Goldener Donnerstag für das deutsche Paralympics-Team: Die sehbehinderten Elena Semechin und Taliso Engel sorgten für zwei Goldmedaillen im Schwimmen und stellten jeweils einen Weltrekord auf, Sportschützin Natascha Hiltrop triumphierte bereits zum zweiten Mal mit dem Kleinkalibergewehr. Mit jeweils zwei weiteren Silber- und Bronzemedaillen war es der bislang erfolgreichste Tag für den Deutschen Behindertensportverband bei den Spielen in Paris.
Schwimmstar Semechin zeigte über 100 Meter Brust ihre Extraklasse. Mit der neuen Bestmarke von 1:12,54 Minuten deklassierte sie die Konkurrenz. Die zweitplatzierte Maria Carolina Gomes Santiago schlug mit über drei Sekunden Rückstand an. „Ich bin sprachlos, überglücklich und erleichtert”, sagte die 30-Jährige nach ihrem Gala-Auftritt.
Für Semechin war es nach Tokio 2021 bereits das zweite Paralympics-Gold. Nur wenig später wurde damals bei Semechin ein Hirntumor entdeckt. Nach einer Chemotheraphie fand die gebürtige Kasachin allerdings schnell wieder zur alten Form. „Ich hätte nie gedacht damals, dass mein Trainer aus mir, einem sportlichen Wrack, eine Sportlerin macht, die dann auch einen Weltrekord schwimmen kann”, sagte eine emotionale Semechin.
Der 21 Jahre alte Engel konnte im Finale zwar nicht seinen Weltrekord (1:01,84) aus dem Vorlauf erreichen, schlug in 1:01,90 Minuten aber knapp drei Sekunden vor der Konkurrenz an. „Ich bin happy, meine Goldmedaille verteidigt zu haben”, betonte Engel. Auch er holte Gold in Tokio.
Von Nervenschwäche war bei Sportschützin Natascha Hiltrop keine Spur. Sie holte ihre zweite Goldmedaille bei den Sommerspielen und stellte dabei einen Rekord auf. 250,2 Ringe waren bei paralympischen Spielen zuvor noch niemandem gelungen. „Ich bin glücklich, sehr zufrieden und auch ziemlich müde”, sagte die 32-Jährige, die eine inkomplette Querschnittlähmung hat. „Es ist eine Bestätigung und einfach ein schönes Gefühl.”
Schon in Tokio war sie nicht zu schlagen gewesen, allerdings mit dem Luftgewehr. Im Schießzentrum von Chateauroux überzeugte sie mit dem Kleinkaliber - sowohl im Liegendanschlag als auch im Dreistellungswettkampf. Nur einmal musste sie auf dem Weg zu ihrer dritten Paralympics-Goldmedaille kurz zittern. „Ein Schuss ist mir im Finale deutlich nach links weggegangen”, sagte sie. „Also haben wir kurz eine Pause eingelegt, etwas nachjustiert und die Waffe neu ausgerichtet. Danach ging es weiter.” Sie erkannte, dass sie vor dem letzten Schuss auf Kurs lag und behielt die Nerven.
In der Kleidung vom Teamkollegen zur Siegerehrung
Nicht verunsichern ließ sich im Stade de France auch Weitspringerin Nele Moos, die dank eines starken letzten Sprungs mit Silber überraschte. Die 22-Jährige aus Duisburg, die eine Lähmung der rechten Körperseite hat, landete bei 5,13 Meter und verbesserte so ihre persönliche Bestleistung.
„Das ist einfach crazy”, sagte Moos über ihren ersten Sprung über die Fünf-Meter-Marke. „Ich hatte mir überhaupt keine Medaillenchancen ausgemalt. Deswegen trage ich auch nicht meine Zeremonie-Klamotten, sondern die von Markus. Meine Klamotten habe ich einfach mal gekonnt zu Hause gelassen.” Disziplin-Kollege Markus Rehm hatte tags zuvor Gold geholt, erhielt seine Medaille aber erst am Donnerstag.
Die sehbehinderte Leichtathletin Katrin Müller-Rottgardt holte mit Guide Noel-Philippe Fiener Bronze im 100-Meter-Sprint. Die 42-Jährige erreichte in 12,26 Sekunden das Ziel.
Anders als Moos misslang Thomas Schmidberger im Rollstuhltischtennis die Überraschung. Er kassierte beim 0:3 gegen den favorisierten Chinesen Feng Panfeng seine dritte Einzel-Niederlage in Serie bei einem paralympischen Finale. In Paris gewann er mit Valentin Baus bereits Silber im Doppel.
Zeyen-Giles mit zweitem Bronze
Annika Zeyen-Giles sicherte sich im strömenden Regen auf dem Handbike zum zweiten Mal Bronze. Im Straßenrennen kam die querschnittgelähmte Radsportlerin hauchdünn hinter der zweitplatzierten Niederländerin Jennette Jansen ins Ziel. In Clichy-sous-Bois, einem Pariser Vorort, benötigte die 39-Jährige für den 28,3 Kilometer langen Kurs 56:16,00 Minuten. Einen Tag zuvor war Zeyen-Giles bereits Dritte im Einzelzeitfahren geworden.
Diese Chance haben auch die Sitzvolleyballer noch. Allerdings zogen sie im Halbfinale gegen Bosnien und Herzegowina mit 0:3 klar den Kürzeren. Jedoch war Deutschland nur im zweiten Durchgang wirklich chancenlos (6:25).