorthin. In ein Land, in dem ihre Hilfe dringend gebraucht wird – und in dem sie irgendwann einmal zu Hause sein möchte.