
Es hätte eine Weltpremiere werden und den Weg für weitere diverse Sportkategorien ebnen können, doch dieses Vorhaben des Schwimm-Weltverbands World Aquatics ist geplatzt. Erstmals sollte beim Schwimm-Weltcup in Berlin eine offene Kategorie starten, bei der Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht antreten konnten. Die Idee: trans, intergeschlechtliche und non-binäre Personen die Teilhabe ermöglichen. Mit Ende der Anmeldefrist am 30. September teilt der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) nun aber mit, "dass sich trotz der gemeinsamen Bemühungen leider keine Aktiven für die Teilnahme registriert haben".
Die Schwimmerinnen sollten über 50 und 100 Meter gegeneinander antreten. Erforderlich für eine Anmeldung war lediglich das Erreichen einer bestimmten Qualifikationszeit bei einer Veranstaltung in den vergangenen zehn Jahren. "Wir bedauern es sehr, dass die Initiative von World Aquatics augenscheinlich keinen Anklang gefunden hat", sagt DSV-Vizepräsident Kai Morgenroth in einer Pressemitteilung. "Umso wichtiger ist es jetzt, aktiv Ursachenforschung zu betreiben, zuzuhören und zu lernen, um funktionierende Ideen für zukünftige Projekte zu entwickeln." Ferner wolle sich der DSV aktuell nicht äußern. Gegenüber unserer Redaktion teilte der Verband mit, man konzentriere sich auf die bevorstehende Veranstaltung.
Schwimmerin Lia Thomas brach Rekorde und sorgte für Diskussionen
Hintergrund der offenen Kategorie war, dass die Amerikanerin Lia Thomas bei den US-Collegemeisterschaften 2022 als erste Trans-Schwimmerin mehrere Titel gewann und Rekorde aufstellte. Daraufhin entbrannten weltweit Diskussionen, um die Teilnahme von Transpersonen an Wettkämpfen. Die Idee des Schwimm-Verbands wurde zu Beginn stark kritisiert. Der Verein Athlete Ally sprach sich gegen eine weitere Kategorie aus. Sie befeuere die Ausgrenzung und Stigmatisierung von Trans-Schwimmerinnen und Schwimmern, statt sie zu inkludieren.
Diese Position teilt auch der Lesben- und Schwulenverband (LSVD). Pressesprecher:in Kerstin Thost sagt: "Die offene Kategorie ist für uns ein Ausschluss von trans, inter und non-binären Personen." Statt einer Inklusion komme es zur Exklusion der Sportlerinnen und Sportler. "Verschiedenste Körpermerkmale können einen Vorteil im Profisport darstellen", so zum Beispiel lange Arme oder die Körpergröße. Transpersonen hätten demnach nicht automatisch einen Vorteil: "Die Exklusion kann damit nicht gerechtfertigt werden."
Ein Vorschlag des LSVD orientiert sich an einer Regelung des Deutschen Fußball-Bunds (DFB). Der DFB führte ein Spielrecht für Transpersonen ein, in der Kategorie zu spielen, der sie sich zugehörig fühlen. Das gelte bislang allerdings nur für den Amateurbereich. Non-binäre Personen sollten sich die Kategorie ebenfalls aussuchen dürfen. "Trans Personen berichten von klein auf von Diskriminierungen im Sport. Das beginnt teilweise sehr früh und erschwert den Zugang zu Profisport", sagt Thost. Immer wieder berate der LSVD Vereine im Umgang mit Trans-Sportlerinnen und Sportlern.
Der LSVD befürchtet ein Zwangsouting und mehr Diskriminierung
Ein weiterer Kritikpunkt an der offenen Kategorie ist, dass eine Teilnahme einem Zwangsouting gleichkomme. Mit Blick auf die nächste Schwimm-WM in Katar 2024 stelle das, so Thost, ein Sicherheitsrisiko für die Sportlerinnen und Sportler dar. "Katar diskriminiert queere Personen aktiv – darauf haben verschiedene Menschenrechtsorganisationen rund um die Fußball-WM 2022 hingewiesen", sagt sie. Dass sich niemand für die offene Kategorie der World Aquatics angemeldet habe, zeige die Fehlerhaftigkeit der dritten Kategorie im Schwimmen. "Vielmehr sollte das Zwei-Kategorien-System hinterfragt werden", schlägt Thost vor.
Für antretende Sportlerinnen gilt, dass sie nur bei Frauenwettkämpfen starten dürfen, wenn die männliche Pubertät vor dem Alter von zwölf Jahren unterdrückt wurde oder eine Person nachweist, dass die männliche Pubertät nicht über das Tanner-Stadium 2 hinausging. Die Stadien dienen der Stadieneinteilung von Entwicklungsmerkmalen während der Pubertät. "Das finden wir eine viel zu hohe Hürde", sagt Thost. Die wenigsten Länder verfügten über die medizinischen Maßnahmen, diese Pubertätsblocker zu nutzen. Für Sportlerinnen, die ihre Transition erst danach oder im Erwachsenenalter durchführten, bedeutet dies das Aus der sportlichen Karriere.