Keine Wolke trübt den Himmel über Marbella. Zum Treffen auf der Terrasse des Teamhotels kommt Kickers-Trainer Bernd Hollerbach mit zwei Handys in der Hand. Während dieser Wintertage im sonnigen Spanien gibt es auch abseits des Platzes viel zu tun. Ein kurzer Blick auf die neusten Nachrichten auf dem Smartphone, dann folgt ein Gespräch über Transfers, Trainingsmethoden und Träume.
Bernd Hollerbach: Schwer zu sagen. Viele, mittlerweile sehr viele. Wir wissen aber genau, wen wir wollen: Leute wie Lukas Fröde, der jetzt aus Bremen zu uns gekommen ist. Junge, entwicklungsfähige und hungrige Spieler, die bei uns den zweiten Weg gehen wollen. Fröde kam in Bremen nicht richtig zum Zug. Jetzt geht er eine Klasse herunter, um zu spielen. Würzburg ist aus Sicht der Spieler ein Zwischenschritt. Wir sind für die guten Drittligaakteure ein interessanter Verein, um sich mit uns zusammen weiter nach oben zu entwickeln oder nach einer guten Saison zu einem größeren Verein zu wechseln. Wir sind jetzt in einer anderen Schublade. Früher stand ich mit den Kandidaten noch auf der Alten Mainbrücke, um sie für Würzburg zu begeistern.
Jetzt ist es nicht mehr so schwer. Wir werden ganz anders wahrgenommen, weil bei uns einfach gut gearbeitet wird. Das gilt für alle im Verein.
Hollerbach: Heutzutage versucht sich jeder, Selbstvertrauen zu kaufen oder es irgendwie zu fabrizieren. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wer gut gearbeitet hat und fit ist, auch Selbstvertrauen besitzt. Es ist doch besser, die Grundlagen gelegt zu haben und dann etwas zu schaffen, was man nicht für möglich gehalten hat. Das ist es, was eine breite Brust gibt. Der Impuls muss aus dem Team selbst kommen.
Hollerbach: Als Trainer muss man ein gutes Händchen haben und die richtigen Spieler stark machen. Ohne Amir Shapourzadeh, Robert Wulnikowski oder Christian Demirtas hätte ich das hier nie geschafft. Sie hatten in den letzten Jahren meine Unterstützung und haben vieles selbst geregelt. Das machen jetzt auch Sebastian Neumann, Nejmeddin Daghfous und Junior Diaz. Sie schauen, dass ein gutes Klima in der Mannschaft herrscht. Überhaupt machen sie vieles zusammen, was für den Charakter des Kaders spricht.
- Die Kickers im Trainingslager: Wir berichten täglich live
Hollerbach: Da habe ich schon eine Idee. Die muss aber nicht immer aufgehen. Ich habe in meiner Karriere erlebt, dass man glaubte, dass bestimmte introvertierte Spieler, wenn man ihnen die Kapitänsbinde gibt, mit der Aufgabe wachsen. Am Ende waren sie überfordert. Wir sind sehr froh, dass Sebastian Neumann seine Rolle als Spielführer genauso erfüllt, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir haben uns im Sommer sehr viele Gedanken darüber gemacht, wie die neue Hierarchie aussehen muss, nachdem Amir und Christian weg waren.
Hollerbach: Man müsste die Spieler fragen. Aber ich glaube: Zu viel Harmonie gibt es bei uns nicht. Wenn nicht so gearbeitet wird, wie wir uns das vorstellen, dann kann es auch sein, dass der Ton mal rauer wird. Letztendlich geht es um Erfolg. Wir bekommen ordentliches Geld, leben in einer tollen Stadt und stehen auf der Sonnenseite des Lebens. Wir haben unser Hobby zum Beruf gemacht. Ich weiß, wie es ist, wenn man eine Lehre macht und wie schwer 100 Euro zu verdienen sind. Ich sage meinen Spielern immer: Einen besseren Job als Fußballprofi werdet ihr nicht mehr finden.
Deshalb sind wir an jedem Wochenende in der Pflicht, wenn die Zuschauer kommen, auch alles rauszuhauen. Man kann verlieren, aber der Einsatz muss immer stimmen. Das müssen die Zuschauer auch sehen.
Hollerbach: Man kann sich immer verbessern. Aber ich glaube, dass wir uns fußballerisch äußerst positiv entwickelt haben. Die Mannschaft beherrscht viele Systeme. Die Spieler rücken aus ihren Positionen heraus, dann rücken andere Spieler an ihre Stelle. Alle haben eine hohe Eigenverantwortung und gucken, dass die Organisation auf dem Platz stimmt.
