Es ging so langsam auf 20 Uhr zu, als die überwiegende Mehrheit der knapp 2000 Zuschauer in der Arena Hohenlohe bei Crailsheim das zwar überaus populäre, aber selbst unter Fangesängen eben auch reichlich kreativbefreite Liedgut anstimmte: "Oh wie ist das schön, oh wie ist das schön. So was hat man lange nicht gesehen, so schön" dezibelte durch die Halle, als noch gut zwei Minuten zu spielen waren. Selbst der Sportunkundigste kann in so einem Moment erahnen, dass der Wettkampf entschieden und die Luft raus ist. 105:76 führten die Gastgeber zu diesem Zeitpunkt, mit 29 Punkten also, so hoch wie davor noch nicht in dieser Begegnung und danach auch nicht mehr ganz. Letztlich watschten die Hakro Merlins Crailsheim den Basketball-Bundesligisten s.Oliver Würzburg zum Auftakt in die neue Spielzeit mit 111:84 (47:50) ab – aber das Gegröle des Crailsheimer Anhangs war objektiv betrachtet dennoch nur bedingt richtig.
Stimmt schon, man hat ja tatsächlich lange, sehr lange sogar, keine zahlenden Zuschauer mehr gesehen in einer Basketball-Halle, seit gut eineinhalb Jahren nicht mehr. Aber zumindest die Spieler und Trainer Denis Wucherer und sein Assistent Steven Key und die Betreuer von den Baskets und bestimmt auch die Mehrheit der vielleicht zwei Dutzend angereisten Anhänger haben so etwas in der vergangenen Saison häufiger gesehen, die Fans halt am Fernseher: wie die Mannschaft zwar phasenweise durchaus mithalten kann, zwischendurch auch ganz gepflegten Basketball spielt - letztlich aber innerhalb weniger Minuten in sich zusammenbricht und derart aussichtslos in Rückstand gerät, dass das einzig verbleibende Ziel größtmögliche Schadensbegrenzung sein kann. Am Samstag ist nicht einmal das wirklich gelungen.
Dabei waren die ersten 25 Minuten und 50 Sekunden "durchaus okay", wie Wucherer ein wenig untertrieb. "Das wirkte schon ziemlich erwachsen, wie wir da aufgetreten sind. Wir haben immer wieder gute Lösungen gefunden, und wir kamen auch mit der Atmosphäre gut zurecht", analysierte der Trainer punktgenau. In der Tat waren vor allem die erste Hälfte, nach der die Baskets mit 50:47 führten, aber auch der Beginn des dritten Viertels durchaus ansehnlicher und wesentlich unterhaltsamer als die überwiegende Mehrheit aller Spiele der vergangenen Runde.
Aber vier Minuten und zehn Sekunden vor dem Ende des dritten Abschnitts passierte etwas, "von dem wir uns nicht mehr erholten", wie Wucherer sagte. Dabei waren die Ereignisse gar nicht so spektakulär – und womöglich hätte eine nicht gerade derart neu zusammengewürfelte Mannschaft, die sich natürlich auch noch finden muss, die folgende Herausforderung auch anders gemeistert, wer weiß das schon. So jedoch darf man diese Szenen als die diese Partie entscheidenden heranziehen – wenngleich es ein Mysterium bleibt, was sich anschließend abspielte:
Die das Spiel entscheidenden Sekunden
Es steht 59:59. Baskets-Neuzugang Nicolas Carvacho bekommt beim Versuch, den ehemaligen Würzburger Maurice Stuckey an einem Drei-Punkte-Wurf zu hindern, nach Videostudium der Schiedsrichter ein unsportliches Foul angekreidet. Die Folgen: Stuckey verwandelt die drei Freiwürfe, Crailsheim bleibt im Ballbesitz – und der 31-Jährige, der fünf Jahre lang das Leibchen der Baskets trug und noch immer in der Domstadt lebt, nutzt den folgenden Angriff zu einem erfolgreichen Dreier. 65:59 für die Gastgeber.
Noch lange kein Grund zur Panik, zumal die Würzburger zuvor bereits einen Sieben-Punkte-Rückstand dank eines 10:0-Laufs in eine Führung (34:31) umgemünzt hatten. Nach Stuckeys Sechs-Punkte-Spiel aber ging bei den Würzburgern gänzlich rätselhaft gar nichts mehr. In der verbleibenden Zeit bis zum Ende des Viertels, das die Merlins letztlich mit 36:14 (!) gewannen, schraubten sie ihre Führung bis auf 19 Zählern Differenz (83:64). Die Begegnung war entschieden. Wucherer sprach von einem "kollektiven Breakdown" und hatte natürlich völlig recht mit seiner Feststellung: "Mit so einem Viertel kannst du in der Bundesliga natürlich kein Spiel gewinnen." Eine wirkliche Erklärung für diesen Zusammenbruch hatte er kurz nach der Partie auch noch nicht gefunden.
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Wucherer haderte vor allem mit den insgesamt 22 Ballverlusten seiner Mannen und damit, dass die Seinen das Spielgerät vor allem ab der 26. Minute eben nicht mehr ausreichend bewegten. "Crailsheim hat uns dann vorgemacht, wie das geht." Für die Baskets ging's dann auch im Schlussabschnitt weiter bergab. In den Vorbereitungsspielen, von denen die Baskets lediglich zwei der zehn verloren (gegen die Bundesliga-Konkurrenten aus Ulm und Ludwigsburg), "haben wir eigentlich meistens sehr ordentlich verteidigt", meinte der Trainer: "Heute war das dann nicht mehr der Fall."
Bestimmt ist es nicht förderlich fürs Selbstvertrauen und das gerade am Anfang einer Saison noch ziemlich fragile Gebilde einer Mannschaft, wenn sie gleich im ersten Saisonspiel über 100 Punkte eingeschenkt bekommt, phasenweise komplett unter die Räder gerät und letztlich mit 27 Punkten Differenz unterliegt. Dennoch nimmt Wucherer auch etwas Positives mit aus Hohenlohe: "In den ersten 25 Minuten haben wir gesehen, wie wir erfolgreich spielen können." In denen haben auch einige Neuzugänge gezeigt, dass sie echte Verstärkungen sein können, allen voran Desi Rodriguez und William Buford, der allerdings wegen seines fünften Fouls siebeneinhalb Minuten vor Ultimo Feierabend hatte.
Auch der neue Spielmacher Luciano Parodi durfte verfrüht duschen gehen. Dem Uruguayer gelang das Kunststück, sich im ersten Viertel innerhalb von zwei Minuten und zwölf Sekunden drei Fouls einzufangen. Man darf (vorerst) annehmen, dass dies vor allem auch seiner mangelnden Fitness geschuldet ist, da er den Großteil der Vorbereitung verletzungsbedingt verpasst hat und erst seit knapp zwei Wochen im Training steht. "Er braucht noch etwas Zeit", sagt Wucherer.
Wie die Baskets die Auftaktklatsche verdaut haben werden, können sie am kommenden Sonntag (15 Uhr) beweisen, wenn der Syntainics MBC in der s.Oliver Arena zum Spiel in der ersten Pokalrunde antreten wird.