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Augsburg
Schluss mit Schlummerland: Wie der FCA aus der Krise kommen will
Powerfußball und Party in der Puppenkiste – das ist lange her beim FC Augsburg. Inzwischen sehen viele den Klub als graue Maus der Bundesliga. Jetzt soll alles anders werden.
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Foto: Wagner (Archivbild) | Der Gegner bekommt vor jedem FCA-Heimspiel eine Marionette der Puppenkiste überreicht. Jim Knopf war schon dabei.
Marco Scheinhof
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:14 Uhr

Jess Thorup blickt in erwartungsvolle Gesichter. Er trägt einen blauen Anzug, weißes Hemd, Weste und Krawatte. Ein modisch perfekter Auftritt. Die Sonne strahlt vom Himmel, im Untergeschoss der WWK-Arena ist davon nichts zu sehen. Der dunkle Pressekonferenzraum wirkt wie immer eher trist, ist aber gut besucht. Das kommt nur bei bedeutungsvollen Anlässen vor. Ein solcher war beim FC Augsburg nötig geworden. Vor einer Woche hatte sich der Fußball-Bundesligist von Trainer Enrico Maaßen getrennt, es war die logische Folge einer alarmierenden sportlichen Entwicklung. Im 13. Jahr droht mal wieder der Abstieg, das lässt sich nach sieben Spieltagen bereits feststellen.

Hier kommt Thorup ins Spiel, der erfahrene Däne mit dem weitgehend kahlen Schädel. Der 53-Jährige wirkt, als könne ihn nichts so schnell aus der Ruhe bringen. Nicht unwichtig als Trainer beim FC Augsburg, dessen jüngste Vergangenheit sich nicht unbedingt durch Kontinuität und entspanntes Arbeiten auszeichnete. Unruhe begleitete den Klub hartnäckig. Das soll sich ändern. Schnellstmöglich.

Vieles ist beim FC Augsburg im Umbruch. An diesem Montag beginnt mal wieder eine neue Zeitrechnung. Um 14 Uhr wird Thorup der Öffentlichkeit präsentiert. Der neue Trainer sitzt also auf dem Podium im Pressekonferenzraum. Hinter dem Trainer steht seit dieser Saison nicht mehr nur eine schnöde Sponsorenwand, sondern eine digitale Spielfläche, die verschiedene Inhalte wiedergeben kann. Der FCA verändert sich, wird moderner. Eine neue Schrift und ein neues Design komplettieren das Bild. Es soll künftig mehr um die Werte gehen, die der FCA verkörpern möchte: Zusammenhalt, Verantwortung, Freude, Zielstrebigkeit, Mut, Vielfalt und Respekt. 

Klingt gut, muss aber mit Leben gefüllt werden. Der FCA gehört zu den unscheinbaren Klubs der Bundesliga. Was hier passiert, wird deutschlandweit nur in großem Maße registriert, wenn es außergewöhnlich ist. Der Alltag dagegen reizt nur wenige. Viele Beobachter der Fußball-Szene sehen Augsburg als graue Maus, als Klub ohne Ecken und Kanten. Die vergangenen Wochen und Monate belehren eines Besseren.

Jurendic nimmt eine Aufbruchstimmung beim FCA wahr

Unruhig ist es. Marinko Jurendic sieht das anders. "Wir spüren keine Unruhe", sagt er am Montag. Der neue Sportdirektor nehme vielmehr große Begeisterung wahr, eine Art Aufbruchstimmung. Es sei nun wichtig, eine "gleiche Ausrichtung zu haben und der zu folgen", so der Schweizer. Auch Thorup, mit mehr als 30 Jahren Erfahrung im Profigeschäft ein alter Haudegen des europäischen Fußballs, sieht viel Potenzial beim FCA. Die nächsten Schritte möchte er mit dem Verein gehen. Das wollten vor ihm schon viele.

Thorup ist der vorerst letzte Baustein eines Umbruchs. Begonnen hat alles im Mai 2022, als die Augsburger plötzlich in einer personell herausfordernden Situation steckten. Klaus Hofmann, der seit Dezember 2014 Präsident des FCA war, trat von seinem Amt zurück. Kurz vor dem letzten Saisonspiel gegen Greuther Fürth. Es war ein Paukenschlag, der mit gesundheitlichen Problemen begründet wurde. Insgeheim aber hatte die Zusammenarbeit mit den beiden Geschäftsführern Stefan Reuter und Michael Ströll schon länger gelitten. Von einer Schlammschlacht war die Rede, von inneren Zerwürfnissen. 

Unmittelbar nach Schlusspfiff der Partie gegen Fürth legte auch Trainer Markus Weinzierl sein Amt nieder. Vor einer TV-Kamera. Auch die Geschäftsführung wurde überrascht. Der nächste Trainer war innerhalb kurzer Zeit weg, nachdem es zuvor auch mit Martin Schmidt und Heiko Herrlich nicht geklappt hatte.

Reuter und Ströll blieben, sie bauten den Verein um. Mit Maaßen wurde im Sommer 2022 ein neuer Trainer gefunden, der die Entwicklung junger Spieler vorantreiben sollte. Mit Markus Krapf wurde im Herbst ein neuer Präsident bestimmt. Einer von der Basis, der gebürtige Augsburger ist Journalist und Kneipenwirt. Früher war er sogar schon mal Geschäftsführer beim FCA, der sich noch stärker mit der Stadt identifizieren möchte. Die Mitgliederzahl soll von derzeit 22.719 noch weiter nach oben geschraubt werden, es ist ein Anliegen des neuen Präsidenten. 

