Der Mikrokosmos der Lichtleins ist rund, genauer: ballrund. Die fünfköpfige Familie aus Bergtheim hat sich dem Mannschaftssport verschrieben, wohlgemerkt ein Leben lang. Geschlechtertrennung inklusive. Die Männer sind oder waren Fußballer, die weiblichen Mitglieder der Lichtleins jagen dem Handball hinterher. Bei Mutter Gerlinde (48 Jahre) ist es mittlerweile eher ein aufmerksames Beobachten. Sie ist Betreuerin der Bayernliga-Mannschaft und (zusammen mit Petra Köhler) Trainerin der Bergtheimer C-Jugend, zu der auch ihre jüngste Tochter Hannah (14) gehört.
In den frühen 1980er Jahren war sie in der Rolle ihrer Tochter. Gerlinde hatte Talent, sie war schnell, beweglich und fintenreich. Das erkannten ihre Trainer Sissy und Wolfgang Kreisel. Sie gaben ihr, die später eher trainingsfaul sein sollte, Sondertraining; die Einladungen zu den bayerischen Junioren-Auswahlteams ließen nicht lange auf sich warten.
Höhepunkt Kempa-Trick
Im zarten Alter von 17 Jahren wurde Linksaußen Lichtlein dann sogar zu einem Sichtungslehrgang der Nationalmannschaft unter dem damaligen Trainer Ekke Hoffmann berufen. „Scheinbar habe ich mich da nicht allzu schlecht angestellt. Jedenfalls sollte ich kurz darauf an einer mehrtägigen Maßnahme teilnehmen“, erinnert sich Gerlinde Lichtlein: „Ich musste allerdings ablehnen, weil es mein damaliger Chef nicht erlaubte.“
So war eine etwaige Karriere in der Nationalmannschaft für die Arzthelferin beendet, ehe sie richtig beginnen hätte können. Ihre Zeit bei den Bergtheimer Frauen begann dagegen dieser Zeit erst. 1989 gelang der goldenen Generation der Aufstieg in die drittklassige Regionalliga. Sieben Jahre lang spielte der SVB auf diesem Niveau, die erfolgreichste Zeit in der wechselvollen Vereinsgeschichte. Ein Höhepunkt bei den Heimspielen in der Willi-Sauer-Halle war stets ein Kempa-Trick zum Abschluss, auf den sich die Zuschauer verlassen konnten wie auf den sonntäglichen Gottesdienst. „Sissy Kreisel hat mir meist von der Mitte aus den Ball nach Außen gespielt. Ich habe dann versucht, ihn in der Luft abzufangen und ins Tor zu werfen. So einfach war das“, gibt sich Gerlinde bescheiden.
1993 war dann erstmal Schluss mit dem Handballsport. Töchterchen Lisa war unterwegs, nur zwei Jahre später kam Sohnemann Michael. Doch Gerlinde kehrte mit all ihrer Beharrlichkeit zurück und stand eines Tages – es muss irgendwann im Jahr 2009 gewesen sein – mit der damals 16-jährigen Lisa zusammen in Bamberg auf dem Feld, in der Landesliga Nord. „Auch wenn ich nicht genau wusste, ob ich sie mit Mama oder Gerlinde ansprechen soll, hat sie mir vor allem in der Abwehr gleich viel Sicherheit gegeben“, weiß Lisa Lichtlein, die genau wie ihre Mutter in ihrer besten Zeit auf Linksaußen spielt: „Ein gemeinsamer Bayernliga-Einsatz ist uns hingegen verwehrt geblieben. Einmal war die personelle Not so groß, dass Mama Gerlinde nochmals bei uns aushalf. Doch bevor sie eingewechselt werden konnte, habe ich eine Disqualifikation wegen dreier Zeitstrafen bekommen.“ Es war bislang Lisas einzige Rote Karte.
Vor gut zwei Jahren hat Lichtlein als letzte waschechte Bergtheimerin den HSV verlassen – und sich auch beruflich bedingt dem Drittligisten TSG Ober-Eschbach nördlich von Frankfurt angeschlossen. Dort spielen zudem ihre früheren Bergtheimer Mannschaftskolleginnen Kristina Bils und Lena Riedel. „Zugegebenermaßen habe ich Lisa auch ein Stück weit zu diesem Wechsel geraten. Denn mich ärgert es heute schon etwas, dass ich nie woanders als in Bergtheim gespielt habe“, sagt Gerlinde Lichtlein. Tochter Lisa, inzwischen 24 Jahre alt und im Sport-Sponsoring beschäftigt, hat in ihrem zweiten Jahr beim ambitionierten Bad Homburger Stadtteilklub gleich für Aufsehen gesorgt. Mit 105 Treffern war sie zweitbeste Torschützin, am Ende sprang für ihr neues Team ein ordentlicher vierter Platz heraus. „In der nächsten Saison sind wir in der Ost-Staffel eingeteilt. Da wollen wir wieder angreifen“, so Lichtlein.
Torschützenkönig mit 30 Treffern
Angreifen ist auch ein gutes Stichwort für die männlichen Familienmitglieder der Lichtleins. Vater Hermann (52) war Stürmer, Sohn Michael (21) ist Angreifer, natürlich beim SV Bergtheim. In der abgelaufenen Saison war er mit 30 Treffern der Torschützenkönig in der Kreisklasse Würzburg 1. Im März gelang dem gelernten Schreiner sogar ein Hattrick binnen fünf Minuten. „So viele Buden habe ich nie geschafft. Meist waren es bei mir so um die 15“, erinnert sich Hermann, der zu der Zeit aktiv wird, als die Bergtheimer Fußballer ans Tor zur damaligen Landesliga Nord angeklopft haben. „Ich habe allerdings mit ein paar Ausnahmen nur Zweite gespielt.“
Hermann Lichtlein blieb genau wie seine Frau Gerlinde, die 1994 gemeinsam in der Bergtheimer Beethovenstraße ein Haus gebaut haben, auch nach seiner aktiven Zeit seiner Abteilung in einer engagierten Rolle treu, vor allem im Festausschuss, seit knapp drei Jahren zusätzlich als Jugendleiter. Zumindest diesen Posten will er nun aber abgeben.
Was macht eine solch sportverrückte Familie eigentlich während der Sommerpause? „Wenn ich ehrlich bin, freue ich mich jetzt schon, wenn es endlich wieder losgeht“, sagt Gerlinde. Ab August stehen die Lichtleins wieder Sonntag für Sonntag auf dem Fußballplatz, im September kommt dann Samstag abends die benachbarte Willi-Sauer-Halle als Aufenthaltsort hinzu, Handball-Heimspielzeit des HSV Bergtheim. „Und wenn es die Zeit zulässt, dann fahren wir natürlich auch nach Ober-Eschbach, um Lisa zuzuschauen“, sagt Hermann Lichtlein. Ein Leben als Familie, ein Leben für den Ballsport eben.