Es sei "nicht nur enttäuschend, es ist beschämend", stellte der Segnitzer Christian Ziermann, Vorsitzender des Leichtathletik-Kreises Würzburg, ernüchtert fest, als er den ersten Kreistag des Bayerischen Leichtathletik-Verbands (BLV) nach drei Jahren eröffnete. Nur vier Vereinsvertreter waren in die Steiner-Stuben der TG Heidingsfeld gekommen.
Bei 24 Leichtathletik-treibenden Vereinen im BLV-Kreis sei diese äußerst schwache Beteiligung, die Ziermann als Desinteresse an der Verbandsarbeit auf Kreisebene interpretierte, bedenklich. So wurde bei den Neuwahlen auch lediglich Ziermann als Vorsitzender bestätigt, alle weiteren Posten wie etwa der Sportwart oder der Schüler- und Jugendwart konnten nicht besetzt werden.
Leichtathletik-Kreis Würzburg steht vor seiner Auflösung
Der Bezirksvorsitzende Andreas Lapp aus Kitzingen gab angesichts dieser Malaise Ziermann den Auftrag, im Laufe des Jahres für die noch offenen Posten Interessenten zu finden. Gelinge das nicht, werde im Herbst über die Auflösung des Leichtathletik-Kreises diskutiert. "Wenn seitens der Vereine kein Interesse am Kreisverband und damit an Wettkämpfen da ist, müssen wir handeln", verdeutlichte Lapp.
Die Kassengeschäfte der vier unterfränkischen Leichtathletik-Kreise (Bayerischer Untermain, Rhön-Saale, Schweinfurt-Haßberge und Würzburg) seien im vergangenen Jahr aufgrund von strukturellen Veränderungen im Finanzwesen des BLV schon in die Obhut des Bezirks-Schatzmeisters verlagert worden, sodass die Kreise eigentlich nur noch für den Sport zuständig seien.
"Aber wenn auch seitens der Vereine kein Interesse mehr an einer Mitarbeit am Sportbetrieb besteht, dann müssen wir schauen, wie wir weitermachen", sagte Lapp.
Besonders bedauerlich sei, so Ziermann und Lapp, dass aus der einstigen Leichtathletik-Hochburg Würzburg kein einziger Vereinsvertreter zugegen war. Nur die Vertreterin der TG Heidingsfeld hatte sich vorab entschuldigt, mit einigen ausgelegten Kopien auf den Tischen der Steiner-Stuben aber auf ein weiteres drängendes Problem der Leichtathletik-Vereine hierzulande aufmerksam gemacht: Übungsleiter gesucht.
Vereine finden kaum noch neue Trainer und Übungsleiter
"Damit sind wir beim nächsten Problem, dass die Vereine kaum noch neue Trainer und Übungsleiter finden", sagte Ziermann und stellte beispielhaft an seinem Wirken als Schülertrainer beim TV Ochsenfurt fest: "Ich habe jetzt nach Jahrzehnten, weil ich es zeitlich nicht mehr schaffe, aufgehört. Aber es gibt keinen Nachfolger und somit auch kein Schülertraining mehr." Es läge allerdings an den Vereinen, sich selbst mehr Übungsleiter heranzuziehen: "Sonst läuft nichts mehr", mahnte der Kreisvorsitzende.
Dabei sei es dem BLV-Bezirk Unterfranken gerade bei der Trainerausbildung nach einem jahrelangem Ringen mit dem Verband endlich gelungen, erklärte Lapp, in diesem Jahr eine dezentrale Trainer-Ausbildung in den Faschingsferien vom 19. bis 23. Februar in Würzburg – anstatt in Oberhaching – auf die Beine zu stellen. Seit mehr als zehn Jahren hätten sich sein Vorgänger Otwin Hack, Lehrwart Günther Felbinger und er dafür eingesetzt.
Denn das sei in mehrfacher Hinsicht attraktiv für die hiesigen Vereine: zum einen als ortsnahe Ausbildung und zum anderen als "Upgrade" von Allgemein- zu Fach-Übungsleitern, wodurch die Möglichkeit bestünde, Lizenzen gegenüber dem BLSV doppelt abzurechnen. Aber bedauerlicherweise, so Lapp weiter, seien von den 30 möglichen Plätzen bisher nur 16 besetzt.
David Scheller und Jonas Babinsky für ihre Leistungen geehrt
Wie es mit dem vor sich hin darbenden BLV-Kreis Würzburg weitergeht, ist nach diesem Kreistag mehr denn je offen. Sicher sind zumindest zwei Konstanten: die Kreis-Crossmeisterschaften in Gambach am 12. März und die Kreis-Einzelmeisterschaften der U 12/U 14 am 8. Juli in Güntersleben. "Auf diese beiden Vereine ist einfach Verlass", so Ziermann.
Zumindest eine erfreuliche Nachricht verkündete der Kreisvorsitzende zu den Ehrungen: "Wir haben nach wie vor hervorragende Spitzenathleten in unserem Kreis." David Scheller für den Sieg bei den deutschen Crosslauf-Meisterschaften und Jonas Babinsky für den sechsten und achten Platz bei den deutschen Jugend-Meisterschaften über 800 und 400 Meter erhielten für ihre Leistungen ein Präsent. Beide Athleten starten für die LG Main-Spessart.
Ebenso ausgezeichnet wurde Patrick Karl vom TV Ochsenfurt für seinen fünften Platz bei den deutschen Crosslauf-Meisterschaften und die Teilnahme an den Europameisterschaften. "Ihr verdient meinen ganzen Respekt und Anerkennung, dass ihr Trainingsstrapazen auf Euch nehmt. Der Erfolg gibt Euch Recht", würdige Ziermann deren Leistungen.
Wettbewerbe brechen weg, weil die Verantwortlichen fehlen
Damit kam abschließend ein weiteres Phänomen zur Sprache: In den Vereinen kämen zwar viele Schülerinnen und Schüler ins Training, berichtete Ziermann, diese würden aber keine Wettkämpfe bestreiten wollen. Das zeigte sich auch bei den wenigen Wettkämpfen, die in den vergangenen beiden Jahren in diesen Altersklassen stattfinden konnten.
So hatte sich beispielsweise die Anzahl der Teilnehmenden bei den Kreis-Einzelmeisterschaften der U 12/U 14 in Güntersleben von 139 im Jahr 2019 auf 72 fast halbiert. Auch die beiden traditionellen Mehrkampf-Veranstaltungen in Höchberg und Ochsenfurt gebe es nicht mehr, da nicht ausreichend Verantwortliche und Helfer vorhanden seien, die eine Durchführung gewährleisten könnten.