Hollerbach: Wir wollen im technisch-taktischen Bereich flexibler werden, die Eigenverantwortung der Spieler ganz bewusst weiter stärken. Jeder muss für den anderen in die Bresche springen. Ich habe da aber schon vieles gesehen, was mir richtig gut gefällt.
Hollerbach: Die sind wahrscheinlich, denn wir haben mit Dominik Nothnagel und Dennis Russ zwei Spieler verloren und aktuell nur noch 21 Feldspieler. Aber es wird nicht so einfach sein, weil die meisten Vereine, deren Spieler uns weiterbringen würden, nur Spieler ausleihen wollen, uns die Entwicklung machen lassen und dann die Spieler wieder zurückholen. Das mache ich nicht so gern. Ich möchte junge und entwicklungsfähige Spieler haben, die den nächsten Schritt machen wollen. Wir glauben, dass wir im Trainerteam Spieler voranbringen und weiterentwickeln können.
Hollerbach: Klar, müssen wir auf alles vorbereitet sein. Wir merken, dass unsere Spieler jetzt begehrt sind. Dass der eine oder andere eine gute Entwicklung genommen hat, ist anderen Klubs auch nicht verborgen geblieben. Wir müssen jetzt schauen, dass wir hintendran gleichwertig besetzt sind. Das war bisher schwierig, weil ich ja eigentlich für die Dritte und nicht für die Zweite Liga geplant hatte.
Hollerbach: Da müssen Sie andere fragen. Ich fühle mich wohl hier bei den Kickers. Ich kann das nicht oft genug sagen. Etwas anderes ist für mich derzeit kein Thema. Ich bin mit der Entwicklung sehr zufrieden. Wenn alle weiter so mitziehen, dazu gehört für mich auch die Stadt, dann bin ich davon überzeugt, dass wir in ein paar Jahren noch ganz woanders hinfahren können. Ich habe das in Wolfsburg auf einer etwas anderen Stufe erlebt: Der VfL war immer im Mittelfeld. Plötzlich sind wir zum AC Mailand gefahren. Wenn im Fußball alle zusammenhalten und sich einbringen, eine ganze Region den Spitzenfußball auch wirklich will, ist vieles möglich. Dazu muss man auch in schweren Zeiten ruhig bleiben. Ich habe weiter das Gefühl, dass hier bei den Kickers alle weiterkommen wollen, die Schlagzahl ist natürlich hoch. Aber alle brennen vor Ehrgeiz. Sollte ich dieses Gefühl einmal nicht mehr haben, dann muss man sehen, wie es weitergeht.
Hollerbach: Zunächst einmal geht es darum, uns in der Zweiten Liga zu stabilisieren. Wir wissen, dass wir, was die finanziellen Möglichkeiten angeht, mit vielen Konkurrenten nicht mithalten können. Das liegt auch an der Verteilung der Fernsehgelder, bei der wir ganz weit unten stehen. Aber wir haben bewiesen, dass wir trotzdem erfolgreich arbeiten können. Wenn wir alle zusammenhalten, dann bin ich sicher, dass wir in näherer Zukunft auch einmal ganz oben anklopfen können. Man muss alles mitnehmen. Viele haben ja gesagt, die Zweite Liga käme zu früh. Aber man muss so eine Chance ergreifen, sich kontinuierlich weiterentwickeln und darf sich auch von Rückschlägen nicht beeindrucken lassen. Der SC Freiburg mit Christian Streich ist da ein sehr gutes Beispiel.
Hollerbach: Es wäre ein großer Fortschritt, wenn wir ein eigenes Trainingsgelände hätten. Ich glaube aber, dass wir da auf einem sehr guten Weg sind, wenn ich meinen Aufsichtsratschef in diesen Tagen richtig verstanden habe. Thorsten Fischer macht da sehr viel. Er will immer weiterkommen. Wir zwei liegen auf einer Wellenlänge. Für mich ist, wie in einer Firma, Wachstum wichtig. Wenn man sich etwas zutraut und hart arbeitet, kann man das auch erreichen.
Hollerbach: Ich glaube schon, dass ich diesen Geist von daheim mitbekommen habe. Meine Eltern sind ein großes Vorbild für mich. Sie haben in schwierigeren Zeiten als den jetzigen etwas aufgebaut. Wie ich schon sagte: Uns muss bewusst sein, dass wir einem außergewöhnlichen Beruf nachgehen und es uns gut geht.