Anne Sauer konnte die Tränen nicht zurückhalten. Eine „Gänsehaut” habe ihr die beeindruckende Kulisse im edlen Grand Palais bereitet, sagte die Florettfechterin. Am Ende sei sie aber eben doch enttäuscht. Das Warten des Deutschen Fechter-Bunds (DFeB) auf eine Olympia-Medaille geht noch mindestens vier Jahre weiter. Nach Einschätzung des Sportdirektors sogar eher länger. Er hoffe, dass man bei den Spielen 2028 in Los Angeles wieder ein größeres Team am Start habe, sagte Tobias Kirch. „Aber ich glaube, bis wir wirklich wieder erfolgreich sein können, brauchen wir mindestens acht Jahre.”
Dritte Spiele ohne Medaille in Serie
Was ist nur los bei den einst so erfolgsverwöhnten deutschen Fechterinnen und Fechtern? Mit dem kleinsten Olympia-Aufgebot seit 68 Jahren waren sie nach Paris gereist - mit gerade mal zwei Sportlern. Einen Tag nach dem dramatischen Aus von Säbelfechter Matyas Szabo gegen den Ägypter Ziad Elsissy scheiterte auch Sauer im Viertelfinale knapp an der italienischen Weltmeisterin Alice Volpi.
„Ich habe meine Leistung bestätigt. Aber eine Überraschung wäre auch schön gewesen”, sagte Sauer, die zwischendurch am Kopf getroffen worden war. Nach einem kurzen Check durch einen Arzt konnte sie weiterkämpfen, die Niederlage aber nicht verhindern.
Wie schon 2016 in Rio de Janeiro und 2021 in Tokio blieb der DFeB auch bei den Spielen in Frankreich ohne Edelmetall. Die bislang letzten Medaillen gab es 2012 in London, als Britta Heidemann Silber mit dem Degen und die Florett-Herren Bronze holten.
„Alte Zeiten werden nie mehr wiederkommen”
„Der Abwärtstrend ist ja schon viele Jahre zu beobachten”, sagte Kirch vor der malerischen Kulisse des Grand Palais. Und es habe verschiedene Gründe. Man befinde sich in einem Umbruch und habe bereits sowohl strukturelle als auch personelle Veränderungen angeschoben, erklärte der Sportdirektor, der selbst erst seit Mai 2023 im Amt ist. Doch es braucht Geduld. Und ein Einsehen.
„Die alten Zeiten werden nie mehr wiederkommen. Wir müssen gucken, dass wir unter den neuen Bedingungen erfolgreicher werden”, sagte Kirch. Was er damit meint: Deutsche Fecht-Erfolge sind durchaus wieder möglich, doch die Voraussetzungen dafür haben sich verändert. „Vor 20 Jahren war die Welt im Fechten noch eine andere”, erklärte Kirch. „Da war es noch sehr europalastig. Mittlerweile ficht die ganze Welt – teilweise auch unter sehr professionellen Strukturen und mit sehr guten Anreizsystemen.”
Internationale Konkurrenz rüstet auf
Die internationale Konkurrenz hat nicht nur aufgeholt, sondern die Deutschen in gewissen Bereichen erst mal abgehängt. „Wenn immer davon gesprochen wird, was Deutschland früher für eine Fechtnation war, werden aus meiner Sicht Äpfel mit Birnen verglichen”, sagte Säbelfechter Szabo nach seiner dritten Olympia-Teilnahme. Er wolle die Leistung früherer Athleten nicht schmälern, aber die Situation sei heute einfach eine andere als damals.
Wenn er etwa sehe, „wie viel Geld die Sportler in Südkorea verdienen und was dort in die Sportart investiert wird, ist es kein Wunder, dass sie Erster in der Weltrangliste sind und den Olympiasieger stellen”, meinte Szabo nach dem Säbel-Coup von Oh Sanguk. Andere Nationen locken die Athleten auch mit Stipendien.
Auf früheren Erfolgen ausgeruht?
Nachwuchsprobleme, weniger finanzielle Mittel als früher - der Weg der deutschen Fechter ist steinig. Vielleicht haben sie sich auf den Erfolgen der Vergangenheit auch eine Zeit lang ausgeruht. „Der Verband muss sich stark hinterfragen”, räumt Sportdirektor Kirch ein und versichert: „Das tut er aktuell.” Um in vier Jahren in Los Angeles oder spätestens 2032 in Brisbane auf der olympischen Bühne endlich wieder mehr als eine Statistenrolle einzunehmen.