Wie wenig andere Leichtathleten der Region haben Otto Knarr (früher DJK Würzburg) und Hubert Karl (TV Ochsenfurt) zu ihrer aktiven Zeit ihren Sport weit über die unterfränkischen Grenzen hinaus bekannt gemacht. Am Rande des 26. Würzburger Residenzlaufes trafen sie sich unlängst wieder. Mit dabei war auch Hubert Karls Neffe Patrick, der sich ebenfalls anschickt, unterfränkische Leichtathletik-Geschichte zu schreiben.
Otto Knarr (Jahrgang 1947) begann als 14-Jähriger mit der Leichtathletik, nachdem er sich mehr oder weniger erfolgreich im Schüleralter beim Fußballspielen versucht hatte. Die Technik war mangelhaft, aber dafür erkannte man schon früh, dass er über ein großes Ausdauervermögen verfügte. Ein Glücksfall für den Jungen, dass er Aufnahme in der Trainingsgruppe von Paul Zierlein bei der DJK Würzburg fand. Schnell stellten sich regionale Erfolge ein. Großer Wille und Trainingsfleiß gepaart mit einer Robustheit, die man im Mittelstreckenlauf benötigt, bescherten ihm vor 50 Jahren den Titel über 1500 Meter bei den deutschen Jugendmeisterschaften in Schweinfurt. Danach ging es Schlag auf Schlag. Dem deutschen Meistertitel 1965 ebenfalls über die dreieinhalb Stadionrunden folgte der erste Titel eines bayerischen Junioren bei einer Europameisterschaft.
Otto Knarrs schönste Tage
Der 24. und der 25. September 1966, sie waren wohl die schönsten Tage für den 1,72 Meter großen und immer lustigen gebürtigen Iphöfer Otto Knarr. Der Deutsche Leichtathletikverband (DLV) hatte geplant, zwei Tage zuvor mit einem 21-köpfigen Aufgebot zu den ersten Europäischen Junioren-Spielen nach Odessa zu fliegen. Doch nicht alles lief wie geplant. Neben den Teams aus Frankreich, Italien, Niederlande und Österreich mussten auch die DLV-Athleten 27 Stunden auf den Abflug der russischen Aeroflot-Maschine warten. Die aufkommende Tristesse wusste vor allem einer zu lindern. „Die Stimmung war trotz allem gut, hauptsächlich sorgte der Unterfranke Otto Knarr für so manch Späßchen“, schrieb der damalige Berichterstatter Gustav Schwenk. Das Mundwerk des gelernten Buchdruckers Knarr ging unaufhörlich, er verlor nicht einen Augenblick seinen Humor, so die Zeitzeugen.
Endlich in Odessa angekommen, wurde die deutsche Equipe auf dem 14 000-Tonnen-Schiff „Sieg“ untergebracht. Scheinbar ein gutes Omen: Erst gewann Bernd Jakob über 100 m, dann Joachim Eigenherr über 200 m. Und der 19-jährige Otto Knarr zeigt über 1500 m Hindernis, dass er nicht nur mit dem Mundwerk Außergewöhnliches zu leisten vermochte. „Er beherrschte seine Gegner stets, lief nur an der Spitze und krönte seinen Sieg mit einem furiosen 300-m-Schlussspurt“, schrieb Gustav Schwenk („Leichtathletik“ 40/66).
Nicht genug der Taten des Unterfranken. Am Tag danach musste er noch einmal ran – und zwar über 3000 m. Der dafür nominierte Uli Brugger konnte aufgrund einer Fußverletzung nicht starten, also sprang Knarr kurzfristig für den schlanken Stuttgarter ein. Bis zur letzten Kurve sah es sogar so aus, als würde der Würzburger sogar sein zweites Gold holen. Auf der Zielgeraden musste er jedoch dem kräftezehrenden Lauf des Vortages Tribut zollen. Am Ende belegte er in neuer persönlicher Bestzeit von 8:25,2 Minuten dennoch einen tollen fünften Rang.
Gepriesen als eines der größten Lauftalente nach Harald Norpoth (Olympiasilber über 5000 m 1972 in München) verbesserte sich Knarr über 800 und 1500 m in den folgenden zwei Jahren noch. Doch offenbar kam er mit all den großen Vorschlusslorbeeren nicht wirklich zurecht. Die Bundeswehr und der allzu intensive Genuss von Vergnügungen aller Art hemmten eine Weiterentwicklung zu einem der ganz Großen der Leichtathletik. Als er 1968 durch eine Verletzung fast ein Jahr außer Gefecht gesetzt wurde, verlor er für immer den Anschluss zur Spitze.
