Obwohl sie bei ihrer wohl letzten WM-Teilnahme keine Medaille mehr holte, sondern im Finale auf Rang fünf landete, weinte Sabine Füsser Freudentränen. Die erfahrene Paddlerin von den gastgebenden Kanu SchwabenAugsburg war bei den Sprint-Titelkämpfen auf ihrer Heimstrecke am Eiskanal im Kajak Einer der Frauen die schnellste Deutsche und konnte ihre gute Platzierung im Endklassement angesichts der jungen internationalen Konkurrenz kaum fassen. "Das ist die pure Freude, weil es ein brutal starkes Ergebnis für mich ist. Ich meine, ich bin 48 Jahre alt. Das könnten alle meine Töchter sein. Der fünfte Platz ist für mich wie Gold", brachte Füsser mit gebrochener Stimme noch heraus, bevor sie sich von Fans und Familie herzen ließ. Es war einer der wenigen Momente bei dieser Sprint-Weltmeisterschaft, in denen sich Freude und große Gefühle breitmachten.
Ansonsten herrschte lange Zeit Tristesse im Team des Deutschen Kanu Verbands, denn in allen sechs Einzeldisziplinen fuhren die deutschen Starterinnen und Starter mal mehr, mal weniger knapp an den Medaillenrängen vorbei – selbst die favorisierten, zu denen auch der bisher zweifache Weltmeister Normen Weber von den gastgebenden Kanu SchwabenAugsburg zählte. Souverän hatte der Bundeswehr-Offizier im Canadier Einer und an der Seite von Andreas Heiliger im Canadier Zweier am Samstag noch den Finaleinzug geschafft. Doch dann klappte es in beiden Endläufen nicht so recht mit der Ideallinie.
Schwaben-Kanute Normen Weber unterläuft im Canadier Einer schwerer Fahrfehler
Im C1, wo Weber seinen dritten WM-Einzeltitel hätte holen können, unterlief dem 37-Jährigen trotz all seiner Erfahrung ein folgenschweres Missgeschick. "Bis zur Zwischenzeit war ich voll dabei. Dann aber habe ich einen harten Fahrfehler gemacht, den ich in 50 Läufen vielleicht ein Mal habe. Ich bin unter der Bogenbrücke von der Ideallinie nach links abgekommen und musste einen harten Rückwärtsschlag einsetzen, um mich nicht zu drehen. Statt dann den Fokus darauf zu richten, schnell ins Ziel zu kommen, hat mich meine Konzentration verlassen und ich habe unten noch mal zwei Wellen mitgenommen", analysierte Weber seinen verkorksten Finallauf, mit dem er auf Rang acht landete. Nicht das, was er sich bei seinem Heimauftritt ausgerechnet hatte.
Im C2 hatten sich Normen Weber und Tim Heiliger während der WM-Woche stetig verbessert
Besser machte es der Lokalmatador danach im C2 mit Andreas Heiliger (Köln), allerdings reichte es auch in dieser Bootsdisziplin nicht für eine Medaille. Die Kanuten und Kanutinnen aus Tschechien (insgesamt drei WM-Titel) und Frankreich (fünf WM)-Titel demonstrierten auch hier ihre Stärke. "Es war ein guter Lauf", sagte Weber dennoch und verwies darauf, dass er und Heiliger die Laufzeiten während des Wettkampfes stetig verbessert hätten.
Dennoch reichten 65.91 Sekunden nicht für eine Medaille. "Die anderen sind eine Sekunde schneller gefahren", musste Weber konstatieren und schickte Gratulationen in Richtung der neuen tschechischen Titelträger Daniel Suchanek und Ondrey Rolenc, die sich in 64.61 Sekunden zum sechsten Mal den WM-Titel gesichert hatten.
Sabrina Barm von Kanu Schwaben Augsburg fährt im C2 knapp am Podest vorbei
Ein ähnliches Bild gab es im Canadier Zweier der Frauen, bei der Sabrina Barm von Kanu SchwabenAugsburg gemeinsam mit Constanze Feine (MSV Buna Schkopau) um 0,76 Sekunden am Treppchen vorbeifuhr und auf dem undankbaren Rang vier landete. Da es allerdings erst seit knapp zwei Wochen gemeinsam im Boot sitzt, war das Duo auch ohne Medaille zufrieden mit seinem Wettkampf-Einstand auf internationalem Niveau.
"Es wäre schön gewesen, wenn es für den dritten Platz noch gereicht hätte. Aber wir haben es trotzdem ziemlich gut gemacht", zog Sabrina Barm ein positives Fazit. "In der Anfahrt vor der Waschmaschine musste ich einmal drücken und das Boot stellen. In der Zeit konnte ich keinen Vorwärtsschlag machen, der Rest hat besser geklappt als im Training", schilderte Barm ihre Eindrücke von der Strecke. "Man will natürlich nicht wegtreiben von der Ideallinie, aber im Zweier ist das unglaublich schwer zu steuern."
Kanu-Veteran Karl-Heinz Englet übernimmt an seinem 84. Geburtstag die WM-Siegerehrung
Dieses Finale versöhnte die Augsburgerin ein wenig mit ihrer verpatzten C1-Qualifikation. Hart hatte es sie getroffen, dass sie da einen Dreher unter der Bogenbrücke hatte, der ihr so viel Zeit raubte, dass sie es nicht ins Finale schaffte. "In keinem Trainingslauf ist mir das passiert", hatte Barm mit ihrem Fahrfehler gehadert.
Ein bisschen Edelmetall-Trost gab es am WM-Ende aber doch noch für die deutsche Sprint-Delegation, denn in den Team-Wettbewerben fischten Normen Weber und Co. doch noch Gold aus dem Wildwasser. Gemeinsam mit Ole Schwarz (Bonn) und Andreas Heiliger gewann der Schwaben-Kanute die C1-Wertung, die deutschen K1 Männer (Yannic Lemmn, Bjo Beerschwenger, Marcel Blum) fügten noch Team-Silber hinzu. Und so war bei der Siegerehrung, die Augsburgs verdienstvoller Kanu-Veteran Karl-Heinz Englet an seinem 84. Geburtstag gemeinsam mit den Offiziellen vornahm, zumindest einmal die deutsche Hymne zu hören.
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