Der Abstiegskampf in der zweiten Liga spitzt sich zu. Zwei Spieltage vor Saisonende ist er zum Nervenspiel geworden. Worauf kommt es nun an? Die Würzburger Psychologin Dr. Uta Kraus beschäftigt sich nicht nur in der Theorie mit sportpsychologischen Fragestellungen. Im Rahmen einer Zusammenarbeit der Würzburger Uni mit dem VfR Aalen war Dr. Uta Kraus, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychologie der Uni Würzburg, am Aufbau des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ) beim damaligen Fußball-Zweitligisten beteiligt. Auch mit dem NLZ von Bundesligist TSG Hoffenheim arbeitet die Würzburger Psychologin zusammen. Außerdem berät sie verschiedene Sportler aus anderen Sportarten. Im Interview erklärt sie, worauf es jetzt ankommt und warum die Angst vor dem Abstieg den Kickers auch helfen kann.
Uta Kraus: Die Spieler machen gerade eine Erfahrung, die fast jeder kennt. Es ist problematisch, wenn man eine Zeitlang nur positive Rückmeldungen bekommt, in den höchsten Tönen gelobt wird.
Dann besteht die Gefahr, nachlässiger zu werden. Man hat womöglich das Gefühl, nicht mehr so viel investieren zu müssen, wie man es vorher getan hat und hat die trügerische Sicherheit: Ich kann es ja. Das kann dazu führen, dass man, wenn es dann nicht mehr so gut läuft, dies nicht seiner eigenen Person zuschreibt, sondern irgendwelchen anderen Umständen. Man kann das natürlich von außen nicht beurteilen. Dafür müsste man mit einzelnen Spielern schon direkt sprechen. Wenn eine Mannschaft aber eine solche Misserfolgsserie von 15 Spielen ohne Sieg hat, muss man sich schon das anschauen, muss offen sein für eine gute Fehlersuche und sachliche Kritik. Dazu gehört auch, dass man guckt, was dazu geführt hat, dass man immer wieder in den letzten zehn Minuten ein Spiel aus der Hand gegeben hat. Das können ganz verschiedene Gründe oder auch ähnliche Gründe sein.
Kraus: Angst ist prinzipiell nichts Schlechtes, sondern ein ganz wichtiges Gefühl. Man muss sich überlegen, wie man die Angst vor dem Abstieg dazu nutzen kann, zusätzliche Kräfte zu mobilisieren. Das ist in der Situation, in der die Kickers gerade sind, nicht leicht. Schließlich geht es im Profifußball ja nicht nur um sportlichen Erfolg. Da geht es auch um Geld und Jobs. In der zweiten Bundesliga, wo die finanzielle Resourcen der Klubs nicht so groß sind wie in der ersten Liga, ist es auch die Frage, wie sich der Verein im Falle eines Abstiegs verändern wird. Da hängt richtig viel dran für den einzelnen Spieler, aber auch für sein Umfeld, für die Familien, für die Vereinsmitarbeiter und so weiter. Der Stresslevel für den einzelnen Spieler steigt dadurch. Das kann dazu führen, dass man unsicher wird oder eben dazu, dass man sagt: Jetzt erst recht!
Kraus: Nein. Angst kann sogar dazu beitragen, unglaubliche Kräfte zu entwickeln. Man muss sie aber regulieren können. Ein Problem taucht auf, wenn man in Situationen, in denen man ein Risiko eingehen muss, ängstlich oder unsicher spielt. Das kann dann auch dazu führen, dass die Konzentration oder Präzision bei einem Pass oder in einem Zweikampf fehlt.
Kraus: Das ist eine schwierige, vielleicht auch eine kritische Situation für die Mannschaft. Es ist dabei wichtig sich klarzumachen, dass jedes Spiel eine neue Situation ist und eigentlich nichts mit den vorherigen Spielen zu tun haben sollte. Es ist ein neues Spiel, ein anderer Gegner, eine neue Chance. Aber der Druck ist inzwischen enorm und viel größer als noch nach der dritten Partie, in der so etwas passiert ist. Der Gegner analysiert ja auch die Spiele. Die Gegenspieler wissen schon vorher genau, wer in dieser Phase des Spiels unsicher wird und vielleicht einknickt und wer da stabiler ist.
Das ist das Prinzip im Fußball: gezielt beim Gegner Fehler zu provozieren und Schwächen auszunutzen. Genau das werden die Würzburger Gegner in den letzten zehn Minuten einer Partie versuchen.
Kraus: Für eine Person, die nach ihrer Arbeitsplatzbeschreibung dafür da ist, Tore zu schießen, ist es schwierig, wenn man über einen langen Zeitraum kein Tor erzielt. Das wird die Spieler ohne Frage auch nerven. Das man sich selbst infrage stellt, ist eine normale Reaktion. Natürlich würde es diesen Spielern helfen, wenn die Mannschaft versuchen würde, aus einer Chance im Spiel zwei oder drei Möglichkeiten zu machen, um die Wahrscheinlichkeit, dass einer der beiden trifft, zu erhöhen.
Kraus: Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Das ist eine Entscheidung, die der Trainer alleine verantworten muss. Entscheidend ist, dass bei Trainer und Spieler ein Gefühl von Sicherheit und gegenseitigem Vertrauen da ist. Wenn es das nicht gibt, dann kommt in einer Gruppe schnell Unruhe auf. Deshalb ist es für einen Trainer auch wichtig, gut zu kommunizieren und Entscheidungen zu erklären.
Kraus: In der derzeitigen Situation kann das Publikum helfen. Sicher lernt jeder Spieler, die Zuschauer und ihre Reaktionen ein Stück weit auszublenden, nicht alles an sich ranzulassen. Aber auch Fußballer sind Menschen. Und wir wissen doch selbst, wie man sich fühlt, wenn man eine negative oder positive Rückmeldung auf seine Arbeit bekommt. Aber die Unterstützung kann eine Mannschaft natürlich pushen.
Kraus: Dass man die Sache selbst in der Hand hat, selbst die Kontrolle über die Situation hat, ist ein Vorteil. Das ist auch eine Sache, die man nun betonen muss: Die Kickers können die Angelegenheit selbst regeln.