Die Spielweise des FC Augsburg war zuletzt sehr bieder

Die graue Maus begann, sich zu verändern. Nur sportlich blieb die Richtung gleich, es ging immer weiter nach unten. Zwar blieb der FCA Jahr für Jahr Erstligist, überzeugend aber waren die Leistungen nicht. Eine Weiterentwicklung wie an anderen Standorten, etwa beim SC Freiburg, fehlt. Im vergangenen Jahr glückte der Klassenerhalt nur, weil Stuttgart am letzten Spieltag nicht gewann. Nicht aus eigener Kraft, sondern dank Hilfe gelang den Augsburgern das 13. Jahr Erstligazugehörigkeit. Es war ein Moment, der die Verantwortlichen alarmierte. Einer von vielen.

So sehr der Verein nach mehr Glanz und Aufmerksamkeit strebt, so bieder blieb der Fußball. So fehlen Krapf die Argumente im Versuch, seinen Klub noch attraktiver zu machen. In Fußball-Deutschland haben die Augsburger ohnehin nur geringe Strahlkraft. Das Interesse ist groß, wenn es knallt. Wenn der Trainer entlassen wird oder Stefan Reuter sein Geschäftsführer-Amt aufgibt, so wie vor wenigen Wochen. Der Weltmeister von 1990 ist nur noch Berater, mit seiner Arbeit als Geschäftsführer Sport waren längst nicht mehr alle zufrieden. Die neuen starken Männer im Sport kommen aus der Schweiz: Marinko Jurendic und seit 1. September sein Vertrauter Heinz Moser als Leiter Entwicklung. 

Jurendic gilt als akribischer Arbeiter mit einem klaren Plan. Seit 1. August ist er im Amt, er hat viele Gespräche geführt und Eindrücke gesammelt. Er hat die Struktur im sportlichen Bereich verändert, es wird weitere Abgänge geben. Chefscout Timon Pauls soll zeitnah nach Berlin zur Hertha wechseln. Der Umbruch geht weiter. Es sind turbulente Zeiten in einer Phase, in der es eigentlich Ruhe braucht. In der mal wieder der Kampf um den Klassenerhalt statt einer entspannten Saison droht. Zehn erste intensive Wochen seien es gewesen, gibt Jurendic zu. Ein Trainerwechsel sei freilich nicht eingeplant gewesen, war aber nötig. Jurendic spricht von einer Herausforderung, die er zielstrebig und konsequent annahm.

Sein Chef hat volles Vertrauen. Michael Ströll ist seit Reuters Veränderung der starke Mann beim FCA. Einst Praktikant, heute alleiniger Geschäftsführer. Mehr in Verantwortung denn je. Ströll kann vorweisen, wirtschaftlich sehr solide zu arbeiten. Finanziell ist die Entwicklung mehr als in Ordnung, sportlich ist sie das nicht. Nur zwei Siege aus 19 Pflichtspielen verdeutlichten zuletzt das Dilemma. So sehr der Ansatz mit einem jungen Trainer erfolgversprechend klang, so ernüchternd war die Ausbeute. Menschlich sei die Entscheidung der Trennung von Maaßen schwer gewesen, ist vom FCA zu hören. Der Trainer kam gut an, bei vielen Fans, auch bei den Verantwortlichen. Erfolgreich aber war er nicht. Das Profigeschäft lässt keinen Platz für Freundschaftsentscheidungen.

Mit dem neuen FCA-Trainer Jess Thorup soll wieder mehr Ruhe einkehren

Maaßen also ist weg, Reuter weitgehend. Sein Vertrag als Berater beinhaltet zwar, informiert zu werden, an den Entscheidungen aber ist er nicht mehr beteiligt. Die Verantwortlichen sind nicht ohne Fehler durch die vergangenen Jahre und Monate gekommen. Bei der Trainerauswahl haben sie häufig falschgelegen, ein jährlicher Wechsel in jüngster Vergangenheit auf dieser entscheidenden Position ist der beste Beleg. Auch im Kader hatten sie ihre Vorgehensweise verändert. Waren zwischendurch ältere, erfahrene Profis wie Rafal Gikiewicz, Daniel Caligiuri oder André Hahn gefragt, standen zuletzt junge, entwicklungsfähige Akteure hoch im Kurs. Auch ohne Erfolg, wie die Bilanz von Maaßen zeigt. Nun darf sich Thorup daran versuchen, das zu ändern.

Mit dem Dänen soll Ruhe einkehren. Thorup ist erfahren, er hat mit dem FC Kopenhagen schon in der Champions League gespielt. Er kennt Deutschland aus seiner Zeit als Spieler beim KFC Uerdingen. Die Sprache sollte auch keine Hürde sein. Der 53-Jährige spricht in seiner ersten Pressekonferenz ausschließlich deutsch, überrascht damit die vielen Zuhörerinnen und Zuhörer. Der Däne soll Wunschkandidat gewesen sein mit seiner internationalen Erfahrung. Ein "sorgfältiger Prozess", wie es Jurendic sagt, sah Thorup am Ende als Favoriten. Mehrere Tage wurde gesprochen und verhandelt, ehe am Sonntag die Neuanstellung feststand.

Thorup kann dem FCA Glanz verleihen. Er war mit Kopenhagen Meister, kennt die Höhen des Fußballs. Der 53-Jährige weiß, dass er die mit dem FCA zunächst nicht erklimmen wird. "Erst mal stabilisieren und ein Fundament legen", sagt er über seine kurzfristigen Ziele. Er sieht viel Potenzial beim FCA, um den Klub aus seinem Schlummerzustand zu holen. Er wirkt zuversichtlich. Damit beim FCA wieder Ruhe einkehrt.

Transfers, News, Personalien: Sie sind interessiert am schnellen FCA-Update? Dann schauen Sie bei unserem FCA-Ticker vorbei.

 
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