
Vor einem Jahr ist die Einführung der Zeitstrafe im Amateurfußball als "kleine Revolution" bezeichnet worden. Von der Landesliga an abwärts haben Schiedsrichter seit der Saison 2022/23 wieder die Möglichkeit, Spielerinnen und Spieler für zehn Minuten vom Platz zu schicken.
Die Zeitstrafe sollte vor allem genutzt werden, um Spieler zu bestrafen, die sich daneben benommen hatten. Ist das gelungen?
Das sagen die Zahlen
In den beiden unterfränkischen Bezirksligen verteilten die Schiedsrichter in der vergangenen Saison 140 Zeitstrafen und nur noch 60 Gelb-Rote Karten, wie der Vorsitzende des Bezirks-Sportgerichts Hans-Peter Heimbeck berichtet. In der Vorsaison, also vor Einführung der Zeitstrafe, waren es 85 Ampelkarten gewesen. Die Zahl der glatt Roten Karten blieb dagegen mit 60 gegenüber der Saison 2021/22 (65) nahezu konstant.
Blickt man auf die Zahlen aus ganz Bayern, ergibt sich folgendes Bild: In der Saison 2021/22 hat es in 69.854 Spielen 12.939 Gelb-Rote Karten (etwa 0,185 pro Spiel) und 4853 Rote Karten (0,069) gegeben. Nach Einführung der Zeitstrafe veränderte sich die Quote bei den Roten Karten kaum (0,068), bei den Gelb-Roten allerdings drastisch (0,113). In absoluten Zahlen: Bei 2320 Spielen weniger ist die Zahl der Gelb-Roten Karten um 5280 gesunken (Rote Karten -259).
Das sagen die Schiedsrichter
Der Schweinfurter Schiedsrichterobmann Heinrich Keller ist zufrieden mit der Einführung der Regelung, auch wenn sie von manchen Unparteiischen zuweilen noch etwas anders ausgelegt werde als angedacht. Die Zehn-Minuten-Strafe war gedacht, um Spieler zu beruhigen, die beispielsweise zu viel gemeckert oder sich mit Gegenspielern angelegt haben.
Häufig werde sie aber auch für Fouls verwendet, bei denen eine Gelbe Karte zu schwach und eine Rote zu hart wäre, erklärt Keller. Sein Würzburger Kollege Marcel Scherer, generell ebenfalls zufrieden, betont, dass die Devise "Gelb ist zu wenig, Rot zu viel", die die Zeitstrafe als Mittelding zwischen Gelber und Roter Karte beschreibt, den Schiedsrichtern geholfen habe.
Das sagen Trainer aus Unterfranken zur Zeitstrafe
"Grundsätzlich finde ich die Zeitstrafe gut, weil es statt eines Platzverweises noch mal einen Warnschuss vom Schiedsrichter geben kann", erklärt Adrian Gahn, Trainer beim Landesligisten FT Schweinfurt. Allerdings habe er es noch kein einziges Mal erlebt, dass die Zeitstrafe als disziplinarische Maßnahme eingesetzt wurde.
Sein Kollege Okan Delihasan vom TSV Lengfeld – kein Verein in bayerischen Landesligen kassierte so viele Zeitstrafen wie der TSV (10) – sieht das anders: "Ich finde, die Zeitstrafe gehört im Herrenbereich auf diesem Niveau nicht dazu", sagt er. Die Maßnahme sei vielleicht gut gedacht, aber in der Realität nicht gut umgesetzt. "Die Schiedsrichter wissen oft nicht, was sie machen sollen. Sie haben es schon schwer genug. Die Zeitstrafe hat mehr verwirrt, als Klarheit zu schaffen."
Würzburg-weit an der Spitze mit 15 Zeitstrafen steht Kreisligist FG Marktbreit-Martinsheims. Trainer Christoph Spörer sagt: "Durch den großen Spielraum ist es für den Schiedsrichter schwierig, damit umzugehen." Die Zeitstrafe werde "teilweise gerne und schnell" ausgesprochen. Er würde sich wünschen, dass das Mittel wieder abgesetzt wird, betont zeitgleich aber auch, dass er die Schuld nicht von seinen Spielern auf die Unparteiischen schieben wolle und dass es "Gründe gibt, warum wir die Strafen bekommen haben".