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DALLAS
Dirk Nowitzkis letzter Wurf
Dallas Mavericks  v San Antonio Spurs       -  Tränen vor der allerletzten NBA-Partie für die Dallas Mavericks: Dirk Nowitzki.
Foto: Ronald Cortes, afp | Tränen vor der allerletzten NBA-Partie für die Dallas Mavericks: Dirk Nowitzki.
Thomas Brandstetter
 |  aktualisiert: 20.04.2019 02:11 Uhr

Die Last ist abgefallen, das spürt man. Und die Tränen sind verdrückt. Bevor ein komplett neues Leben beginnt, nach 25 Jahren ganz im Zeichen des Basketballs, dem Dirk Nowitzki alles andere untergeordnet hat, absolviert er seinen letzten offiziellen Auftritt als NBA-Profi. Völlig tiefenentspannt erscheint er im „Deutschen Haus“ im „Canvas Hotel“ in Dallas, plaudert über seine 20 Jahre lange Karriere in der stärksten Liga der Welt und blickt auch ein wenig in die Zukunft. Von der er aber noch gar nicht so genau weiß, was sie bringen wird. Freilich: „Ich freu‘ mich aufs nächste Kapitel.“

„Gestern haben wir ein bisschen was getrunken. Insofern tut heute der Kopf ein bisschen mehr weh als die Füße“, sagt er und setzt sein verschmitztestes Lächeln auf. Es ist genau diese nonchalante Art, dieser lockere Humor und die lässige Selbstironie, die sich Dirk Nowitzki bei seinem Aufstieg zum Superstar und seiner Entwicklung zu einem der größten deutschen Sportler überhaupt bewahrt hat. Dies hat – neben all seinen sportlichen Erfolgen – maßgeblich dazu beigetragen, dass man ihn nicht nur respektiert, als Sportler und als Mensch, sondern vor allem dafür, dass man ihn in den Staaten sportgöttergleich verehrt.

Tja, gestern Abend. Da war?s dann endgültig vorbei. Sein 21. Wurf aus dem Feld in diesem Spiel war sein letzter. Sein allerletzter. Es war das 31 973. Mal, dass Dirk Nowitzki in einem NBA-Spiel auf den Korb zielte. 46,8 Sekunden vor Schluss der Partie versenkte er die Kugel zum finalen Male. Dann durfte er vom Parkett und sich feiern lassen von den Fans. Für die Geschichtsbücher: Es geschah am Mittwoch, den 10. April 2019, um 21.12 Uhr in San Antonio, Texas, als Dirk Nowitzki die Bühne der NBA für immer verließ.

1522 Spiele, 1982 Dreier versenkt, 10 021 Rebounds, 31 560 Punkte

Man darf annehmen, dass der Ehrgeizling, der immer jedes Spiel gewinnen wollte, auch sehr gerne den Schlussakt siegreich gestaltet hätte. Das gelang zwar nicht – die Mavericks verloren mit 94:105 beim Play-off-Teilnehmer San Antonio Spurs. Aber im Grunde ist das natürlich wurscht. Auch wenn das Spiel in die Annalen eingehen wird als sein finales - die Niederlage wird lediglich eine Fußnote sein auf irgendeiner der unzähligen Statistikseiten über Nowitzki, die es nach 20 NBA-Jahren gibt.

In einer dieser Listen steht nun unterm Strich: 1522 Spiele. Davon 1460 in der Startformation. 51 359 Minuten auf dem Parkett. 1982 Dreier versenkt. Und dank seines Double-Double in San Antonio (20 Punkte, zehn Rebounds) auch: 10 021 Rebounds unter dem eigenen Korb. Insgesamt 31 560 Punkte. Was all diese zweifelsohne beeindruckenden, aber halt auch nur nackten Zahlen nicht verraten: welchen Stellenwert sich der gebürtige Würzburger damit in den USA erworfen hat. Auch beim Finale in San Antonio liefen - zumindest gefühlt und ohne nachzuzählen, dafür auf den ersten Blick erkennbar - mehr Menschen mit einem Dallas-Trikot mit der Nummer 41 durch das AT&T Center als in der Kluft der Einheimischen. Auch die Anhänger San Antonios jubelten, wenn Nowitzki das Parkett betrat und feierten ihn, wenn er traf.

