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Fußball/Regionalliga Bayern
Der kleine König von Giesing am Dallenberg
Von unserem Redaktionsmitglied Frank Kranewitter
 |  aktualisiert: 07.09.2017 22:04 Uhr

Beweisen muss Karsten Wettberg keinem mehr irgendetwas. Über ihn gibt es ein Buch. Der Titel lautet „Kleiner Mann ganz groß“. Den Inhalt dieses Titels rein auf die körperliche Größe zu reduzieren, das würde Wettberg nicht gerecht. Unter den so genannten Kleinen des Fußballs ist er vielleicht wirklich der Größte. Die „Sportbild“ adelte ihn einst zum „erfolgreichsten Amateurtrainer Deutschlands“. Den endgültigen Beweis dafür anzutreten, dürfte schwer werden. Aber insgesamt gewonnene 46 Titel, Kreispokalsiege inklusive, sind schon eine imposante Menge.

An diesem Samstag (13 Uhr, Kickers-Stadion am Dallenberg) ist Wettberg mal wieder zu Gast in Würzburg, trifft mit seinem SV Seligenporten auf die Kickers. Wettberg („Die Kickers haben ein wunderschönes Stadion“) wird wieder wettern und stöhnen, wird toben und schreien. Auch mit 71 Jahren sieht man ihm die Leidenschaft noch an. „Fußball“, sagt er ganz ruhig, „ist mein Lebenselixier.“ Mit dem polternden Mann am Spielfeldrand, von dem es Bilder gibt, wie er bäuchlings auf dem Rasen liegend, mit den Fäusten auf den Boden trommelt, hat dieser Karsten Wettberg am Telefon rein gar nichts zu tun. Wettberg ist freundlich und charmant, zumindest wenn der Ball nicht rollt.

130 Kilometer trennen seinen Wohnort, das kleine Bauerndorf Elsendorf im niederbayerischen Landkreis Kehlheim, und Seligenporten, den derzeitigen Mittelpunkt seiner Fußballwelt. „Das ist alles nicht ganz einfach. Meine Familie leidet schon immer unter meiner Leidenschaft“, sagt Wettberg selbst über sein Fußball-Engagement. Und trotzdem tut er es noch immer, „weil ich noch immer ehrgeizig bin und Spaß daran habe“, wie Wettberg sagt. Er ist stolz darauf, dass das so ist, das hört man. Und vor allem darauf, dass er nie ein echter Profi war. „Viele glauben mir ja nicht, dass ich noch als Trainer einer Zweitliga-Mannschaft zur Arbeit gegangen bin. Aber das war tatsächlich so.“ Wettberg arbeitete bei der Post. Der Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hieß damals Horst Seehofer. Und der schuf einen Präzedenzfall, erzählt Wettberg: „Ich war der erste Postbeamte, der an zwei Tagen in der Woche unbezahlten Urlaub bekam.“ Wer nun glaubt, Wettberg würde darob unendliche Dankbarkeit empfinden, der täuscht sich. Wettberg ist trotz Seehofers Hilfe noch immer SPD-Mitglied, sitzt seit 2002 im Kreistag. „Ich war damals während meiner Zeit als Sechzig-Trainer der Vertreter von 1200 Gewerkschaftsmitgliedern im Raum Ingolstadt. Die konnte ich doch unmöglich im Stich lassen.“

Der Spa,ß es als Kleiner den Großen zu zeigen, der hat Wettberg stets angetrieben. Einst verhinderte er als Unterhachinger Trainer mehrfach den Aufstieg von 1860 München aus der Bayernliga in die Zweite Bundesliga. Als er dann selbst bei den Löwen auf der Bank saß, schaffte der Klub die so sehnlichst erhoffte Rückkehr in den Profifußball. Münchens damaliger Oberbürgermeister Georg Kronawitter adelte ihn daraufhin zum „König von Giesing“. Ein Titel, der sich bis heute gehalten hat. „1860, das ist mein Verein“, sagt Wettberg. Zwischenzeitlich hatte Ex-Präsident Karl-Heinz Wildmoser Wettberg mal verboten, das Trainingsgelände zu betreten. Heute arbeitet er wieder für den Verein seines Herzens. Wettberg ist ein so genannter Scout, ein Spielerbeobachter. „Das Wichtigste ist, dass alles seriös bleibt“, sagt Wettberg über die derzeitige unübersichtliche Lage bei den Löwen. Dass der jordanische Investor nun langsam auch Erfolge sehen wolle, sei aber auch verständlich. „Er wird doch nicht Jahrzehnte warten, bis sich seine Investition rentiert. Er will ein Geschäft machen, und das geht nur in der ersten Liga“, weiß Wettberg: „In dieser Saison wird das aber leider nichts mehr. Der Zug ist abgefahren.“