Was ihm blieb, ist die Erinnerung an diese schöne Zeit und nach Jahren voller „Lebenshindernisse“ die Lust an der Bewegung. Mittlerweile 40 Kilogramm schwerer als zu seiner besten Zeit, nahm er auch heuer beim Residenzlauf wieder die Gelegenheit wahr, über 5 km an den Start zu gehen (29:13 Minuten). Davor freilich nutzte er die Gunst der Stunde, mit seinen unterfränkischen Lauf-Nachfolgern über die Hindernisse des Lebens zu plaudern.
Hubert Karls toller Endspurt
Hubert Karl, 1989 erster Sieger der Residenzlauf-Geschichte, kann sich noch gut an Otto Knarr erinnern. Ab 1978 trat der 1,97 Meter große Ochsenfurter – vom Typ her ganz anders als Knarr und eher ein Mann der leisen Töne – in die großen Fußstapfen der unterfränkischen Hindernisläufer Ralph Hesse, Otto Knarr und Klaus Brenner. Unter Trainer Josef Ziesenböck schaffte es der ehrgeizige Karl in die deutsche Spitze. Mit Engelbert Franz (Waldkraiburg), Michael Heist (Darmstadt) und Jens Volkmann (Berlin) lieferte er sich Ende der 80er Jahre packende Duelle.
Das größte davon wohl am 13. August vor 25 Jahren bei den deutschen Meisterschaften in Hamburg. Im Finale über 3000 m Hindernis lief Engelbert Franz beherzt an. Es sah zeitweise nach einem Start-Ziel-Sieg des Odenwälders aus. Doch die Verfolger kamen von Runde zu Runde näher. Das Volksparkstadion brodelte, als am letzten Wassergraben Michael Heist und Hubert Karl nur noch wenige Meter hinter dem Führenden lagen. Auf der Zielgeraden überholten sie Franz und kämpften Brust an Brust um den Titel. Am Ende holte Hubert Karl in neuer persönlicher Bestzeit von 8:27,95 Minuten den ersten deutschen Meistertitel für den TV Ochsenfurt. Heute lebt der 50-jährige Karl mit seiner Familie nach wie vor in Ochsenfurt und gibt seinen sehr lauffreudigen Neffen Patrick und Domenik Karl wichtige Ratschläge.
Patricks Karls schöner Laufstil
Patrick, der Dritte im Bunde der großen Hindernisläufer aus dem Raum Würzburg, zeigte beim Residenzlauf seine Klasse. Beim Jugendlauf über 2500 m ließ er der Konkurrenz mit seinem „wunderschönen Laufstil“ (Otto Knarr) nicht den Hauch einer Chance und siegte nach 7:38 Minuten. Tägliches Training mit seinem zwei Jahre älteren und ebenfalls sehr erfolgreichen Bruder Domenik unter der Leitung von Papa Walter führte den 18-Jährigen im Vorjahr zur deutschen Meisterschaft über 2000 m Hindernis und zur Finalteilnahme (Rang 10) über diese Distanz bei der Junioren-WM in Donezk.
Dass er auch Crosslaufen kann, bewies er heuer mit dem Gewinn der bayrischen Meisterschaften in Indersdorf und dem dritten Rang bei der „Deutschen“ in Lönnigen (Niedersachsen). Patricks großes Ziel in diesem Jahr ist die Teilnahme bei den Weltjugendspielen in Eugene/USA im Juli. Hubert Karl und Otto Knarr drücken dem Gymnasiasten schon mal kräftig die Daumen.
Bestleistungen im Vergleich
Alle Drei schrieben und schreiben noch unterfränkische Leichtathletik-Geschichte und trafen sich jüngst beim 26. Würzburger Residenzlauf: Jugendeuropameister Otto Knarr beendete nach einer Verletzung bereits als 21-Jähriger seine Karriere, der deutsche Meister Hubert Karl hängte mit 32 Jahren die Laufschuhe an den Nagel. Der zweifache deutsche Jugendmeister Patrick Karl hat den wichtigsten Teil seiner Karriere hoffentlich noch vor sich. Hier ein Vergleich ihrer Bestleistungen:
Otto Knarr Hubert Karl Patrick Karl 800 Meter
1:51,6 1:52,46 1:56,01 1000 Meter
2:27,1 2:27,04 2:31,0 1500 m
3:46,2 3:48,38 3:58,80 1500 m Hindernis
4:05,2 DJR – – (wurde ab 1974 nicht mehr gelaufen) 2000 m Hindernis
5:42,2 DJR 5:55,17 5:49,96 3000 m Hindernis
– 8:27,95 8:54,8
5000 m
– 13:45.03 –
ONLINE-TIPP
Einen Rückblick auf die 26. Auflage des Würzburger Residenzlaufes in Text und Bild gibt's bei uns im Internet unter: www.mainpost.de/residenzlauf