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Handball: Zweite Bundesliga Männer
Der Geistheiler der Rimparer Wölfe
Ein Handballverrückter mit Leib und Seele: Gerd Nöth, Hallensprecher der Rimparer Wölfe.
Foto: Daniel Peter | Ein Handballverrückter mit Leib und Seele: Gerd Nöth, Hallensprecher der Rimparer Wölfe.
Natalie Gress
 |  aktualisiert: 08.01.2016 17:47 Uhr

Wie soll man dieses Unikat beschreiben? Vielleicht am besten mit der Geschichte einer ersten Begegnung. Als Jens Bürkle bei seinem Debüt als Trainer der DJK Rimpar Wölfe in der Dreifachsporthalle an der Seitenlinie stand, erzählt er, „da fiel mir sofort ein kleiner, sehr energischer Kerle auf, der wie ein Bekloppter ins Mikrofon brüllte“. Gestatten, Gerd Nöth, der Hallensprecher.

Vom Torwart zum Hallensprecher

Vielleicht erzählt aber auch sein eigener, ganz dringender Geburtstagswunsch am meisten über diesen Mann: Am Sonntag wird Gerd Nöth 56, und zu seinem Ehrentag hat er sich gewünscht, einen Ausflug zu unternehmen. Freilich nicht irgendwohin ins Blaue, nein, ins Schwäbische soll es gehen, genauer gesagt nach Tübingen, wo der TV 1893 Neuhausen seine Heimspiele austrägt. Denn dort bestreiten die Rimparer Handballer ihr Zweitliga-Saisonfinale. Und Gerd Nöth wird, wie so oft, im Fanbus vorn sitzen und nicht nur seine engste Familie mit Frau Lis und den beiden Söhnen Harald (23) und Armin (21) um sich haben, sondern seine große DJK-Handballfamilie, deren ehrenamtlicher Mittelpunkt die Nöths sind, die sich alle vier für den Verein engagieren.

Hallensprecher ist der Mittfünfziger, seit seine Frau Lis „denken kann“. Früher selbst Torwart bei der DJK – „und gar kein so schlechter“, wie Nöth einmal betonte –, machte er als Mann am Mikrofon alle Aufstiege seiner Heimatmannschaft mit, von der Landesliga bis in die zweite Bundesliga. Nach dem Sprung dorthin sagte er Ende April 2013 gegenüber dieser Zeitung: „Für mich wurde heute ein Kindheitstraum wahr. Ich begleite diesen Verein seit meinem fünften Lebensjahr. Wenn ich zurückdenke, wie wir angefangen haben, mit welchen Möglichkeiten, aber auch mit welchen Widrigkeiten und wie weit wir heute sind durch diesen enormen familiären Zusammenhalt, dann bin ich sehr, sehr stolz. Für mich ist das die Krönung meines Handballerlebens.“ Dank so viel Pathos zitierte ihn damals sogar die „Süddeutsche Zeitung“.

Nun, ein gutes Jahr später, hat er am vergangenen Wochenende mit den Wölfen den Klassenerhalt gefeiert, und wie meist war er nach dem 28:28 gegen die HG Saarlouis fast so fertig, als hätte er selbst mitgespielt. Kein Wunder, Gerd Nöth spricht ja auch nicht in sein Mikrofon, zumindest nicht oft. „Brüllen“, wie Bürkle es nennt, beschreibt es schon eher. Nöth ist ein Einpeitscher, der Mannschaft wie Zuschauer stets lautstark dazu auffordert, Vollgas zu geben wie er selbst: „Auf geht's Halle, auf geht's Fans“, ruft er dann, und Gegnern droht er gerne mit dieser Ansage: „Ihr seid hier bei den Wööööölfen!“ Vermutlich fletscht er dabei heimlich die Zähne. Nach einem Spiel jedenfalls ist er fast immer heiser.