Das Phänomen Seligenporten

Bei aller Faszination für die Löwen, Wettbergs Verein kommt derzeit aus Seligenporten. Und seine Tätigkeit dort ist – wie sollte es anders sein – auch eine Erfolgsgeschichte. Als der 71-Jährige vor vier Jahren anfing, stand der Klub fast schon fast als Absteiger aus der Bayernliga fest. Jetzt ist der Dorfklub aus dem 1500-Einwohner-Ort vom Rande der Oberpfalz ein Phänomen in der Regionalliga. Da ist Wettberg wieder in seinem Element. „Wir haben längst nicht die Möglichkeiten wie andere Vereine in dieser Liga. Der Klassenerhalt ist unser Ziel“, sagt er: „Dass nicht nur die zweiten Mannschaften der Profiklubs ganz oben in der Regionalliga-Tabelle stehen, das ist schon ein Erfolg für den Amateurfußball. Die Reform der Regionalligen war absolut nötig, um dem Amateurfußball wieder eine Chance zu geben.“ Sein Team spielt daheim in der für 1,7 Millionen Euro neu erbauten MARena. Das Team um den in Würzburg Rot-gesperrten Ex-Profi Alexander Maul (Jena, Regensburg) steht derzeit auf Platz zwei der Tabelle. „Geld spielt für mich da wirklich keine Rolle. Geld ist nicht das Wichtigste. Über diese Dinge bin ich in meinem Alter längst hinweg“, sagt Wettberg.

FC Würzburger Kickers – SV Seligenporten (Samstag, 13 Uhr, Kickers-Stadion am Dallenberg)

Zu ungewohnter Mittagszeit um 13 Uhr empfangen die Kickers den SV Seligenporten. Der Grund für die frühe Anstoßzeit: Im Kickers-Stadion finden an diesem Samstag Weihnachtsfeiern der Nachwuchskicker statt. „Wenn über Nacht nicht noch ganz viel Schnee kommt, spielen wir in jedem Fall“, sagte Kickers-Trainer Dieter Wirsching am Freitagnachmittag. Eine vorzeitige Absage der Partie gegen den Tabellenzweiten stand nicht zur Debatte. Schließlich wollen die Kickers möglichst schnell mit einem Erfolgserlebnis alle Skeptiker, die nach zuletzt vier Spielen ohne Sieg ein Abrutschen in die Abstiegsregion befürchten, zum Verstummen bringen. Dass der SV Seligenporten nur eins der letzten fünf Spiele gewonnen hat, macht Wirsching ebenso Hoffnung wie der Blick zurück in die Vergangenheit: „Wir haben in dieser Saison immer in den Situationen, als wir unter Druck standen, unsere beste Leistung gebracht. Ich hoffe auch diesmal.“ Im Kader steht auf jeden Fall Sergey Zimin. Der Angreifer mit russischen Wurzeln hatte sich nach dem Aufstieg im Sommer eigentlich aus der ersten Mannschaft zurückgezogen und nur noch im Bezirksliga-Team gekickt. Jetzt steht er wieder in Wirschings Kader. „Erst einmal für das Spiel gegen Seligenporten. Dann schauen wir weiter“, sagt der Kickers-Coach: „Er ist nach wie vor topfit und ein Spielertyp, der uns weiterhilft.“

 
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  • meeviertel
    Karsten Wettberg, wunderbarer Mann! Großartiger Kerl! Was hat dieser ellenlange Bericht mit dem Spiel zu tun? Ein Abgesang auf den dienstältesten Trainer, oder was soll dieser Beitrag über einen Trainer vom Gegner? Dazu noch ein Bild, das ausgerechnet beim kleineren Stadtteilverein aufgenommen wurde. Wettberg war mit Seligenporten auch schon einmal im Kickers Stadion. Bin mir sicher, auch davon gibt es ein verwertbares Bild vom alten Trainerfuchs. Herr Kranewitter, wir wollen einen Vorbericht zum Spiel des Regionalligisten Kickers und keine Hymne über den gegnerischen Trainer lesen!
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  • eins wünsch ich mir noch: den Azatrottel und den Andi66 mal live zu treffen. Bitte, lieber Herrgott, so kurz vor Weihnachten, lass meinen Wunsch in Erfüllung gehen grinsen
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  • Was is los Gonzo grinsen grinsen?Warum so Aufgeregt? grinsen grinsenWahrheit schmerzt. grinsen
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  • kickers
    In der 2.Liga beginnen die Spiele auch um 13:00 Uhr zwinkern
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  • nee. zwinkern
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  • goldinger1980
    Und wann gehts in Dunkelwürzburg los. Ach komm ist doch lustig oder? Is da halt eben mal dunkler unne in die Zellerrau. Also kümmer du dich um du - grinsen
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