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Skispringen
USA, Japan, Allgäu: Die Vielflieger landen in Oberstdorf
Der Skisprung-Kalender bringt immense Reisestrapazen mit sich. Nach Lake Placid und Sapporo steht nun Skifliegen an. Was sagen Athlet und Arzt zu den Belastungen?
Philipp Raimund.jpeg       -  Weltcup-Skispringer wie der Allgäuer Philipp Raimund haben im Winter einen extrem vollen Terminkalender.
Foto: Robert F. Bukat, dpa | Weltcup-Skispringer wie der Allgäuer Philipp Raimund haben im Winter einen extrem vollen Terminkalender.
Thomas Weiß, Noa Hüper
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:04 Uhr

Florian Porzig ist Mannschaftsarzt der deutschen Skispringer. Der 48-Jährige aus Fischen im Oberallgäu kennt die heißen Diskussionen, die es im Skisport derzeit gibt. Enge Terminkalender, zu wenige Pausen und schwere Stürze und Verletzungen haben zuletzt vor allem bei den Alpinen für Aufruhr gesorgt. Ein Mammutprogramm absolvieren die Skispringer gerade ebenfalls. Auch wenn die Belastung eine völlig andere sei. 

„Im Vergleich zu den Alpin-Abfahrern sind die Risiken natürlich deutlich geringer.“ Wer die Streif mit 150 Stundenkilometern runterfährt, die Muskeln zwei Minuten komplett übersäuert und sich auch noch dem Risiko eines Sturzes aussetzt, der sei natürlich besonders gefährdet, sagt der Arzt. Bei den Skispringern sei dafür die mentale Belastung hoch, gerade beim Skifliegen auf den extrem großen Schanzen – wie dieses Wochenende in Oberstdorf.

41 Skispringen-Wettbewerbe zwischen November und März

Bei den Adlern schätzt Porzig die Situation nicht ganz so dramatisch ein. Ja, der Weltcup-Kalender ist mit 41 Wettbewerben von November bis März proppenvoll und die Reisestrapazen seien groß. Dennoch würden alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um bei der wilden Jagd durch die Zeitzonen einen Jetlag, beziehungsweise bei extrem langen Autofahrten, gesundheitliche Beeinträchtigungen zu vermeiden. „In aller Regel müssen die Athleten nicht selbst fahren, sondern können die Beine hochlegen. Bei Flügen helfen Kompressionsstrümpfe. Und wie zuletzt in USA und Japan, versuchen unsere Sportler trotz Zeitumstellung möglichst im deutschen Rhythmus zu bleiben.“ 

Dass das aber längst nicht immer gelingt, bestätigt Shootingstar Philipp Raimund, der die eng getakteten Flüge und Fahrten vor dem Heimweltcup in Oberstdorf als „ein absolut wildes Ding“ bezeichnet. Über 35.000 Reisekilometer in drei Wochen hat der 23-Jährige vom SC Oberstdorf zurückgelegt. Danach sei er „echt fertig“ gewesen. 

Zwei Tage hatten die DSV-Adler komplett frei

Am Montag und Dienstag hatten die DSV-Adler deshalb komplett frei, am Mittwoch stand neben der Anreise ins Teamhotel nur ein lockeres Krafttraining auf dem Programm. „Ich habe versucht, mich zu erholen, meinen Schlafrhythmus wieder in den Griff zu bekommen. Die Trips waren sehr anstrengend, körperlich wie mental“, sagt der Athlet. Bereits in Japan habe er sich nicht mehr ganz frisch gefühlt. Beschweren will sich Raimund, der in Lake Placid erstmals aufs Weltcup-Podest segelte, aber nicht. „Wir müssen es so nehmen, wie es kommt. Wir ballern im Winter eben vier Monate durch. Das gehört zum Profisport dazu.“ 

Teamarzt Porzig sagt, die Skispringer würden das Thema Belastungssteuerung extrem ernst nehmen und nichts verharmlosen: „Natürlich sind wir ständig in einer gewissen Habachtstellung.“ Für das anstehende Weltcup-Wochenende in Oberstdorf könne er dennoch Entwarnung geben: Nach Prüfung aller Vitalparameter versichert Porzig: „Alle DSV-Springer sind voll im Saft, eine Ermüdung ist nicht festzustellen.“ Als begleitender Mannschaftsarzt würde er vordergründige Mangelzustände recht schnell erkennen, zudem werde das Blutbild der Athleten regelmäßig überprüft. „Auch an der Ruhe-Herzfrequenz können wir viel ablesen“, sagt Porzig. 

Profisportler hören eher auf den Arzt als Hobbysportler

Würde ein Athlet wirklich einmal über auffallende Müdigkeits- oder Stresssymptome berichten, gibt es laut Porzig nur eines: „Dann verordnen wir strikte Ruhe. Einfach mal den ganzen Tag die Beine hochlegen und nichts machen.“ Soweit komme es aber in aller Regel gar nicht, weil seine Skispringer ohnehin ein extrem gutes Körpergefühl hätten. Und ein Bewusstsein dafür, dass Ansagen vom Arzt am besten auch umgesetzt werden. „Da sind ambitionierte Hobbysportler oft ehrgeiziger und unvernünftiger“, weiß Porzig aus dem Praxisalltag. 

Der Arzt sieht Gefahren eher am Ende der Saison. „Hintenraus wird es dann schon lang.“ Wenn es nach der Raw-Air in Norwegen noch zum Skifliegen nach Planica gehe, „werden wir ein wachsames Auge wegen möglicher Überbeanspruchung haben“. Porzig warnt: „Die Sicherheit der Athleten muss immer an erster Stelle stehen. Sollte das Verletzungsrisiko wegen zu viel Wettkämpfen steigen, werden wir vom Verband aus sicher die Finger in die Wunden legen.“ 

Verbesserungspotenzial, um die Flugkilometer und somit die Belastung für die Athleten zu reduzieren, sieht Philipp Raimund aber jetzt schon. Eine Möglichkeit seien mehr zusammengefasste Weltcupblöcke in einer Region – wie etwa die Skandinavientour im März. „In Nordamerika oder Japan ginge das auch, dort gibt es ebenfalls mehrere weltcuptaugliche Schanzen“, sagt Raimund.

 
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