Dass sein Herzblut dabei schon mal so aus ihm herausschießt, dass er allzu deutlich Partei für seine Mannschaft ergreift, nehmen ihm wohl die Wenigsten übel, schon gar nicht seine Wölfe. Denn die wissen: „Er würde alles für uns tun“, so Kreisläufer Jan Schäffer, der neben seinem Studium in Nürnberg ein Zimmer bei den Nöths in Rimpar bewohnt, die er längst als seine „Zweiteltern“ bezeichnet. „Wenn wir gut spielen, ist Gerd gut drauf, da kann es sein, dass er uns sogar nachts noch einen Kuchen backt.“ „Geistheiler“ nennt Schäffer den früheren Bäcker zuweilen, „weil er neben und auf dem Spielfeld stets versucht, positiv auf uns einzuwirken“. „Dabei ist er halt impulsiv“, ergänzt Lis Nöth. „Er verstellt sich eben nicht – nirgendwo.“ Die 50-Jährige lernte ihren Mann 1988 auf einem Fest der DJK Dipbach kennen, für die sie damals Handball spielte; seit 1990 sind die beiden verheiratet, bis 1. Mai 2013 führten sie gemeinsam ihre Bäckerei in der Rimparer Ortsmitte.

Hobbys: Hund, Wald, Geschichte

Niemand als sie weiß wohl aber besser, dass ihr Mann auch eine andere, eine ruhige Seite hat – und noch weitere Hobbys neben seiner Liebe zum Handball. „Er geht gern mit unserem Labrador Holly im Wald spazieren und interessiert sich leidenschaftlich für Geschichte. Wenn man eine historische Frage hat, braucht man kein Nachschlagewerk.“ Verschmitzt fügt sie hinzu: „Dafür hat er's mit der Neuzeit und ihren technischen Möglichkeiten wie Computer oder Handy nicht so.“

Als Hallensprecher gilt für Gerd Nöth: Wer ihn einmal erlebt hat, der vergisst ihn nicht mehr. So erinnerte sich selbst der frühere Nationalspieler Christian Schwarzer an den Rimparer, als die beiden sich beim Auswärtsspiel der Wölfe diese Saison in Saarlouis wieder begegneten, und begrüßte ihn mit Handschlag. Mit „Blacky“ und anderen ehemaligen Handballgrößen hatten die Nöths 2012 den Abschied von Bürkles Vorgänger Heiko Karrer bis tief in die Nacht im Bäckereicafé gefeiert.

Am Sonntag nun ist Gerd Nöth der Gefeierte. Und seine Wölfe und die DJK-Handballfamilie wünschen ihm von Herzen: Alles Gute, Geistheiler!
 

TV 1893 Neuhausen – DJK Rimpar Wölfe (Sonntag, 17 Uhr, Paul-Horn-Arena Tübingen)

Saisonfinale in der Zweiten Liga: Auch wenn es sportlich für die Handballer des TV Neuhausen (7./41:29) und der DJK Rimpar Wölfe (15./27:43) um nichts Entscheidendes mehr geht, so haben die Unterfranken mit den Schwaben noch eine Rechnung offen. Am zweiten Weihnachtsfeiertag kassierten die Wölfe in der s. Oliver Arena beim 28:29 in letzter Sekunde eine ihrer bittersten Niederlagen. „Wenn wir das Rückspiel gewinnen, können wir uns auch noch mal um einen Platz verbessern“, nennt DJK-Coach Jens Bürkle als weiteren Anreiz eine Woche nach dem sichergestellten Klassenerhalt. Spielern, die bisher weniger Anteile bekommen hatten, will er diesmal „als Belohnung“ mehr Einsatzzeit einräumen. Während Kapitän Stefan Schmitt bei aktuell 99 Saisontoren die 100 vollmachen kann, endet für einen Wolf in der Tübinger Paul-Horn-Arena endgültig eine Ära: Abwehrchef Daniel Sauer bestreitet nach dem emotionalen Heimspielabschied in der Vorwoche das letzte Spiel seiner Karriere. Dabei wird ihn noch einmal ein Bus voller DJK-Fans feiern.

 
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