Die Würzburger Kickers haben einen Riesenschritt in Richtung Fußball-Regionalliga gemacht. Im Hinspiel der entscheidenden Ausscheidungsrunde siegte der Meister der Landesliga Nord beim zwar völlig überlegenen, im Abschluss aber katastrophal schwachen Tabellen-Achten der Süd-Landesliga mit 3:0 (1:0) und verschaffte sich damit eine perfekte Ausgangslage für das Rückspiel am kommenden Mittwoch (18.30 Uhr) im heimischen Stadion am Dallenberg.
Es gibt denkwürdige Spiele im Fußball. Große, dramatische, verrückte. Spiele, an deren Ende ein Ergebnis steht, das anhand des Spielverlaufs so gar nicht erklärbar scheint. Unfassbare, emotionale, ja, packende Spiele. Spiele, von denen man noch Jahre später reden wird, bei denen man einfach froh und glücklich ist, dabei gewesen zu sein. Spiele, nach denen die einen die Existenz des Fußballgottes leugnen, die anderen sicher sein können, dass er ihre Farben trägt – wenn es ihn denn gibt. Spiele, die in die Vereinsgeschichte eingehen. Das 3:0 der Würzburger Kickers beim BC Aichach – es war so ein Spiel.
Am Ende rannten sie wie die Besessenen über den Platz, sprangen in die Luft und ballten Fäuste. Sie sangen mit den gut 200 mitgereisten – und wie in einem Käfig durch Bauzäune eingepferchten – friedlichen und völlig begeisterten Würzburger Fans. Die Emotionen mussten raus. Der letzte Rest Kraft wurde im riesigen Jubel gebündelt. Wohl auch, weil sie es selbst nicht fassen konnten, was sich da 93 Minuten lang auf dem Aichacher BC-Sportplatz abgespielt hatte. Vielleicht können sie es heute noch immer nicht begreifen. Erklären aber konnten sie es: „Wir haben unsere Chancen eben eiskalt ausgenützt. Das ist auch eine Qualität“, sagte Matchwinner Frank Wirsching. Ganze drei Mal hatten die Würzburger im gesamten Spiel auf das Tor der haushoch überlegenen Gastgeber geschossen. Alle drei Schüsse landeten im Netz. „Am Ende zählt nur das Ergebnis – und das 3:0 ist die halbe Miete, auch wenn wir im Rückspiel noch einmal 90 Minuten hoch konzentriert sein müssen“, sagte der Flügelflitzer der Kickers, der per direkt verwandeltem Freistoß, bei dem BC-Torwart Stefan Brunner nicht gut aussah, nach einer knappen halben Stunde für die überraschende Führung gesorgt und mit einer Energie- und Willensleistung kurz vor Ende das 2:0 erzielt hatte (86.).
Dabei wollte er eigentlich schon nach 75 Minuten ausgewechselt werden – Oberschenkelprobleme. Der Spielmacher war ob des enormen läuferischen Aufwands, den die Gäste gegen 90 Minuten lang nach vorne marschierende, druckvolle Aichacher leisten mussten, platt. Doch plötzlich flog dieser lange Ball des eingewechselten Fazdel Tahir an die Strafraumgrenze. „Da hab' ich beschlossen: Diesen einen Sprint mache ich noch“, erzählt Wirsching. Aichachs Verteidiger Andreas Tischner hatte damit offenbar nicht mehr gerechnet, ließ sich von Wirsching übertölpeln, der Brunner im BC-Tor mit einem Schuss in den Winkel keine Chance ließ. Keinen hielt es darauf mehr auf der Kickers-Bank. Selbst Trainer Dieter Wirsching legte einen Sprint zu seinem an der Eckfahne jubelnden Neffen hin, als wolle er sich das letzte Olympia-Ticket für den 100-Meter-Wettbewerb sichern.
„Die ganze Emotion musste raus. Jetzt sind wir mit eineinhalb Beinen in der Regionalliga“, sagte der Trainer, dessen „Matchplan“, auf Konter zu setzten, spätestens mit dem 3:0 durch Sergey Zimins Abstauber (89.) aufging. „Zum Schluss haben wir so gekontert, wie ich mir das vorgestellt hatte.“ Zudem kämpfte sein Team bis zum Umfallen. Insbesondere die Defensive, in der Moritz Vollmer, vor Wochen noch Kreisliga-Kicker, mit USA-Rückkehrer Daniel Donaldson in der Innenverteidigung Schwerstarbeit verrichtete. Auch Mittelfeldabräumer Alexander Weidner stopfte immer wieder großartig Lücken. „Alle haben noch einmal alle Kräfte mobilisiert“, lobte Wirsching, „und Frank hat im Topspiel des Jahres mit seinen zwei Toren natürlich Herausragendes geleistet. Ich freue mich für die Jungs. Jetzt genießen wir den Augenblick. Alle haben es sich verdient, so etwas zu erleben.“
Mit „so etwas“ dürfte er aber nicht nur den Erfolg, sondern auch dessen kurioses Zustandekommen meinen. Noch nie in dieser Saison hatten die Kickers derart unter Druck gestanden, war ein Gegner den Rothosen permanent so überlegen. Und doch jubelten am Ende die Würzburger. Dabei rollte vom Anpfiff weg eine Angriffswelle nach der anderen auf den erneut vor Ruhe strotzenden Kapitän Daniel Tsiflidis im Kickers-Tor zu. Doch die Aichacher ließen beste, ja allerbeste, Chancen aus. Und zwar so viele, dass schon ein Ausschnitt reicht, ihre Überlegenheit zu dokumentieren: Alexander Benede köpfte nach einer Ecke vorbei (4.), Manuel Hiemer hob den Ball aus 20 Metern über das leere Tor (19.), Benede verfehlte frei aus vier Metern das Tor (37.). Nach der Pause traf Stefan Jarosek nur den Pfosten (53.), Tsiflidis parierte gegen Christian Doll (46.), Arthur Vogel (56.) und Sebastian Mitterhuber (67.) glänzend. Dass Tahir in der 90. Minute auf der Linie klärte – niemanden wunderte es am Ende.
„Wir waren 90 Minuten eine Klasse besser. Das hat selbst der Blindeste gesehen. Aber wir haben kein Tor gemacht. Das ist das einzige, was ich meinem Team vorwerfen muss. Aber ich bin sicher, dass wir im Rückspiel die Sensation noch schaffen“, sagte BC-Trainer und Mäzen Volker Weingartner. „Würzburg hatte uns ja nichts entgegenzusetzen. Wenn wir 6:1 gewinnen, kann sich keiner beschweren.“ Aber Fußball ist eben Ergebnissport. Und die Kickers haben – mag man es nun erklären können oder einfach nur ungläubig bestaunen – gewonnen. Mit 3:0!
Die Statistik des Spiels
BC Aichach – FC Würzburger Kickers 0:3 (0:1)
Aichach: Brunner – Tischner, Brysek, Konjevic, Jarosek – Benede, Hiemer (80. Brnadic), Korenik, Mitterhuber, Vogel – Doll.
Würzburg: Tsiflidis – Azizi, Vollmer, Donaldson, Reitmaier (76. Yücetag) – F. Wirsching (88. Graf), Weidner, Eichler, N. Wirsching (65. Tahir) – Sow, Zimin.
Tore: 0:1, 0:2 F. Wirsching (29., 86.), 0:3 Zimin (89.). Schiedsrichter: Beitinger (Regensburg). Zuschauer: 1100.