Die Szene entbehrte nicht einer gewissen Symbolik. Tief in Gedanken versunken, den Kopf leicht gesenkt, betrat Cheftrainer Denis Wucherer zu vorgerückter Stunde am Samstagabend den Presseraum im Bauch der s.Oliver Arena und setzte sich vor der Sponsorentafel auf jenen Stuhl, der normalerweise dem Gäste-Coach vorbehalten ist. Es war der Platz des Gewinners an diesem Tag, und vermutlich hatte der 45-Jährige, während er den vor ihm liegenden Statistikbogen eingehend studierte, das untrügliche Gefühl, durchaus auch Ansprüche auf den Siegersessel anmelden zu können. Chancen dazu hatten seine Schützlinge in den 40 Spielminuten in der Tat zuhauf gehabt, das Parkett mit einem Erfolg zu verlassen.
Enttäuschende zweite Halbzeit
Unterm Strich aber erlitt Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg nach zuvor vier Siegen in Serie – zwei in der Liga, zwei im Europe-Cup-Wettbewerb – einen empfindlichen Rückschlag. Gegen die Basketball Löwen Braunschweig unterlagen die Baskets nach einer vor allem enttäuschenden zweiten Halbzeit 71:78 (43:40) und rutschten in der Tabelle auf Rang 13 ab, statt in der eng beisammen liegenden Liga weiter Boden gut zu machen im Kampf um die anvisierten Play-off-Plätze.
Es war bereits die dritte Niederlage im vierten Liga-Auftritt vor dem eigenen Anhang. „Wir waren heute defensiv gut genug gestanden, um dieses Spiel auch zu gewinnen. Aber bei einer Dreierquote von um die 20 Prozent wird es dann natürlich sehr schwierig. Und gegen Ende haben wir auch dumme Fehler gemacht“, haderte Wucherer.
Puzzeln an der ersten Fünf
Die Begegnung gegen keineswegs übermächtige, in den entscheidenden Phasen einfach weniger unzulängliche Niedersachsen offenbarte einmal mehr, dass die Würzburger – trotz der jüngsten Erfolgsserie – nach wie vor Suchende in Sachen Beständigkeit sind. Offenkundiges Beispiel ist das nach vier Anläufen noch immer nicht abgeschlossene Puzzeln nach der besten Anfangsformation, die Wucherer gegen Braunschweig abermals veränderte – und hinterher eingestehen musste, „dass sie nicht funktioniert hat. Die erste Fünf hat ihren Job nicht gemacht“. Statistischer Beleg: Keiner der Starter brachte es auf einen positiven Plus-Minus-Wert, der besagt, ob man mehr oder weniger Punkte erzielt als kassiert hat, wenn man auf dem Spielfeld war. Dabei führten die Würzburger gleich zu Beginn mit 6:0, um dann mit einem 2:18-Lauf fast schon obligatorisch für ein erstes Baskets-Viertel wieder ins Hintertreffen zu geraten.
Ansehnlicher Offensiv-Basketball
Den mit in den zweiten zehn Minuten durchaus ansehnlichem Offensiv-Basketball herausgespielte 43:40-Halbzeit-Vorsprung verspielte die gleiche Startformation wie zu Beginn dann binnen fünfeinhalb Minuten, als ein 47:57 (26.) auf der Anzeigetafel aufleuchtete. „Der Start ins dritte Viertel hat uns besonders wehgetan. Da müssen wir fokussierter aus der Kabine kommen“, bemerkte der dieses Mal unauffällig agierende US-Spielmacher Cameron Wells selbstkritisch.
Keine Durchschlagskraft
Den Willen, der Partie eine abermalige Wendung zu geben, konnte man den Würzburgern nicht absprechen – „aber wir haben nicht so den Zugriff bekommen. Wenn wir Stopps in der Defensive generiert haben, haben wir vorne den Ball nicht in den Korb bekommen“, resümierte der beherzt unter den Körben zu Werke gehende, von der Bank gekommene Center Johannes Richter, bester Baskets-Spieler an diesem Abend. Gerade von jenseits der 6,75-Meter-Linie hatten die im bisherigen Saisonverlauf so treffsicheren Baskets dieses Mal kein Abschlussglück, lediglich sechs ihrer 28 Versuche fanden den Weg in den Löwen-Korb. Zu wenig, zumal die Mannschaft alternativ unter den Körben die nötige Durchschlagskraft vermissen ließ – 2,08-Meter-Mann Gabriel Olaseni brachte es analog zu seiner Trikotnummer wie schon die Woche zuvor in Ludwigsburg auf null Punkte – oder selbst einfache Korbleger vergab.
In Bonn und gegen Berlin
„Fakt ist, dass es Braunschweig geschafft hat, uns den Rhythmus zu nehmen. Wir haben zu selten Tempo aufnehmen können, um bei unseren Fans den Enthusiasmus und die Leidenschaft aufkommen zu lassen, das Spiel noch zu kippen“, resümierte Wucherer, für dessen Team bis zur Länderspielpause am ersten Dezember-Wochenende wichtige Aufgaben in der Liga (nächsten Sonntag in Bonn, Samstag darauf daheim gegen Berlin) und auf internationalem Parkett (Mittwoch in Sarkaya, Dienstag darauf zu Hause gegen Leiden) anstehen.