Gelernt Verantwortung zu tragen
Irgendwie hat man das Gefühl, der Kapitän sei schon viel länger da gewesen am Dallenberg. Und überhaupt wirkt der gebürtige Berliner älter und reifer als ein 27-Jähriger. Das liegt vielleicht auch daran, dass sich die Ereignisse in den vergangenen beiden Spielzeiten förmlich überschlugen, dass Neumann in Würzburg so viel erlebte, wie andernorts in – sagen wir einmal – vier Jahren. Und Neumann war vom Start weg das Gesicht dieser Kickers-Mannschaft. „Ich habe hier gelernt, Verantwortung zu tragen – auch in schweren Zeiten“, sagt er.
Hollerbach machte ihn zum Kapitän
Kaum war Neumann nach dem Würzburger Zweitliga-Aufstieg im Sommer 2016 vom VfR Aalen nach Würzburg gekommen, machte ihn Ex-Kickers-Trainer Bernd Hollerbach zum Abwehrchef und Kapitän. Es folgte eine Saison mit unerwarteten Erfolgen in der Vorrunde und einem umso schmerzhafteren Fall in der sieglosen Rückrunde. „Der Abstieg tut mir immer noch weh“, sagt Neumann heute: „Ich habe aber für mich entschieden, nicht mehr nach dem Warum zu fragen, sondern dieses Thema abzuhaken.“ Der ratlose Kapitän, der während des Absturzes in der Rückrunde 2017 Woche für Woche von den Kollegen vorgeschickt wurde zu den wartenden Journalisten und nach Erklärungen suchte, das war am Ende der denkwürdigen Kickers-Zweitliga-Saison ein Bild gewesen, das hängen blieb.
Kickers-TV: Der Kickers-Capitano sagt ciao
Der Publikumsliebling
Dass Neumann danach – anders als ein Großteil seiner Mitspieler – blieb, rechneten ihm viele Fans hoch an. Spätestens zur neuen Saison war der einstige U-21-Nationalspieler, der nach seiner Ausbildung bei Hertha BSC auch beim VfL Osnabrück und eben in Aalen bereits in der Dritten Liga gespielt hatte, endgültig zum Würzburger Publikumsliebling geworden. Auch weil er als Abwehrspieler zur Not selbst die Tore schoss: fünf Stück waren es in dieser Saison. „Er hinterlässt eine Lücke“, stellt auch Trainer Michael Schiele fest. Dabei hatte Neumann lange mit sich gerungen. „Ich hatte bis zuletzt gehofft, dass wir in der Tabelle noch oben reinrutschen“, sagt Neumann. Die einzige Möglichkeit ihn zu halten, wäre der direkte Wiederaufstieg gewesen. Das dürfte den Verantwortlichen der Kickers schon im Winter nach ersten Vorgesprächen klar geworden sein. „Mit 27 ist es für mich Zeit, den nächsten Schritt in meiner Karriere zu machen“, sagt Neumann.
Der wohl beste Abwehrspieler der Liga
Neumann ist in dieser Saison der wohl beste Abwehrspieler der Dritten Liga. Es wird nicht leicht werden, Ersatz für ihn zu finden. Ob die Kickers danach überhaupt suchen? Mit Hendrik Hansen, der nach überstandenem Mittelfußbruch beim 3:1-Sieg in Lotte am vergangenen Wochenende sein Startelf-Debüt im Kickers-Trikot gab, steht ein möglicher Nachfolger bereits bei den Rothosen unter Vertrag. Auch Anthony Syhre, wie Neumann in Berlin geboren, bei Hertha BSC ausgebildet und in Osnabrück zum Drittliga-Spieler geworden, brachte sich zuletzt mit guten Leistungen als neuer Abwehrchef ins Gespräch. Trotzdem hatten sich die Kickers bereits seit dem Winter auf dem Spielermarkt nach Alternativen umgeschaut. „Alles andere wäre ja auch fahrlässig gewesen“, sagt Trainer Schiele, der im Sommer auch einen neuen Kapitän bestimmen muss: „Es werden neue Spieler in diese Rolle hineinwachsen“, ist sich der Coach sicher.
Keiner fragt mehr nach dem Herzen
Neumann wird die Entwicklung aus der Ferne beobachten. Für ihn hat sich, trotz der vielen Aufs und Abs und mancher Enttäuschung, der Schritt nach Würzburg gelohnt. „Es waren die bislang besten zwei Jahre in meiner Karriere“, sagt er rückblickend. Als er aus Aalen nach Würzburg kam, war es ein großes Thema, dass er der einzige Spieler in deutschen Profiligen ist, der wegen einer Herzerkrankung mit einem eingebauten Defibrillator in der Brust spielt. Dass Neumann mittlerweile überhaupt nicht mehr dazu gefragt wird, dürfte für ihn der vielleicht größte Erfolg sein.
wird er fehlen!