
Bayern respektive Bayerisch-Schwaben hat nach 56 Jahren wieder einen deutschen Pokalsieger im Tischtennis. 1967 führte der Augsburger Spitzenspieler Martin Ness den Post SV zum Cupgewinn, am Sonntag ging der Titel erstmals an den TTC Neu-Ulm. Der Post SV, seinerzeit Gründungsmitglied der Bundesliga, agiert inzwischen deutlich bescheidener in der Verbandsliga. Der erst vor vier Jahren gegründete Klub von der Donau hat nach dem Erfolg in der hochkarätig besetzten Pokalendrunde noch Größeres vor: Mitte Februar erwartet das TTC-Trio die Borussen aus Düsseldorf zum Halbfinale in der Champions League. Den Endspielgegner vom Sonntag also.
"Wir müssen die Lehren aus diesem Spiel ziehen und es in der Königsklasse besser machen", sagte Düsseldorfs niederländischer Trainer Danny Heister nach der unerwartet klaren 0:3 Niederlage gegen den allerdings mitfavorisierten Lokalmatador. Der hatte schließlich für seine Endrundenpremiere drei Topstars aus der Weltspitze aufgeboten und wurde zudem von einer Woge der Begeisterung in der mit 5000 Fans ausverkauften Ratiopharm-Arena durch das Turnier getragen. Ein neuer Rekord nach 2020 übrigens. 4600 waren es damals, bevor pandemiebedingt zwei Jahre mit leeren Rängen folgten. Was auch zeigt: Die Region hat in Sachen Tischtennis Nachholbedarf.
Tischtennis: Sogar ein Ex-Weltmeister reiste an
"Der Verband hat daran zwar keinen Anteil, aber wir freuen uns über den Riesenerfolg des jungen Vereins", meinte am Sonntag Carsten Matthias, der Geschäftsführer des Bayerischen Tischtennisverbands (BTTV). Sein Fazit: "Der TTC Neu-Ulm tut dem Tischtennissport überhaupt gut, nicht zuletzt des hochklassigen Niveaus wegen und der enormen Medienresonanz." Jedenfalls erwarte er dadurch einen "starken Beitrag zur Entwicklung dieser Tischtennis-Region". Dabei war die Anziehungskraft des Turniers nicht auf diese beschränkt. Angereist war neben naturgemäß viel einschlägiger Prominenz unter anderem Ex-Weltmeister Jörgen Persson, inzwischen schwedischer Nationaltrainer. Zwei seiner Kadermitglieder sorgten im Finale für höchst unterschiedliche Eindrücke.
Anton Källberg, 25, in der Liga-Vorrunde unbesiegt, wurde von Neu-Ulms Taiwanesen Lin Yun-Ju regelrecht deklassiert. Der erst 20-jährige Truls Moregardh bezwang demgegenüber DüsseldorfsTischtennis-Legende Timo Boll im Schlüsselspiel des Nachmittags ähnlich knapp wie vor zwei Jahren im WM-Halbfinale von Houston (Texas). Mit den TTC-Fans feierte auch eine fünfköpfige Fankolonie aus seiner Heimat die Galavorstellung des jungen Schweden. "Er spielt unfassbar cool und nutzt einfach jede Chance", musste Boll nach fünf hart umkämpften Sätzen mit zahllosen Weltklasse-Ballwechseln anerkennen.
Timo Boll lobt Neu-Ulms jungen Schweden
Wohl auch mit Blick auf die Champions League befand der 41-jährige Tischtennis-Senior: "Wenn wir Neu-Ulm schlagen wollen, müssen alle drei in Bestform spielen." Ziemlich konträr zu den Erwartungen hatten sich zuvor die beiden Halbfinals entwickelt. Hier fegte das Boll-Team Titelverteidiger Saarbrückenüberraschend schnell von der Platte, Favorit Neu-Ulm dagegen musste im Nachbarschaftsderby gegen den viermaligen Pokalsieger Ochsenhausen Schwerarbeit leisten. "Wichtig war, dass wir uns danach im Finale erheblich steigern konnten", stellte denn auch TTC-Trainer Dimitrij Mazunov erleichtert fest.