Nein, ein Schulterklopfer ist Dirk Bauermann bestimmt nicht. Vielleicht eher ein manchmal nicht ganz einfacher, bisweilen auch etwas lehrerhaft wirkender, ganz bestimmt jedoch außergewöhnlich ehrgeiziger Mensch, sonst hätte er in seinem sportlichen Leben vermutlich nicht erreicht, was er erreicht hat. Und deshalb war seine bodenlose Enttäuschung am späteren Nachmittag dieses Ostersonntags auch greifbar, wenn man im Bauch dieser schmucken Mercedes Benz Arena mit ihm sprach und er erzählte, dass er soeben seinen Spielern gesagt habe, dass sie nicht im Traum daran glauben bräuchten, dass er ihnen nun kameradschaftlich oder gar aufmunternd auf die Schultern klopfen würde, im Sinne von: Schade, hat halt nicht sollen sein.
Die Denttäuschung war groß
Nein, nein, dazu schmerzte diese 76:80 (48:39)-Niederlage Bauermann zu sehr. Und seine Spieler bestimmt auch. „Natürlich überwiegt die Enttäuschung“, sagte der Trainer. „Das Schlimmste ist doch, halbwegs zufrieden zu sein, wenn man nur mit drei Unterschied in Bamberg verliert oder eben mit vier hier in Berlin. Ich bin gewohnt, solche Spiele auch zu gewinnen.“ Punkt.
Kein Punkt in den letzten Minuten
Tja, das hätte er auch diesmal gekonnt, und das hat der mit neun deutschen Meistertiteln und vier Pokalsiegen erfolgreichste deutsche Basketballtrainer mit den Würzburgern in dieser Spielzeit auch schon getan. Etwa in München. Oder zu Hause gegen Bamberg und auch gegen Ludwigsburg. Und dennoch konnte man sich am Sonntag gerade einmal zwei Wochen zurückversetzt fühlen, als Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg bei Titelverteidiger Brose Bamberg bis kurz vor Ende geführt hatte, um dann noch mit 67:70 den Kürzeren zu ziehen. Auch in Bayreuth und Ulm, in Bonn und Braunschweig gingen Spiele im Endspurt verlustig. Wobei es einen ganz gravierenden Unterschied zu der Niederlage in der Hauptstadt gibt: „Am Ende dieses Spiels ist es nicht wichtig, wie man über 35 Minuten gespielt hat, sondern wie man über 40 Minuten gespielt hat“, lehrerte Bauermann ein wenig.
In den letzten vier Minuten und 16 Sekunden gelang den Baskets kein einziges Pünktchen mehr, den Hausherren, die sich, angetrieben von über 8000 Zuschauern, auch durch einen zwischenzeitlichen 13-Punkte-Rückstand (51:64, kurz vor Ende des dritten Viertels) nicht hatten kirre machen lassen, gelang zum Schluss ein 13:0-Lauf. Und es ist auch eine besondere Geschichte dieses Spiels, dass ausgerechnet der ehemalige Würzburger Joshiko Saibou, mit dem der damalige Baskets-Coach Douglas Spradley offenbar nicht besonders viel anfangen konnte und der dann in Gießen und Berlin zum Nationalspieler reifte, mit acht Zählern hintereinander die Wende einläutete.
Eine klare Ursache
„Wir haben in den letzten fünf Minuten nicht genügend investiert“, meinte Bauermann. Die Baskets haben sich also erneut nicht belohnt, aber das hat für ihren Trainer „eine klare Ursache, einen klaren Grund: die mangelnde defensive Qualität in den letzten fünf Minuten“. Natürlich habe das auch „ganz viel mit der hohen Qualität von Alba zu tun“, was sicherlich nicht von der Hand zu weisen ist. Bei den Berlinern beeindruckten in dieser sehr unterhaltsamen, stets spannenden und phasenweise auch hochklassigen Partie vor allem der ehemalige NBA-Profi Luke Sikma, Aufbauspieler Peyton Siva und Marius Grigonis, die neben Saibou zum Schluss kühlen Kopf bewahrten.
Überraschende Vorstellung
So bleibt den Würzburgern nun abermals nur: Mund abwischen und – trotz des durch Gießens Sieg gegen Bayreuth verursachten Rückfalls auf Rang elf – weiter um die zumindest noch rechnerisch zu erreichenden Play-offs mitrangeln – was nach dem Auftritt in der Hauptstadt zumindest noch nicht gänzlich ad acta gelegt werden müsste. Denn dass die Würzburger ohne ihre beiden verletzten Topscorer Robin Benzing und Kapitän Kresimir Loncar überhaupt in der Lage sein würden, ein Topteam wie Alba zu ärgern, geschweige denn an den Rand einer Niederlage zu bringen, davon konnten allenfalls die Anhänger mit den rotesten aller Baskets-Brillen ausgehen. So aber überraschte die Mannschaft plötzlich mit durchaus attraktivem Team-Basketball und mit bisher kaum für möglich gehaltenen Ballstafetten. „Natürlich müssen wir anders spielen, wenn Robin nicht dabei ist, da muss der Ball anders laufen“, meinte Bauermann.
Ein Diamant namens Taylor
Einer, der die Kugel nicht nur sehr intelligent laufen ließ, sondern bei seinem Debüt auch gleich noch der effektivste Würzburger war, kam erneut aus der dritten Liga. Wie schon der aus dem Würzburger Farmteam ausgeborgte Miles Jackson-Cartwright übertraf diesmal Neuzugang Kameron Taylor alle Erwartungen. Wer geglaubt hatte, dem 23-Jährigen, der bislang bei Rhöndorf vor einer Handvoll Zuschauern zum besten Spieler der ProB reifte, würde vor der größten Kulisse, vor der die Würzburger in dieser Saison spielten (und wohl spielen werden), das Herz in die Hose rutschen, dem streckte der US-Amerikaner rotzfrech die Zunge heraus.
Nach sechseinhalb Minuten schickte Bauermann Taylor in seine Bundesliga-Feuertaufe, und was der Guard dann in seinen zweiundzwanzigeinhalb Minuten aufs Parkett zauberte, war, ja man muss es so schreiben, schlicht beeindruckend, und man konnte sich anschließend schon fragen, warum dieses offensichtliche Talent so lange in der zweiten und dritten Liga herumturnen musste. Nicht nur, dass Taylor durch blitzgescheite Pässe seine Kameraden immer wieder fein in Szene setzte – mit 16 Punkten war er mit Maurice Stuckey treffsicherster Würzburger und überdies laut Statistikbogen auch noch deren Effektivster.
Nur nicht beeindrucken lassen
„Er hat das heute super gemacht“, meinte Bauermann, der auch sagte, dass der Baskets-Trainerstab Taylor ermuntert habe, „vor allem Spaß zu haben und sich nicht beeindrucken zu lassen“. Offenbar hatte der Amerikaner das beherzigt. Der nach der Saison scheidende Bauermann glaubt jedenfalls, dass „wir da vielleicht einen Diamanten gefunden haben“. Das wird man sehen. Sicher ist jetzt schon: Falls Taylor auch nächste Spielzeit in Würzburg auf Körbejagd gehen sollte, wird ihn sein Entdecker nicht mehr schleifen.