Ganz viel Bohei, ein glücklicher Internet-Star und zwei Niederlagen: Aus dem Box-Comeback von Mike Tyson ist nicht nur der einstige Schwergewichts-Dominator als Verlierer gegangen. Als der 58-Jährige erschöpft pustend seinem nicht mal halb so alten Rivalen, dem Influencer und Social-Media-Promi Jake Paul, zum klaren Sieg gratulierte, hatten manche Fans schon frustriert die Netflix-Übertragung abgebrochen. Weil der Streaming-Riese ausgerechnet bei dem Event, mit dem er ein Engagement im Live-Sport ausloten wollte, technische Probleme hatte, war der Frust vieler Nutzer immens.
Später bemühten sich dann sowohl Tyson als auch Netflix, die Veranstaltung als Erfolg zu verkaufen. Der Sportler berichtete von dramatischen Momenten in der Vorbereitung auf das ungleiche Duell. „Ich wäre im Juni fast gestorben. Ich hatte acht Bluttransfusionen. Ich verlor die Hälfte meines Blutes und 25 Pfund im Krankenhaus”, schrieb er auf der Internet-Plattform X und zog deshalb ein positives Fazit aus der sportlichen Niederlage: „Ich musste kämpfen, um für den Kampf gesund zu werden, also habe ich gewonnen.”
Er bedankte sich dafür, dass ihn seine Kinder - die zu seinen Glanzzeiten fast alle noch nicht auf der Welt waren - auf Augenhöhe mit einem talentierten Boxer in den Mittzwanzigern sehen konnten. „Das ist einer dieser Momente, in denen man verliert, aber dennoch gewinnt”, schrieb Tyson. Gegner Paul kommentierte den Eintrag mit: „Ich liebe dich, Mike. Es war eine Ehre. Du bist eine Inspiration für uns alle.”
Einige Beobachter, Fans und Box-Nostalgiker gingen härter mit Tyson - und dem ganzen Event - ins Gericht. Der Ex-Weltmeister verlor einstimmig nach Punkten. Im ersten offiziell gewerteten Boxkampf seit 2005 war Tyson zwar gut und aggressiv gestartet - verlor dann aber schnell die Kontrolle an seinen 31 Jahre jüngeren Gegner.
Ab der dritten von acht verkürzten Runden hatte er kaum noch Reserven für eigene Angriffe. Gerade er, dessen Angriffe einst in der Boxwelt gefürchtet waren, wirkte harmlos wie nie. In den Schlusssekunden stellten beide Kontrahenten den Kampf dann vorzeitig ein. Paul verbeugte sich aus Respekt vor Tyson.
Auch Netflix in den Seilen
„Mehr als 120 Millionen Leute bei Netflix, wir haben die Seite lahmgelegt”, behauptete der YouTuber danach glückstrunken. Der Streamingdienst selbst sprach tags darauf von 60 Millionen Haushalten, die weltweit den Kampf verfolgten, und räumte zugleich die technischen Probleme ein: „Das Mega-Boxereignis beherrschte die sozialen Medien, brach alle Rekorde und hatte sogar unsere Puffersysteme in den Seilen.”
Netflix ist nicht die erste Plattform, die einen holprigen Start in eine große Sportübertragung erlebt: In Deutschland etwa hakte es in den vergangenen Jahren, als Eurosport Bundesligaspiele zeigte. Auch DAZN und Amazon hatten in früheren Jahren Probleme mit unerwartet vielen Kunden.
Tyson als Publikumsliebling, Paul als „Großmaul” und „Schurke”
Paul hatte im Vorfeld des Kampfes die Außenseiterrolle eingenommen. Wenn die beiden in den vergangenen Wochen zusammen auf Veranstaltungen auftraten, wurde der Influencer häufig ausgebuht. „Das sind Fans von Mike Tyson, die ihn lieben. Und ich bin der Neue, der Störer, das Großmaul, der, der polarisiert”, sagte Paul. „Ich habe mir meine Karriere aufgebaut, indem ich der Schurke bin. Selbstredend sind die Leute gegen mich – für den Boxsport ist das großartig.”
Auch im AT&T Stadiums waren die Sympathien klar verteilt: Als Paul in einem offenen Auto langsam zum Ring gefahren wurde, gab es überwiegend Buh-Rufe. Bei Tysons Gang zum Ring dagegen überwog der Jubel auf den Rängen.
Paul steht erst seit 2020 im Ring, das Duell mit Tyson war sein elfter Sieg im zwölften Kampf. Einen Namen machte sich der 27-Jährige als Influencer, bei Instagram folgen ihm 27 Millionen Fans, bei YouTube 20,8 Millionen.