Vor dem Spiel würdigten sie den 40-Jährigen mit einem auf diesem großen Würfel unterm Dachjuchee gezeigten Video unter dem Motto "Thank you Dirk" mit Ausschnitten aus seiner Karriere, inklusive Szenen, als er die NBA-Trophäe in die Höhe reckte. Die Menschen in der Halle standen auf, tobten und jubelten – und Dirk Nowitzki brach in Tränen aus. Er musste viel hemmungsloser weinen als noch am Abend zuvor vor heimischen Publikum, als er seinen Rücktritt verkündet hatte.

Zu all dem muss man wissen, dass die Mavericks und die Spurs traditionell eine sehr innige und phasenweise auch heftig ausgelebte Rivalität verbindet. „Wenn es irgendwo passt, dann San Antonio. Sie waren immer ein bisschen unser großer Bruder und unser Vorbild. Wir haben viel erlebt mit ihnen“, hatte Nowitzki vor seiner letzten Partie gesagt. In San Antonio schloss sich für Dirk Nowitzki ein Kreis: Beim Nike Hoop Summit war dort 1998 sein Stern aufgegangen – sein inzwischen legendärer Auftritt mit 33 Punkten und 14 Rebounds war die Voraussetzung, dass er in die NBA gedraftet wurde. Seinen letzten Wurf machte er also dort, wo alles seinen Anfang nahm.

Auch daran erinnert Nowitzki im „Canvas“. Und dass er seinen damals mitten im Kampf um den Aufstieg in die Bundesliga steckenden Heimatverein DJK Würzburg für eine Partie verließ, ohne irgendjemandem Bescheid zu geben, um seine große Chance beim Schopfe zu packen. Nachdem der Aufstieg danach trotzdem eingetütet wurde, haben sie ihm in Würzburg vermutlich verziehen.

Wenn selbst das beste Spiel der Saison keinen Spaß mehr macht

Dass es nun an der Zeit war, Goodbye zu sagen, hat Nowitzki zuletzt immer mehr gespürt. „Jeder hat doch gesehen, wie ich teilweise gestrauchelt bin und wie schwer ich mir getan habe.“ Die Arthrose im Fuß hat sich immer mehr bemerkbar gemacht. Dann erzählt er von dem Moment, in dem es wohl endgültig Klick gemacht hat. Gar nicht lange her, 23. März, das Spiel bei Meister Golden State Warriors, der zwar auf viele seiner Stars verzichtete in der Partie, die die Mavericks nichtsdestotrotz überraschend (hoch) mit 126:91 gewannen. Nowitzki machte 21 Punkte. „Das war mein bestes Spiel in dieser Saison, und endlich habe ich mal wieder getroffen.“ Er setzte zu einem Sprungwurf an, und bei der Landung „ist es mir voll in den Fuß gefahren. Ich dachte: ,Hey, das müsste doch Spaß machen hier. Macht es aber nicht.‘“ Überhaupt war diese letzte Runde ein „spielerisch frustrierendes Jahr“ für Nowitzki, der so gerne mit einem Play-off-Spiel abgetreten wäre.

Hat nicht sollen sein. Und was kommt jetzt? „Ich denke, wir werden viel reisen. Ich habe ja Familie auf der ganzen Welt.“ Eltern und Schwester in Würzburg, die Verwandtschaft von Frau Jessica lebt in Schweden und Kenia. Geplant ist, im Juli mit der ganzen Gang mal wieder nach Deutschland zu kommen. Und kurzfristig? „Viel mit den Kids spielen, vielleicht fahren wir mal an den Strand. Ein bisschen Tennis spielen, ich hoffe auf gutes Wetter. Und abschalten. Das wird wohl die nächste Woche werden.“

 
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